Ein Steinturm am Strand.

Wohnen

Feng Shui

Feng Shui stammt aus China und ist die Lehre der Harmonisierung des Menschen mit seiner Umwelt. Auch in Europa hat Feng Shui inzwischen viele Anhänger, die mit einer bestimmten Gestaltung ihrer Wohnungen und Gärten ihr Lebensglück steigern wollen.

Von Malte Linde

Eine Welt voller Energie

Macht eine Münze unter der Haustür reich? Entstehen Krankheiten durch Bücherregale? Kann echtes Liebesglück nur genießen, wer keine Spiegel im Schlafzimmer hat?

Für viele Feng-Shui-Anhänger haben Wahl und Anordnung von Möbeln einen tief greifenden Einfluss auf unser tägliches Leben. Längst wandern auch in Europa ungezählte Feng-Shui-Berater mit Kompass und Grundriss in der Hand durch Wohnungen und Gärten, um das Lebensglück der Bewohner zu steigern.

Die Anfänge des Feng Shui, das oft auch "FANG-schwei" ausgesprochen wird, liegen im Dunkeln. Bereits vor Tausenden von Jahren sollen die legendären chinesischen Kaiser Prinzipien des Feng Shui gekannt haben.

Die alte chinesische Wissenschaft basiert auf der Annahme, dass kosmische Energien unser Leben bestimmen und die Ströme dieser Energien gelenkt werden können. Die gesamte Erde, ja das gesamte Universum ist demnach von Energielinien durchzogen.

Diese Energie, das so genannte "Chi", fließt auch durch den menschlichen Körper. Sie kann beispielsweise durch Akupunktur beeinflusst werden. Im Feng Shui geht es darum, den Chi-Fluss innerhalb von Wohnungen, Gärten oder Landschaften zu erkennen und zu verändern.

Wind und Wasser als Geheimwissenschaft

Feng Shui bedeutet wörtlich "Wind und Wasser". Der Begriff bezieht sich auf die Elemente und ihre harmonische Anordnung. Für chinesische Landschaftsarchitekten spielte das mythische Wissen um die Bedeutung von Bergen und Tälern, von Wasser und Wind seit jeher eine viel größere Rolle als in Europa. Sie übertrugen ihr Erfahrungswissen über subtile Energien auf die Wahl von Siedlungsorten, die Anlage von Gärten, den Bau von Palästen und die Errichtung von Grabmalen.

Das Feng Shui wurde lange Zeit als eine Geheimwissenschaft nur von den chinesischen Kaisern und ihrem Hofstaat betrieben. Die Kaiser wollten mit Feng Shui ihre Macht sichern und die eigene Gesundheit verbessern.

In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten wurde Feng Shui auch beim breiten Volk populär. Bauern begannen ihre Felder nach diesem System auszurichten, Kaufleute bestimmten mittels Feng-Shui-Techniken Handelsrouten oder Termine und Orte für geschäftliche Verabredungen.

Der Feng-Shui-Berater wurde zu einem angesehenen Beruf. Fast 2000 Jahre lang war das Feng Shui eine alltägliche Praxis im Reich der Mitte.

Eine Hand bewegt einen durchsichtigen chinesischen Kompass

Chinesischer Kompass: Werkzeug von Feng-Shui-Meistern

Feng-Shui-Hochburg Hongkong

Unter Mao Zedong wurde Feng Shui in China verboten. Feng-Shui-Anhänger behaupten allerdings, der "Große Führer" habe die Feng-Shui-Techniken für sich selbst sehr wohl genutzt, um von ihnen zu profitieren. Mit dem generellen Verbot nach der Kulturrevolution wanderten die meisten professionellen Feng-Shui-Meister nach Taiwan und vor allem nach Hongkong aus.

Heute ist Hongkong das Zentrum des modernen Feng Shui. In der Metropole wird kaum ein Haus oder eine Straße gebaut, ohne dass Feng-Shui-Berater hinzugezogen werden. Selbst Banken und Versicherungsgebäude entstehen nach den Regeln des Feng Shui. Sogar die Schreibtische in modernen Großraumbüros werden so gestellt, dass die Mitarbeiter möglichst positiv durch die Chi-Energie unterstützt werden.

Eines der berühmtesten Feng-Shui-Gebäude der Stadt ist ein Hochhaus mit einer großen rechteckigen Öffnung in der Mitte. Die Öffnung soll der Drachen-Energie des Berges freien Zugang zur Stadt erlauben.

In Europa wurde Feng Shui erst in den vergangenen Jahren populär, zunächst nur als stilistisches Hilfsmittel für die Einrichtung von Wohnungen. Inzwischen bieten Feng-Shui-Experten häufig eine umfassende Beratung, in der alle Lebensbereiche eine Rolle spielen.

Astrologie und Himmelsrichtungen bestimmen das Glück

Im Laufe der Zeit verfeinerte sich das Feng Shui zu einem hochkomplexen System: Astrologische Daten, Himmelsrichtungen oder Zahlenmystik spielen bei der Berechnung günstiger Orte und Zeitpunkte eine Rolle.

Das Geburtsjahr des Bewohners bestimmt verschiedene Faktoren, wie etwa die Zuordnung von Elementen, zu denen Wasser, Erde oder Metall zählen. Topografische Bedingungen wie Wasserläufe, Berge oder Straßen müssen laut Feng-Shui-Tradition ebenfalls berücksichtigt werden.

Basis für das Feng Shui ist der Grundriss einer Wohnung oder eines Gartens. Dieser Grundriss wird im Prinzip auf ein neunteiliges Quadrat übertragen. Jeder Sektor in diesem Quadrat steht für eine Himmelsrichtung und verschiedene Aspekte des Lebens: Während die Gestaltung des Südostens etwa Einfluss auf das Vermögen der Bewohner nimmt, wird im westlichen Bereich das Glück der eigenen Kinder gestaltet.

Nach den Feng-Shui-Regeln kann so genau bestimmt werden, wie eine Wohnung eingerichtet werden sollte. Will der Bewohner erfolgreich sein, muss der Arbeitsplatz in die entsprechende Richtung gedreht werden. Gut schlafen kann nur, wer das Bett in seine eigene Himmelsrichtung ausrichtet, die durch astrologische Daten ermittelt wurde.

Zeichnung: Zwei Feng Shui Meister

Feng-Shui-Meister bei der Arbeit

Aberglaube und Gartenkunst

Damit das Chi in jedem dieser Bereiche ungehindert fließen kann, müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein: So können die einzelnen Elemente – Holz, Metall, Wasser oder Feuer – die angestrebte Harmonie verbessern oder zerstören. Auch dabei spielt das Geburtsdatum des Bewohners eine Rolle.

Fehlende oder überschüssige Ecken im Grundriss müssen durch Einrichtungselemente ausgeglichen werden. Möglich ist dies zum Beispiel durch eine spezielle Beleuchtung. Mit Hilfe von Paravents oder Pflanzen können scharfe Kanten geschwächt werden, die laut Feng Shui eine nachteilige Wirkung auf die Bewohner haben, weil sie den Verlauf des Chi ungünstig beeinflussen.

Welche Wirkung die Anwendung der Feng-Shui-Techniken tatsächlich hat, ist umstritten. Während Feng-Shui-Anhänger der Meinung sind, dass etwa die Anordnung von Möbeln unseren Alltag tatsächlich zutiefst beeinflussen kann, halten Kritiker die Feng-Shui-Praxis für reinen Aberglauben.

Unbestritten ist allerdings die formgebende Konsequenz der Feng-Shui-Tradition, vor allem in der Gartengestaltung: Chinesische und heute auch vielfach japanische Gartenarchitekten haben auf der Basis des Feng Shui eine Fülle von ästhetischen Gesetzmäßigkeiten und einen Stil entwickelt, der auch in Europa längst großen Anklang gefunden hat.

Traditionelles Chinesisches Haus

Die Feng-Shui-Tradition prägt den chinesischen Gartenbau-Stil

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 12.05.2020)

Quelle: WDR

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