Die weibliche Seite des Göttlichen
Die Marienverehrung begann sehr früh. Schon in den ersten Jahrhunderten nach Jesus' Tod wurde Maria im griechischen Kulturkreis als weibliche Gottheit verehrt.
Zu den ältesten und wertvollsten Marienbildnissen gehören die so genannten schwarzen Madonnen. Obwohl sie heute der wichtigste Kultgegenstand im bayerischen Altötting oder im polnischen Tschenstochau sind, reicht der Ursprung der schwarzen Madonnen zurück in die Hochkulturen von Ägypten und Mesopotamien.
Dort standen vielfach schwarze Fruchtbarkeitsgöttinnen im Zentrum des Glaubens, was der Isis-Kult verdeutlicht. In allen Religionen, in denen weibliche Gottheiten verehrt werden, steht die mitfühlende Seite des Göttlichen im Vordergrund. Auch bei der Marienverehrung geht es letztendlich um das Weibliche in der Gottheit, um Attribute wie Fürsorge, Solidarität und Verständnis.
Gemälde "Christus im Haus seiner Eltern"
Die Mutter von Gott
Seit dem Jahr 431 nach Christus hat Maria eine besondere Stellung im Christentum. Damals fand in der Stadt Ephesus ein so genanntes Konzil statt – also eine Versammlung der christlichen Kirche, bei der religiöse Fragen besprochen werden. Seit diesem Konzil wird Maria als die Mutter Gottes verehrt. Denn Maria war nicht mehr nur die Christusgebärerin, sondern die Gottesgebärerin.
Die Verehrung Marias war und ist grenzenlos. Noch heute gibt es in der katholischen Kirche mehr als 30 Mariengedenk- und Feiertage. Und der Monat Mai ist vollständig der Gottesmutter Maria gewidmet.
'Maria mit dem Kind' von Carlo Maratta
In allen Lebenslagen wandten und wenden sich die Menschen noch heute an Maria, sei es während Naturkatastrophen, bei Krankheiten oder in anderen schwierigen Lebenslagen.
Zeichen der Dankbarkeit und des Glaubens sind die oft selbstgemalten Votivtafeln, die an den Wänden vieler Wallfahrtskirchen hängen. "Dank sei Dir Maria", steht auf den Votivtafeln. Maria hat demnach auf die Bitten der Gläubigen gehört und ihnen geholfen.
Zwischen Glaube und Aberglaube
Den Höhepunkt der Marienverehrung markiert die Barock-Frömmigkeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Maria ist die Superheilige, man erwartet von ihr Wunder und jede erdenkliche Hilfe. Rosenkranzgebete sind der Inbegriff der Marienverehrung. Ein sieben Mal geweihter Rosenkranz sei in der Lage, Kranke zu heilen und jedes erdenkliche Unheil abzuhalten, so die Vorstellung.
Gott geriet über die Marienverehrung immer mehr ins Abseits. Der Reformator Martin Luther prangerte den ausufernden Marienkult an: Dieser enthalte zu viel Aberglaube und verdunkle den Christusglauben. Obwohl Luther ein großer Marienverehrer war, wurde der Marienkult innerhalb der protestantischen Kirche verdrängt.
Rosenkranzgebete sind der Inbegriff der Marienverehrung
(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 17.12.2019)
Quelle: SWR