Der Eingang einer Tempelanlage wird von riesigen, sitzenden Skulpturen gesäumt, die zweite von links ist zerstört

Staudämme

Abu Simbel

In einer spektakulären Aktion wurde in den 1960ern der Tempel von Abu Simbel abgebaut und um 180 Meter landeinwärts versetzt – damit er nicht in den Fluten des neuen Assuan-Stausees versank.

Von Katharina Beckmann

Das Wasser rückt näher

Seit 1960 liefen die Bauarbeiten am Assuan-Staudamm. Wenig später stieg das Wasser und drohte die ewigen Tempel für immer zu überfluten, die vor mehr als 3200 Jahren gebaut worden waren. Die meisten Rettungspläne, die der UNESCO vorgestellt worden waren, schienen nicht praktikabel oder viel zu teuer.

Erst 1963 erarbeitete ein schwedisches Ingenieurbüro realistische Umzugspläne: Die Tempel sollten in Blöcke zerlegt und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden – 180 Meter entfernt von ihrem ursprünglichen Standort. Ein technisch und organisatorisch anspruchsvolles Projekt.

Die größte Herausforderung für die sechs beteiligten Firmen aber war die Zeit. Nur noch wenige Meter war das Wasser von Abu Simbel entfernt.

Rettung des Pharaonentempels von Abu Simbel (ab dem 17.11.1963)

WDR Zeitzeichen 17.11.2023 14:44 Min. Verfügbar bis 17.11.2099 WDR 5


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Im Frühjahr 1964 begannen unterhalb der riesigen Sitzstatuen die Bauarbeiten. 4000 Techniker und Arbeiter wurden eingeflogen, Lebensmittel und Medikamente, Bagger, Kräne, Planierraupen wurden über tausende von Kilometern herangefahren.

Damit denen schütteten die Arbeiter zunächst einen 360 Meter langen provisorischen Damm auf, um die Tempel zu schützen. Pausenlos arbeiteten die Motorenpumpen, um das durchsickernde Wasser zu bewältigen.

Rund um die Tempel trugen die Arbeiter mehrere hunderttausend Tonnen Gestein ab. Die Tempelräume wurden mit Stahlstelen verstärkt, die die Erschütterungen abfangen sollten.

Den porösen Sandstein, aus dem der sitzende Pharao, seine Mutter, seine Frau und einige seiner Kinder gehauen sind, hatten die Ingenieure durch Kunstharz-Injektionen verfestigt. Die Fassaden der Tempel wurden mit Wüstensand zugeschüttet, um sie vor dem herabstürzenden Gestein zu schützen.

Schwarzweiß-Foto: Arbeiten am Tempel von Abu Simbel

Die einzelnen Blöcke wurden mit Kränen abgetragen

Dann begann der Hauptteil der Umzugsarbeiten: Der Tempel wurde in Quader zerlegt, alle um die 30 Tonnen schwer. Bizarre Szenen spielten sich in diesen Wochen ab. Im Oktober 1965 etwa, als Ramses II. zunächst sein Gesicht und später seine Beine verlor. Ein Riesenkran hob das Antlitz des Pharaos aus dem Fels.

Das Projekt entwickelte sich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Fluten. Im November schien dieses Rennen verloren: Der Nil war bis auf zwei Meter an die Krone des Provisoriums herangekommen. Noch einmal erhöhten die Arbeiter den Damm.

Am 4. Januar 1966 setzten die Bauingenieure den ersten Stein des Tempels an seinen neuen Platz. Rundherum wurden wieder große Steine angebracht. Die Menschen im alten Ägypten hatten Abu Simbel direkt in den Fels gearbeitet. Das machte die Faszination dieses Kulturdenkmals aus. Sie sollte wieder hergestellt werden.

Blöcke des Tempels von Abu Simbel

Die Blöcke warten auf ihren Weitertransport

Nach einem Jahr Millimeterarbeit waren die Tempel fort, aus dem Niltal gerissen. Die Lücken, die der wohl spektakulärste Umzug der Menschheitsgeschichte hinterlassen hatte, glichen Spuren von Riesen, die durch das Tal gewandert waren.

Wenige Wochen später überflutete das Wasser des Assuan-Stausees das Areal und verwischte damit die letzten Spuren der Tempel von Abu Simbel – den Pharao Ramses einmal als "Haus der Ewigkeit" hatte bauen lassen.

Ein neues Denkmal

Abu Simbel ist heute gerettet, aber dennoch ein anderes Denkmal geworden als früher. Es wirkt, als habe es auf der Wanderung zum neuen Standort etwas verloren.

Die Architekten bewundern Abu Simbel seit der Umzugsaktion aber noch mehr als vorher. "Niemand weiß, wie viele Menschen einst wie lange schuften mussten, um die Monumente aus dem Fels zu hauen", hat Sergio Frascarelli, einer der beteiligten Ingenieure, später gesagt.

"Aber wir wissen, dass 4000 Menschen ein Jahr lang arbeiten mussten, um sie aus dem Fels zu befreien. Diese 4000 Jahre menschlicher Arbeitszeit haben die Tempel nicht nur vor der Vernichtung bewahrt, sondern auch wertvoller gemacht. Abu Simbel war ein Wunder des Altertums. Jetzt ist es auch ein modernes Weltwunder."

Blick auf den Assuan-Staudamm

Wassermassen im Tal der Pharaonen

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 02.06.2020)

Quelle: WDR

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