Vom Polterabend in den Reisregen
Der Polterabend ist einer der ältesten Bräuche. Seine Ursprünge reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück. Durch das Zerschlagen von Steingut und Porzellan sollen böse Geister vertrieben werden. Ein typischer Übergangsritus, der das Brautpaar von einem Lebensstadium in das nächste begleiten soll.
Zu beachten ist beim Poltern, dass kein Glas zerschlagen werden darf, denn das bringt Unglück. Die Scherben müssen vom Brautpaar gemeinsam zusammengekehrt werden. Ein symbolträchtiger Akt, der als Harmonieprobe gilt. Der Polterabend findet traditionell am Abend vor der Hochzeit statt.
Ein Junggesellenabschied ist eine gesellige, heitere und feucht-fröhliche Zusammenkunft, die Braut und Bräutigam getrennt voneinander mit ihren jeweiligen Freunden feiern. Braut und Bräutigam begehen den Junggesellenabschied im Vorfeld der eigentlichen Hochzeitsfeier und auch noch vor dem Polterabend. Neben reichlich Alkohol, der dabei fließt, müssen Braut und Bräutigam amüsante Aufgaben bestehen und derbe Späße über sich ergehen lassen. Oft kostümieren sich solche Gruppen auch lustig.
Hat das Paar Junggesellen- und Polterabend heil überstanden und ist die Trauung vollzogen, dann stehen Bekannte und Verwandte vor der Kirche oder dem Standesamt Spalier und empfangen das Brautpaar mit einem Reisregen. Dieser Brauch stammt aus Asien. Dort ist Reis nicht nur das Nahrungsmittel Nummer Eins, sondern steht auch für Glück und Fruchtbarkeit.
Liebe kennt keine Grenzen - das war nicht so in den 70er Jahren in Deutschland
Beim Verlassen von Kirche oder Standesamt müssen Braut und Bräutigam oft ein symbolisches Tor durchschreiten. Mal sind es Blumenkränze, mal aber auch, in Anspielung auf Beruf oder Hobby der Brautleute, Feuerwehrschläuche, Kehrbesen, Eishockeyschläger oder Reiterkappen, die die Hochzeitsgäste von beiden Seiten über die Frischvermählten halten. Auch hier steht wieder der Übergangsritus im Hintergrund, das Tor als Symbol für den Übergang von einem Lebensstadium ins nächste.
Bechern und sägen
Hochzeitsbecher sind seit der Renaissance bekannt. Einer Legende nach erfand dieses eigentümliche Trinkgefäß ein junger Goldschmied, dessen zukünftiger Schwiegervater die Heirat seiner Tochter unbedingt verhindern wollte. Er stellte die Bedingung, und damit den jungen Mann vor die schier unlösbare Aufgabe, einen Becher herzustellen, aus der Braut und Bräutigam gleichzeitig trinken könnten.
Der verliebte Schmied fertigte mit viel Phantasie ein Gestänge, an dessen beiden Seiten jeweils ein beweglicher Becher befestigt war. Auf diese Weise konnten Braut und Bräutigam in der Tat gleichzeitig trinken. Ein schwieriges Unterfangen ist es aber allemal, bei dem die Heiratswilligen den Inhalt oft verschütten.
Aus diesem Grund gilt das gemeinsame und gleichzeitige Trinken aus dem Hochzeitsbecher seitdem auch als Harmonieprobe für das Brautpaar. Seit einiger Zeit erfreut sich dieser alte Brauch wieder großer Beliebtheit und Hochzeitsbecher sind wieder auf dem Markt.
Holzstammsägen ist ebenfalls ein Test, bei dem das frischvermählte Brautpaar sein Harmonieverständnis prüfen kann. Mittels einer großen Baumsäge, die von der einen Seite gezogen, von der anderen geschoben wird, müssen die Brautleute versuchen, möglichst schnell und möglichst synchron einen dicken Stamm zu zersägen. Wie gut oder wie schlecht diese Zusammenarbeit klappt, soll Hinweis geben auf die Fähigkeit des Brautpaares, mit Konflikten und Problemen umzugehen.
Sägen als Harmonieprobe
Mit vollem Brautschuh in die Ehe
Über die Schwelle tragen muss der Bräutigam die Braut, um sie damit symbolhaft von einer Lebensphase in die andere hineinzuführen. Auch hier steht natürlich der Übergangsritus Pate. Ein Grund war aber auch die Angst vor bösen Geistern, die Menschen in den Ritzen und Schwellen der Häuser vermuteten. Unbeschadet von diesen gefährlichen Dämonen sollten die Frischvermählten ihr neues Leben in einem neuen Haus oder in einer neuen Wohnung beginnen können.
"Something old, something new, something borrowed, something blue and a silver sixpence in your shoe": All das soll die Braut am Hochzeitstag tragen, damit in der Ehe alles gut geht – so sagt ein altes englisches Sprichwort aus der viktorianischen Zeit. Mit alt ("old") ist meist ein schönes Schmuckstück aus Familienbesitz gemeint. Es stellt den Bezug zur Tradition, zur Vergangenheit und zum alten Leben der Braut her.
Neu ("new") sollte das Brautkleid sein. Das steht für ein glückliches und erfolgreiches Leben. Trägt sie etwas Geliehenes ("borrowed"), am besten von einer anderen Braut, die schon verheiratet ist, dann geht mit diesem Gegenstand deren Glück auch auf sie über. Die Farbe Blau ("blue") steht für Reinheit und Treue. Meistens trägt die Braut unter ihrem Kleid versteckt ein blaues Strumpfband. Und das silberne Sixpencestück ("silver sixpence") im Schuh symbolisiert natürlich späteren finanziellen Wohlstand.
Ihre Brautschuhe soll die Braut mit vorher gesparten Kupfermünzen bezahlen, früher Pfennige, heute 1-, 2- oder 5-Cent-Stücke. Dieser Brauch soll die Sparsamkeit symbolisieren. Der Ritus stammt aus den Tagen, in denen die Frauen noch ausschließlich damit beschäftigt waren, den Haushalt zu führen und dementsprechend auch die Haushaltskasse möglichst sparsam zu verwalten.
Bei der Hochzeitsfeier wird einer der Brautschuhe symbolisch unter den anwesenden Gästen versteigert. Die Bietenden legen ihre Gebote gleich bar in den Schuh, der reihum geht. Zum Schluss erhält die Braut den Schuh samt Geld zurück.
Die Braut wird über die Schwelle gehoben
Das Recht der ersten Nacht
Einen Brautstrauß sollte die Braut unbedingt haben. Er schmückt sie nicht nur, sondern steckt auch voller Symbole. Traditionell ist es die Aufgabe des Bräutigams, den Strauß zu besorgen, den er vor der Kirche oder vor dem Standesamt seiner Zukünftigen überreicht.
Nach der Trauung versammeln sich alle unverheirateten Frauen vor der Braut – inzwischen kommen manchmal auch Männer dazu. Die Braut kehrt der Menge den Rücken zu und wirft den Strauß über ihre Schulter nach hinten. Wer ihn fängt, heiratet als Nächste(r).
Die Blumen selbst sprechen eine eindeutige Sprache. Weiße Rosen oder Lilien sollen die Jungfräulichkeit der Braut symbolisieren. Hochzeitssträuße aus frischen und wohlriechenden Blumen kennt man seit der Renaissance. Sie sollten die üblen Körpergerüche der Hochzeitsgesellschaft übertünchen. Neben bunten Blüten sieht man auch oft Myrtenzweige. Sie sind ebenfalls ein Zeichen für die Unschuld der Braut.
Schon in der Antike wurde Myrte als Hochzeitsgebinde verwendet. Es ist die Blume der Götter und steht für Frieden, Ruhe, Glück und Fruchtbarkeit. Die Griechen hatten sie ihrer Göttin Aphrodite, die Römer ihrer Göttin Demeter geweiht. Bräute tragen seitdem oft einen Myrtenkranz auf dem Kopf. Die Herren tragen einen Myrtenzweig am Revers der Jacke.
Wer ihn fängt, heiratet als Nächste
Bei der Brautentführung wird die Frischvermählte von Freunden und Bekannten durch sämtliche Kneipen der näheren und weiteren Umgebung geführt. Der Bräutigam, auf der Suche nach seiner Braut, nimmt die Verfolgung auf und muss dabei in jeder Gaststätte die Zeche der Truppe übernehmen, die natürlich schon über alle Berge und in der nächsten Lokalität ist. Je schneller der Bräutigam die Braut findet, desto billiger kommt er davon.
Dieser heitere Brauch hat möglicherweise einen nicht so heiteren Ursprung. Im Mittelalter, so eine (allerdings umstrittene) Theorie, durften die Lehnsherren gegenüber ihren Leibeigenen das "Jus primae noctis", das Recht der ersten Nacht, ausüben. Heiratete eine ihrer Untergebenen, so stand ihnen, vor dem Bräutigam, die erste Nacht mit der Braut zu.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 17.04.2019)
Quelle: WDR