Porträt einer rothaarigen Frau.

Körpersprache

Das Gesicht

Die Augen blinzeln, die Nase wird gerümpft, der Mund zuckt. Unser Gesicht spricht Bände. Pausenlos bewegen wir unsere Gesichtmuskeln, verändern unsere Mimik, senden wir Signale.

Von Julia Lohrmann

Punkt Punkt Komma Strich

Mit wenigen Strichen ist ein Gesicht gezeichnet: Augen, Nase, Mund. Schon sehr kleine Kinder reagieren auf Bilder von Gesichtern stärker als auf andere Abbildungen. Und in den Gesichtszügen der Eltern nehmen sie jede kleine Regung wahr.

Der Blick ins Gesicht bleibt die wichtigste Informationsquelle, wenn wir andere Menschen beurteilen wollen. Dort sind die Sinnesorgane angesiedelt, mit deren Hilfe wir unsere Welt wahrnehmen. Das Auge sieht, die Nase riecht, der Mensch reagiert. Vielleicht scheint uns das Mienenspiel deshalb so glaubwürdig, weil wir dort die unmittelbare Reaktion auf die Umweltreize ablesen können.

Die Sinnesorgane werden von zwei der entwicklungsgeschichtlich ältesten Teile des Gehirns gesteuert: dem Stammhirn und dem limbischen System. Letzteres erhält Reizeinwirkungen von allen Sinneskanälen und bewertet alle eingehenden Informationen durch die fünf verbreitetsten Gefühle: Glück, Traurigkeit, Wut, Furcht oder Ekel.

Die Gefühlsreaktionen lösen ihrerseits einen emotionalen Körperzustand aus. Und so kommt es, dass wir prompt lächeln, wenn wir einem netten Menschen begegnen – ohne vorher rational darüber nachgedacht zu haben. Auch das kann ein Grund sein, warum die Sprache des Gesichts von allen Menschen verstanden wird.

Verräterische Mimik

Der Züricher Pfarrer Johann Kaspar Lavater (1741-1801) war überzeugt davon, dass die Formung der Gesichtszüge eines Menschen eindeutige Rückschlüsse auf sein Wesen erlauben. Er erläuterte die Kunst der Charakterdeutung 1775 in seinen "Physiognomischen Fragmenten zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe".

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die "Ausdruckskunde" an vielen Universitäten als Lehrfach unterrichtet. Die Theorien des eifrigen Pfarrers sind heute längst widerlegt, aber die Sprache des Gesichts bleibt faszinierend. Mehr als 40 Muskeln verändern Stirn, Augen, Nase und Mund zu ständig wechselnden Gesichtsausdrücken.

Porträt von Johann Kaspar Lavater (1741-1801).

Lavater – Erfinder der Physiognomie

Kalifornische Forscher haben ein System entwickelt, um die entscheidenden Mimikveränderungen einzuteilen und zu benennen. Das Heben der Mundwinkel bezeichnen sie zum Beispiel als "Action Unit 12", das Herunterziehen der Mundwinkel als "Action Unit 15". Ein echtes Lächeln entsteht aus den Action Units 12 und 6: dem Heben der Mundwinkel plus dem Zusammenziehen des großen Augenmuskels.

Die Wissenschaftler glauben, dass überall auf der Welt die gleichen Emotionen auch die gleichen Muskelbewegungen hervorrufen. Auch beherrschte Menschen verraten ihre wahren Gefühle durch kleine Mimikveränderungen.

Die Forscher entdecken auf ihren Videoaufzeichnungen die zuckende Augenbraue oder das kurze Zittern der Mundwinkel. Im realen Gespräch registrieren wir solche Signale unbewusst. Die Sprache des Gesichts ist verräterisch.

Die Augen sind die Fenster der Seele

Etwa 80 Prozent der Informationen über die Außenwelt nehmen wir über die Augen auf. Auch darum ist der Blickkontakt ein unverzichtbarer Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wie kein anderes Körperteil können die Augen sprechen und die Kraft des menschlichen Blicks ist sprichwörtlich: "wenn Blicke töten könnten".

Das Weiß der Augen ist bei keinem anderen Lebewesen so deutlich zu sehen wie beim Menschen. Schon von weitem ist die Blickrichtung zu erkennen. Auch die Augenbrauen heben sich deutlich von der helleren Haut ab, so dass sie den Ausdruck der Augen verstärken. Die Blickrichtung, die Größe der Pupillen, die Öffnung der Lider, all das sind wichtige Signale.

Ein offener Blick wirkt vertrauenserweckend, geschlossene Lider scheinen Geheimnisse zu verbergen. Jemanden im Gespräch anzublicken, signalisiert Interesse, zu langes Anstarren hingegen wird als bedrohlich empfunden. Mädchen und Frauen wird in vielen Kulturen beigebracht, den Blick zu senken, um Bescheidenheit und Unterwerfung zu zeigen. Die Augensignale sind vielfältig.

Besonders interessant ist auch das Verhalten der Pupille. Bei starkem Licht bewirkt die Iris ein Zusammenziehen, bei schwachem Licht erweitern sich die Pupillen. Sie öffnen sich jedoch auch dann, wenn die Augen etwas Angenehmes erblicken. Große Pupillen wirken sympathisch, in der Werbung werden daher die Augen der Models oft durch Augentropfen künstlich erweitert.

Nahaufnahme der Augen einer Frau.

Ein offener Blick wirkt sympathisch

Rote Lippen soll man küssen

Die menschlichen Lippen sind die nach außen gestülpten Schleimhäute des Mundes. Ihre Signalwirkung ist einzigartig und der Kontrast zur umgebenden Haut kann durch Lippenstift noch verstärkt werden.

Der Mund wird von einem komplizierten Muskelsystem bewegt und ständig ist er in Aktion: Er kaut, spricht, schluckt und verformt sich je nach Stimmungslage. Eindeutige Lippenformen kennen wir von den berühmten Smilies: "Mundwinkel nach oben" heißt Freude, "Mundwinkel nach unten" heißt Traurigkeit.

Tatsächlich sind gehobene Mundwinkel ein unzweifelhaftes Signal für gute Stimmung. Das funktioniert sogar umgekehrt: Wenn wir uns bemühen, unseren Mund zu einem Lächeln zu bewegen, hebt das unsere Laune und die der Menschen um uns herum.

Entspannte Lippen strahlen Gelassenheit aus, ein verkrampfter Mund oder zusammengepresste Lippen wirken nervös und unsicher. Bei älteren Menschen kann die Form des Mundes verfestigt sein und ein Stück ihrer Lebensgeschichte erzählen: Zum Beispiel zeigt die Form der Falten, ob jemand viel gelacht hat.

Es gibt einige Mundgesten, die weltweit verstanden werden: Den Finger auf den Mund zu legen, ist eine Aufforderung zum Schweigen. Mit der Hand eine Geste auszuführen, als ob man etwas in den Mund stecke, bedeutet Essen.

Eine Frau hat den Finger auf den Lippen.

Eine universelle Geste für Ruhe

Der Riechzinken

Die Nase wird meist unterschätzt und mit üblen Bezeichnungen beleidigt. Dabei ist sie eine einzigartige Klimaanlage. Jeden Tag filtert sie etwa 10.000 Liter Luft, entzieht ihr den Staub und gibt ihr die Feuchtigkeit, die für die Lunge ideal ist.

Und sie kann riechen. Die Nase erschnüffelt den Wunschpartner anhand seiner Duftstoffe oder warnt vor schlechten Gerüchen. Das Naserümpfen wird deshalb auch weltweit als Signal der Ablehnung verstanden. Wir versuchen durch Zusammenziehen der Nase das Eindringen des unerwünschten Geruchs zu verhindern.

Diese Geste wird auch benutzt, wenn nicht ein Geruch, sondern irgendetwas anderes abgelehnt werden soll. Lautstarkes Einziehen der Atemluft und geweitete Nasenflügel kündigen eine Reaktion an. Dies kann ein empörter Einspruch in einem Gespräch oder auch die furchtsame Vorbereitung zur Flucht sein.

Eine Frau hält sich Nase zu.

Naserümpfen als Zeichen der Ablehnung

Früher glaubte man, dass die Atemluft beseelt sei. Beim Niesen bestand deshalb die Gefahr, dass die Seele entweicht. Die Gesundheitswünsche sind ein Relikt aus dieser Zeit.

Große Nasen wie die des Dichters Cyrano de Bergerac gelten als Symbol für Potenz und Männlichkeit. Die legendäre, gerade und charaktervolle Nase der Kleopatra dagegen ist heute nicht mehr das Schönheitsideal für Frauen. Weibliche Nasen sollten nach Vorstellung der Werbebranche klein und niedlich sein.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 09.06.2020)

Quelle: WDR

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