Blick auf das Teehaus im Chinesischen Garten

Feng Shui

Chinesischer Garten in Berlin

Sanft geschwungene Steinplatten führen den Besucher in das Innere des Chinesischen Gartens in Berlin. Auf einem künstlichen Hügel erhebt sich ein rot lackierter Pavillon.

Von Malte Linde

Städtepartnerschaft Peking – Berlin

Wer diesen Blick genießen will, muss erst mal an den Löwen vorbeikommen. Grimmig dreinblickende Tiere aus weißem Stein. Wer Böses im Schilde führt, der sollte möglichst schnell von hier verschwinden. Die Löwen stehen weit vor dem Eingang des Chinesischen Gartens in Berlin. Sie dienen dem Schutz der Anlage, der größten dieser Art in Europa.

Errichtet wurde der Chinesische Garten im Jahr 2000 in Marzahn. Der Stadtteil gilt als einer der weniger schönen in Berlin. Der Garten steht dagegen für Schönheit und innere Harmonie. Mitten auf dem Gelände der Bundesgartenschau wurde der Chinesische Garten angelegt, als Zeichen der Städtepartnerschaft von Berlin und Peking.

Schon der Name hat Symbolkraft: "Garten des wiedergewonnenen Mondes" heißt die Anlage. Der schöne Name bezieht sich auf die Wiedervereinigung, auf das Zusammenwachsen der Stadt Berlin. Die Löwen am Westeingang bewachen ein Terrain von etwa zweieinhalb Hektar. Das Gelände ist leicht geschwungen, kleine, künstlich aufgeworfene Hügel wechseln mit Miniaturtälern.

Wasser ist Leben

Entworfen und gebaut wurde der Chinesische Garten von Spezialisten aus Peking. Das dort ansässige "Institut für klassische Gartengestaltung" gestaltete die Anlage im Sinne der langen chinesischen Gartenbautradition. Und Feng Shui spielt in dieser Tradition eine gewichtige Rolle.

Der Garten allerdings ist kein magischer Raum: Hier gibt es keine Bereiche, die Glückseligkeit verheißen, und keine Nischen für beruflichen Erfolg. Feng Shui bestimmt im "Garten des wiedergewonnen Mondes" vor allem den ästhetischen Eindruck: Die Anlage liegt vor einem kleineren Berg, der behutsam seine Ausläufer um das Zentrum des Gartens schmiegt.

Der Besucher schreitet im Schutz dieser Erhebung durch die rot lackierte Eingangshalle, hinter der ein Wasserfall plätschert. Das Wasser symbolisiert das Leben. Auf die Felsen, über die das Wasser schießt, ist eine Inschrift in blauen Schriftzeichen gemalt:

Der Berg ist groß,
der Mond ist klein.
Das Wasser fällt,
die Steine ragen hervor.

Künstlicher Wasserfall. Auf den Steinen, über die das Wasser fließt, steht ein Gedicht in blauen chinesischen Schriftzeichen.

Ein Gedicht im Wasserfall

Dampfbrot im Teehaus

Gemäß den Feng-Shui-Regeln fließt das Wasser in Richtung des Zentralgebäudes. Im Berliner Garten ist dies ein Teehaus. Das betreibt Yali Yu, die beim Bau des Gartens als Übersetzerin half – und gelernte Landschaftsgärtnerin ist. Frau Yu serviert in ihrem Pavillon exquisiten chinesischen Tee und köstliches Dampfbrot mit Hackfleischfüllung.

"Feng Shui bedeutet für uns letztlich ein intuitives Gefühl für Schönheit und Harmonie", betont sie. "Erst der Westen hat daraus einen Aberglauben gemacht".

Das Feng Shui im Chinesischen Garten ist eher symbolischer Natur. Sieben Elemente sollen in einem harmonischen Verhältnis arrangiert werden. Erde, Himmel, Wasser, Steine – und auch Gebäude, Lebewesen und Pflanzen werden Teil einer Komposition.

Von ihrem Teehaus überblickt Frau Yu den 4500 Quadratmeter großen See der Anlage. Hier tummeln sich zahlreiche Goldfische, mächtige Frösche räkeln sich auf den Blättern der Seerosen in der Sonne. Der Frosch ist eines der traditionellen Feng-Shui-Symbole. "Hier in diesen Garten haben die sich irgendwie eingeschlichen", wundert sich Frau Yu, "aber auch die Frösche sind ja ein Zeichen des Lebens". Willkommen sind die Tiere allemal.

Blick in den Chinesischen Garten: Im Vordergrund unregelmäßige Steinplatten, im Hintergrund ein rot lackierter Pavillon.

Blick in den chinesischen Garten

Das einfache Leben und Unsterblichkeit

Festgezurrt auf dem See schaukelt ein kleines Boot in der milden Nachmittagsbrise. Auch das Boot ist ein Symbol. Es steht für die Suche nach dem einfachen Leben. "Eine romantische Sehnsucht der chinesischen Beamten", erklärt Frau Yu. Das Leben des Fischers, der allein mit der Natur auf dem Boot seiner Arbeit nachging, ist ein traditionelles chinesisches Motiv.

Auch künstliche Inseln gehören in jede chinesische Teichanlage. Sie stehen für die "Insel der Unsterblichen". Der Sage nach schickte einst der Kaiser alle seine Männer auf die Suche nach dieser Insel, auf der die Unsterblichen leben sollten. Unverrichteter Dinge kamen die Kundschafter wieder. Sie hatten nur in Erfahrung gebracht, dass die Unsterblichen auf Drachen durch die Lüfte flogen.

Deswegen ließ der Kaiser künstliche Inseln anlegen, in der Hoffnung, die Unsterblichen und ihre Drachen zu täuschen. Aber wahrscheinlich ist nie einer der chinesischen Drachen auf einer Teichinsel gelandet.

Im Berliner Garten ist die Insel nur durch ein kleines Bootshaus symbolisiert. Und dieses Haus steht auch für durchaus weltliche Freuden: Im größeren Maßstab diente es in den Gärten der reichen Beamten als idyllisches Liebesnest. Liebende zieht auch der "Garten des wiedergewonnen Mondes" an: Einer der Pavillons wird gerne von Hochzeitspaaren gebucht.

Ob die Zeremonie im Chinesischen Garten wirklich Glück bringt, ist allerdings nicht erwiesen. Obwohl die Steinlöwen am Westtor hoffentlich dafür sorgen, dass keinem der Paare hier ein Unglück zustoßen wird.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 12.05.2020)

Quelle: WDR

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