28.000 Experten beraten in 71 Ausschüssen
Als Erstes prüft das Deutsche Institut für Normung (DIN), ob der Antrag für eine Norm Sinn macht und ob es genügend Interessenten dafür gibt. Falls ja, wird ein Normungsausschuss gemäß DIN 820 einberufen. Das ist eine Norm für die Norm. Sie schreibt vor, dass diejenigen angehört werden, die ein neuer Standard betrifft. Dazu zählen Firmen, Behörden, Eich- und Prüfinstitute und auch die Verbraucherverbände.
Zurzeit gibt es 69 Ausschüsse und vier Kommissionen, die sich mit Themen von der Akustik über die Materialkunde bis hin zur Schifffahrtstechnik beschäftigen. Gibt der jeweilige Normenausschuss grünes Licht, wird ein Arbeitsausschuss einberufen. Dieser besteht aus maximal 21 Teilnehmern und berät in der Regel zwei bis drei Jahre.
DIN für DIN
Wenn sich die Experten auf einen Entwurf einigen, wird dieser in der Zeitschrift "DIN-Anzeiger" veröffentlicht. In den folgenden vier Monaten hat nun jeder die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Gutachter prüfen die Beschwerden.
Ist eine Kritik berechtigt, muss eine Norm gegebenenfalls überarbeitet werden. Das DIN darf kein "wesentliches Interesse" übergehen, etwa die technischen Vorgaben eines Prüfinstituts wie dem TÜV.
Nur wenn alle Mitglieder im jeweiligen Normungsausschuss zustimmen, wird das deutsche DIN-Norm-Siegel erteilt. Die neue Norm erhält eine Nummer, in der Regel fortlaufend vergeben. Für die internationalen ISO-Normen reicht – anders als in Deutschland – ein einfacher Mehrheitsbeschluss für das Inkrafttreten eines neuen Standards aus.
Die USA sind Norm-Weltmeister
In Deutschland gibt es relativ viele Normen. Nur in den USA gibt es mehr Standards als hier. Viele der US-Normen sollen den eigenen Markt vor der Konkurrenz aus dem Ausland schützen.
In Deutschland ist das anders: Die DIN-Normen helfen den Industrieunternehmen hierzulande, ihre Produkte auf dem Weltmarkt zu verkaufen, etwa nach Asien und Afrika. Deshalb engagiert sich das DIN auf europäischer und internationaler Ebene: "Bei der Normung verhält es sich ähnlich wie beim Skat: Wer schreibt, der bleibt", sagt der stellvertretende Direktor des DIN, Rüdiger Marquardt.
Das Deutsche Institut für Normung kontrolliert ein Drittel der Sekretariate des Europäischen Komitees für Normung (CEN) in Brüssel. Diese organisieren die europaweite Aus- und Überarbeitung von Industrienormen.
Auch auf internationaler Ebene ist das DIN federführend: Viele der Normungsausschüsse von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) in Genf werden von Deutschen geleitet.
ISO: die Vereinten Nationen der Ingenieure
Die europäischen und internationalen Normungsausschüsse arbeiten ähnlich wie jene des DIN. Die Experten setzen sich an einen runden Tisch, beraten und versuchen eine Konsensformulierung zu finden.
Bei den Sitzungen der ISO ist jede der mehr als 160 Nationen mit jeweils einer Stimme vertreten. Die Organisation wird deshalb auch gerne als die "UN der Ingenieure" bezeichnet. Wenn sich die Mitglieder auf eine Norm einigen, bedeutet das für die Wirtschaft, dass künftig Handelsbeschränkungen und teure Zölle aufgehoben werden können.
Das Deutsche Institut für Normung nimmt dann den neuen, grenzübergreifenden Standard in seinen DIN-Katalog auf. Der Übertrag einer europäischen Norm ist Pflicht, der einer internationalen hingegen freiwillig. Die Welthandelsorganisation (WTO) will aber die Übernahmeverpflichtung auch für ISO-Normen durchsetzen.
DIN gegen EU-Zentralisierung
Die Verwaltung der Normen ist bis dato Ländersache. Die nationalen Normungsbehörden entscheiden nach Rücksprache mit den Vertretern ihrer Wirtschaft, mit welcher Position das Land in die internationalen und europäischen Normungsverhandlungen geht. Es gibt jedoch einzelne Stimmen in Brüssel, die fordern, eine zentralistische Normungsbehörde mit Sitz in Brüssel aufzubauen.
Das DIN in Berlin hält davon nicht viel. Zum einen, weil es dann überflüssig würde, zum anderen aus pragmatischen Gründen: "Die Folge einer Zentralisierung wäre nur, dass man die kleinen und mittelständischen Unternehmen ausschließen würde. Ihnen fehlen sowohl das Geld als auch die Ressourcen, sich in Brüssel an den Normungsprozessen zu beteiligen", sagt Rüdiger Marquardt.
"In den großen Komitees sitzen dann etliche Leute aus jedem Land. Wir haben inzwischen in der EU 30 Länder, mit der Türkei 31. Pro Land kommen 30 Leute. Dann haben sie plötzlich ein Gremium mit 900 Leuten. Da brauchen sie gar nicht anfangen zu arbeiten, da werden sie nie fertig und bekommen nie einen Konsens."
Jeder Mitgliedsstaat hat seine eigenen Normen
(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 15.01.2019)
Quelle: WDR