Nahrungsmittel werden knapper
Während der Lebensmittelkrise 2007 bis 2008 stieg die Zahl der hungernden oder von Hunger bedrohten Menschen innerhalb kurzer Zeit von gut 850 Millionen auf etwa eine Milliarde. Auf der ganzen Welt waren die Lager für Nahrungsmittel leer.
So kam es in Mexiko, Kamerun oder Haiti innerhalb kürzester Zeit zu Aufruhr und Protesten. Doch was hat dazu geführt, dass Grundnahrungsmittel für viele unbezahlbar geworden sind? Wie kam es, dass die Kosten so plötzlich in die Höhe schnellten? Die Ursachen für das Problem sind vielfältig.
Butterberg und Milchsee sind längst passé
Vorbei ist die Ära der Nahrungsmittelüberschüsse: Butterberg und Milchsee aus Beständen der Europäischen Union (EU) sind längst abgebaut. Etwa seit dem Jahr 2000 steigt die weltweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln permanent an.
Die Folge ist, dass bei Missernten oder anderen Nahrungsmittelengpässen die Reserven, auf die man früher zurückgreifen konnte, leer sind.
Der "Butterberg" ist längst Vergangenheit
Mehr Menschen und gestiegener Lebensstandard
Das immense Bevölkerungswachstum hat dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Nahrung enorm gestiegen ist. Jedes Jahr kommen etwa 80 Millionen Menschen hinzu. Lebten im Jahr 2012 über sieben Milliarden Menschen auf der Erde, werden es 2030 laut Schätzung der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung schon 8,5 Milliarden Menschen sein.
Aber nicht nur weil die Zahl der Menschen steigt, auch weil sie sich anders ernähren, schnellen die Preise in die Höhe: In Schwellenländern wie Russland oder Indien steigt der Konsum von Milch und Fleisch. In China hat sich der Fleischkonsum zwischen 1988 und 1998 sogar verdoppelt.
Das Problem dabei: Der Fleischkonsum ist sehr ineffizient. Um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, braucht man siebenmal so viel Getreide als Futter für die Tiere. Mit diesem Getreide könnte man viel mehr Menschen satt machen als mit dem daraus produzierten Fleisch.
Anbauflächen werden knapper
Nicht nur durch die Produktion von Tierfutter werden die Anbauflächen für Nahrungsmittel knapper. Auch Unwetter, Klimawandel und zunehmende Industrialisierung sorgen dafür, dass dringend benötigte Ackerflächen zurückgehen.
Dazu kommt noch der Boom von Biosprit: Weil in den Industriestaaten das Umweltbewusstsein wächst, sollen immer mehr Fahrzeuge mit Biokraftstoff betrieben werden.
Auf mehr und mehr Flächen werden – oft hoch subventioniert – Raps oder Soja für den Biokraftstoff angebaut. In den USA wird bereits ein großer Teil der Maisernte für Biosprit verwendet.
Dieser Mais fehlt dann auf den Weltagrarmärkten und treibt den Preis auch in Ländern hoch, die den Biosprit gar nicht selbst verwenden, wie zum Beipsiel in Mexiko. Dort hat diese Entwicklung zur sogenannten "Tortilla-Krise" geführt. Der Preis für Mais war so gestiegen, dass sich viele Menschen ihre Hauptnahrung "Tortilla" nicht mehr leisten konnten.
Sprit vom Acker
Spekulation mit Nahrungsmitteln und hohe Energiepreise
Als die Preise für Weizen, Mais, Soja und Reis steil nach oben gingen, witterten Kapitalanleger ihre Chance und setzten auf satte Gewinne am Lebensmittelmarkt. Die Spekulation mit Nahrungsmitteln hat so die Situation kurzfristig massiv verschärft.
Dazu kommen noch die hohen Energiepreise. Da die Landwirtschaft, aber auch Transport und Lagerung viel Energie verbrauchen, gelten sie als zusätzliche Faktoren für die explodierten Nahrungsmittelpreise.
Fatale Agrarexportsubventionen
Die Landwirtschaft in den Industrieländern ist heute so produktiv wie nie zuvor. Konnte ein Bauer 1960 noch zehn Menschen ernähren, dann sind es heute bei gleichbleibender Fläche schon 140 Menschen.
Bei dieser Produktivität könnte man auf die Idee kommen, die hungernden Menschen in den Entwicklungsländern auch mit europäischen Produkten zu versorgen.
Tatsächlich werden Nahrungsmittel aus der EU nach Afrika transportiert. Diese Exporte werden durch EU-Gelder subventioniert. Doch was für europäische Bauern ein zusätzliches Einkommen bedeutet, hat für die Kleinbauern in den Entwicklungsländern fatale Folgen.
Denn die hoch subventionierten Produkte aus Europa wie beispielsweise Schweinefleisch machen den afrikanischen Bauern die Preise kaputt.
Das hat zur Folge, dass sich für viele in Afrika mit der Landwirtschaft kein Geld mehr verdienen lässt. Dabei wäre es wichtig dafür zu sorgen, dass die Menschen in Afrika wieder unabhängig werden und sich selbst versorgen können.
Subventioniertes EU-Schweinefleisch für Afrika
Mögliche Wege aus der Krise
Viele humanitäre Organisationen wie das Welternährungsprogramm oder "Brot für die Welt" fordern darum, die Agrarexportsubventionen abzuschaffen. Ralf Südhoff vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) ist der Meinung, dass vor allem die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern effektiv modernisiert werden müsste.
Wichtig wäre es, die dortigen Kleinbauern zu unterstützen. Und auch wir Verbraucher können einen Beitrag leisten: Zum Beispiel indem wir unseren Fleischkonsum und unseren Energieverbrauch drosseln.
Unterstützung für die Kleinbauern in den Entwicklungsländern
Quelle: SWR | Stand: 08.06.2020, 15:39 Uhr