Die deutsche Rüstungsindustrie auf dem Vormarsch
Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Alliierten den Deutschen die Rüstungsproduktion. Nie wieder sollte von deutschem Boden ein Krieg ausgehen. Doch das auf der Potsdamer Konferenz beschlossene Verbot währte nur kurz.
Die westlichen Staaten brauchten die Bundesrepublik im Kalten Krieg als wehrhaften Verbündeten. So kam es, dass das eigentlich entmilitarisierte Land bereits im Mai 1955 wieder eine eigene Armee bekam und der Nato beitrat.
Auch die deutsche Rüstungsproduktion und der Waffenexport wurden stillschweigend wieder erlaubt. Zwischenzeitlich besaß die Bundesrepublik sogar ein eigenes Rüstungsunternehmen: die Firma Fritz Werner, die sowohl Munition produzierte als auch Munitionsfabriken in anderen Ländern baute.
Deutscher Exportschlager Sturmgewehr G36
Der Aufstieg zu einem der größten Waffenlieferanten
Heute sind sämtliche deutschen Waffenfirmen in privater Hand, wobei manche Firmen großen Konzernen angehören, während andere im Familienbesitz sind. Gemeinsam ist allen, dass sie international gut im Geschäft sind.
Im Ranking der größten Waffenexportnationen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI belegt Deutschland seit 2004 kontinuierlich einen der vorderen Plätze. Auch im Zeitraum 2014 bis 2018 war das wieder so: Sechs Prozent der weltweit exportierten Waffen und Waffenbestandteile stammten aus deutscher Produktion. Nur die USA, Russland und Frankreich verkauften mehr Waffen.
Laut SIPRI setzten die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt im Jahr 2020 Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 531 Milliarden US-Dollar um. Darunter Waffenexporte von vier deutschen Rüstungsunternehmen im Wert von 8,9 Milliarden US-Dollar. Die Greenpeace-Webseite "waffenexporte.org" errechnete, dass die Rüstungsexportgenehmigungen 2021 in Deutschland auf den Rekordwert von 9,04 Milliarden Euro stiegen.
Gingen die Waffen früher überwiegend an Nato-Staaten und Länder, die als Nato-ähnlich eingestuft werden, wie beispielsweise Japan oder die Schweiz, sind inzwischen deutlich mehr Drittländer unter den Abnehmern deutscher Rüstungsgüter. 2020 gehörten zu den Top-10-Beziehern deutscher Waffen insgesamt sechs Drittländer: Ägypten, Israel, Katar, Singapur, Südkorea und Brasilien.
Laut einer EMNID-Umfrage lehnen 83 Prozent der Deutschen Waffenexporte ab
Die überwiegende Mehrheit der Deutschen – 83 Prozent laut einer Emnid-Umfrage von 2016 – lehnt die Waffenexporte allerdings ab.
Keine Regeln ohne Ausnahmen
Maßgeblich für die Entscheidungen der staatlichen Prüfstellen sind das Kriegswaffenkontrollgesetz, die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" und das Außenwirtschaftsgesetz – wobei letzteres bei Waffengeschäften keine große Hürde ist.
Aber auch die deutlich strenger formulierten "Politischen Grundsätze" und das Kriegswaffenkontrollgesetz verkommen immer mehr zu einer Bestimmung, an die man sich halten kann, aber nicht muss.
So werden beispielsweise in den "Politischen Grundsätzen" Waffenlieferungen an Staaten, die die Menschenrechte verletzen und den Terrorismus fördern, explizit ausgeschlossen. Trotzdem segnet der Bundessicherheitsrat auch solche Geschäfte immer wieder ab.
Sanktionsmöglichkeiten gibt es in solchen Fällen so gut wie keine. Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Er besteht aus dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin sowie den Chefs oder Chefinnen des Bundeskanzleramts sowie des Außenministeriums, Innenministeriums, Justizministeriums, Finanzministeriums, Wirtschaftsministeriums, Verteidigungsministeriums und des Entwicklungsministeriums.
Das Parlament hat kein Vetorecht bei Rüstungsexporten
(Erstveröffentlichung 2015. Letzte Aktualisierung 19.01.2022)
UNSERE QUELLEN
- Studie des Instituts für Friedensforschung SIPRI
- Bundesregierung: Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten
- Bundeszentrale für politische Bildung: Kurswechsel? Deutsche Rüstungsexporte zwischen Transparenz und parlamentarischer Kontrolle
- Deutscher Bundestag: Rüstungsexportentscheidungen unter Parlamentsvorbehal (pdf)
- Handelsblatt: Bundesregierung hat 2020 weniger Waffenexporte genehmigt als im Vorjahr
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2019
- Greenpeace: waffenexporte.org
- Deutsche Welle: Deutschland verkauft weiter Waffen an Kriegsallianz im Jemen
Quelle: SWR | Stand: 19.01.2022, 12:00 Uhr