Werbeanzeige von 1962 für das Traktormodell Deutz D30S

Geschichte der Landwirtschaft

Traktoren – Landmaschinen und tuckernde Kultmobile

Um 1900 wurde der Traktor erfunden, der seitdem auf dem Feld den Job von Pferd und Ochse übernimmt. Heute ist er für die Landwirtschaft unverzichtbar. Und ein Traktor ist mehr als eine Arbeitsmaschine – er ist ein tuckerndes Kultobjekt.

Von Melanie Kuss

Motorisierter Ersatz für Pferd & Co

Der Traktor hat die Landwirtschaft revolutioniert. Er löste die tierischen Helfer ab, denn er war nicht nur stärker und wendiger, sondern auch kostengünstiger und pflegeleichter. Ein Traktor kostet eben nur, wenn er arbeitet; in der Zeit dazwischen ist er genügsam.

Das Zentrum des Traktorenbaus vor dem Ersten Weltkrieg lag in den USA. Als erster Schlepper im heutigen Sinne gilt der Fordson von Autobauer Henry Ford aus dem Jahr 1917. Zuvor gab es Dampftraktoren und von Dampfmaschinen angetriebene, gewaltige Zugmaschinen – für kleine Farmen zu groß und unerschwinglich.

Der Fordson hatte einen Vergasermotor sowie ein Dreiganggetriebe mit Rückwärtsgang. Er wurde am Fließband gefertigt und war dadurch recht preiswert. Über viele Jahre hinweg galt er als Vorbild für die meisten Konstruktionen.

Pakistaner sitzen auf einem Traktor, der einen Anhänger mit einem riesigen Berg Heu zieht.

Traktoren sind weltweit im Einsatz

Der Diesel setzt sich durch

In Deutschland brachte der Hersteller Lanz etwa zur gleichen Zeit seinen legendären Bulldog heraus, und die Firma Hanomag hatte 1927 die deutsche Antwort auf den Fordson: den Hanomag RD 28. Neben Hanomag und Lanz waren in Deutschland die Deutz-Werke führend im Traktorenbau.

In den ersten Jahren der Traktorenherstellung gab es viele unterschiedliche Motorenkonzepte. Einige setzten auf Benzin oder auf Glühkopfmotoren, andere auf Petroleum oder Diesel. Der robuste Dieselmotor setzte sich schließlich durch.

In den 1930er-Jahren wurden die ersten Modelle mit Luftreifen hergestellt. Was heute selbstverständlich ist, war damals ein Novum: Zuvor hatte man umständlich Eisen- durch Elastikreifen austauschen müssen, wenn man vom Feld auf die Straße fahren wollte.

Archivbild: Alter Traktor aus den 20er Jahren mit Eisenreifen.

Luftreifen kamen erst später zum Einsatz

Der Traktorenboom und sein schnelles Ende

Nach der Währungsreform 1948 ging es mit der Entwicklung des deutschen Traktorenbaus stürmisch voran: Der neu entstandenen Bundesrepublik fehlte die landwirtschaftliche Anbaufläche Ostdeutschlands, weshalb eine effizientere Landnutzung nötig war. Eine große Herausforderung für die Landwirtschaftstechnik und ihre Traktoren.

In den 1950er-Jahren gab es so viele verschiedene Marken und so viele Zulassungen wie nie mehr danach. Spitzenreiter war das Jahr 1955 mit fast 100.000 in der Bundesrepublik neu zugelassenen Schleppern. In dieser Zeit versuchten sich sogar hochkarätige Automobilhersteller wie Porsche an dem derben Arbeitsgerät.

Die Blüte der Traktorenherstellung war jedoch bereits im Lauf der 1960er-Jahre vorüber. Die Zahl der zugelassenen Traktoren sank bis 1970 auf rund die Hälfte der Zahlen aus den 1950er-Jahren. Nur noch wenige Betriebe konnten und wollten die hohen Entwicklungskosten für die technisch immer anspruchsvolleren Schlepper tragen.

Viele deutsche Anbieter, darunter auch Porsche und MAN, zogen sich aus dem Traktorengeschäft zurück. Andere fusionierten oder konzentrieren sich auf Marktnischen, wie etwa die Firma Schlüter auf gigantische Großtraktoren. Zudem drängten immer mehr ausländische Anbieter auf den deutschen Markt.

Moderne Hightech-Traktoren

Seit 1990 haben sich die jährlichen Trecker-Zulassungen in Deutschland auf rund 30.000 eingependelt. Die Märkte sind gesättigt, nur in Entwicklungsländern sind noch erwähnenswerte Zuwächse zu verzeichnen.

Überleben konnten die Werke, die sich unter dem Dach eines Konzerns zusammenschlossen. Es sind wenige global kooperierende Konzerne übrig geblieben – wie etwa die Firma John Deere, die auch ein Werk in Mannheim betreibt.

Die modernen Trecker haben mit den alten Traktoren kaum noch etwas gemein. Früher gab es übersichtliche Konstruktionen mit vier bis fünf Vorwärtsgängen, einem Rückwärtsgang und durchschnittlich 20 bis 30 Pferdestärken (PS).

Traktor hebt einen großen Silage-Ballen an.

Hightech für die Feldarbeit

Die Hightech-Maschinen von heute haben 40 und mehr Vorwärtsgänge oder gar stufenlose Getriebe. Ihre Durchschnittsleistung liegt bei 100 PS; es gibt auch Maschinen mit 300 PS und mehr. Allradantrieb ist Standard.

Der Traktorfahrer selbst wird mit Komfort verwöhnt: Die einfache Sitzmulde aus Blech ist voll klimatisierten, geräuschisolierten und hydropneumatisch gefederten Kabinen gewichen – mit ergonomischen Komfortsitzen, gemütlich wie ein Wohnzimmersessel. Es gibt sogar Navigationssysteme, die ein Lenken unnötig machen.

Diese modernen Hightech-Maschinen dürfen erst mit 18 geführt werden, während man für einen Oldtimer-Traktor, der nicht schneller als 40 Kilometer pro Stunde fährt, auch heute noch mit 16 Jahren den Führerschein erwerben kann.

Markenbewusstsein auch bei Traktor-Besitzern

Von ehemals zahlreichen deutschen Herstellern sind nur noch wenige übrig geblieben, wie etwa die Firma Fendt. Oldtimer von Fendt sowie die Traktoren vieler ausgestorbener Marken sind zu Liebhaberstücken geworden: Allgaier, Deutz, Porsche, Eicher, Güldner und Hanomag.

Genau wie Automobilfans verschreiben sich auch Traktor-Liebhaber einer ganz bestimmten Marke. Die meisten Trecker-Vereine huldigen ebenso einer einzigen Marke.

Die Herstellervielfalt im Ausland ist ebenfalls sehr übersichtlich geworden. Auch hier hatten sich zu Zeiten des Traktorenbooms in den 1950er-Jahren edle Sportwagen-Hersteller an die Produktion der tuckernden Landmaschine gewagt, wie etwa Lamborghini in Italien.

Der Traktor als Kultobjekt

Traktoren wurden erfunden, um die Arbeit der Bauern auf dem Feld zu erleichtern. Doch auch Nicht-Bauern haben Gefallen an den Landmaschinen gefunden und sie zum Hobby auserkoren.

So gibt es zahlreiche Traktoren-Vereine, in denen sich Fans zusammentun. In zahlreichen Arbeitsstunden restaurieren sie alte Trecker, treffen sich zu Ausflugsfahrten, nehmen an Meisterschaften wie zum Beispiel Oldtimer-Rennen teil oder tauschen sich einfach nur über ihre Lieblinge aus.

Viele Traktor-Fans haben mehr als einen Oldtimer in ihrer Garage stehen. Die Liebe zu den tuckernden Gefährten führt bei einigen Fans so weit, dass sie sogar ihren Urlaub damit verbringen: Statt mit Auto, Bahn oder Flieger so schnell wie möglich an einen anderen Ort zu kommen, bevorzugen sie das gemächliche Reisen um die 30 Kilometer pro Stunde auf ihrem liebevoll restaurierten Gefährt.

Andere Liebhaber sind von den technischen Details der Schlepper gepackt: Für sie ist es das Größte, an alten Traktoren herumzuschrauben, oder sie bauen und sammeln Modelle jeglicher Art.

Wieder andere Fans sind von der visuellen Anmut der Gefährte fasziniert und haben sie als Motiv für ihre Malkünste auserkoren. Auch unter Kindern gibt es schon ausgewiesene Traktoren-Experten. Sie sammeln maßstabsgetreue Spielzeugtraktoren von allen führenden Marken.

Der Traktor ist also viel mehr als eine arbeitende Landmaschine – für Männer, Kinder und auch einige Frauen wie etwa die niederländische Schauspielerin Manon Ossevoort, die ihren Trecker-Traum Wirklichkeit werden ließ: Sie reiste mit dem Traktor von ihrer Heimat bis zum Südpol.

Im Dezember 2014 war es geschafft: Nach 2500 Kilometern quer durch die Antarktis erreichte Ossevoort zusammen mit ihrem Team den geografischen Südpol.

Eine Frau liegt in einer Hängematte, die an einem Traktor festgemacht ist.

Mit dem Traktor zum Südpol: Manon Ossevoort

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 28.01.2020)

Quelle: WDR

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