Maria
Mariendogmen und Frauenbild
Im Laufe der Jahrhunderte hat die katholische Kirche die Rolle und Bedeutung Marias immer weiter nach ihren Vorstellungen definiert. Die Folge: Das Marienbild der Kirche hat auch das Bild der Frauen in der westlichen Gesellschaft nachhaltig beeinflusst.
Von Sabine Kaufmann
Jungfrauengeburt
Die katholische Kirche hat bestimmte Glaubenssätze festgelegt, die sie als als unbestreitbare Wahrheiten ansieht – die so genannten Dogmen (Einzahl: Dogma). Eines der wichtigsten Dogmen über Maria, das die katholische Kirche verkündete, ist das der Jungfrauengeburt: Angeblich war Maria vor, während und nach der Geburt von ihrem Sohn Jesus eine Jungfrau ("semper virgine").
Das Dogma der katholischen Kirche besagt, dass kein Mann der Vater des Jesukindes war, sondern der Heilige Geist.
In den Anfängen des Glaubens ging es dabei um den Gedanken der Geistzeugung. Die Geburt Christi, das Fest von Weihnachten, besagt letztendlich, dass für Gott nichts unmöglich ist. Erst später wurde die Geistzeugung zur Jungfrauengeburt stilisiert. Denn wenn Jesus durch den Heiligen Geist gezeugt wurde, muss Maria entsprechend eine Jungfrau gewesen sein, so die Meinung der katholischen Kirche.
Weitere Dogmen
Ein weiteres Mariendogma ist das der "unbefleckten Empfängnis", das von Papst Pius IX. 1854 verkündet wurde. Es besagt, dass Maria selbst schon rein und unbefleckt empfangen wurde. Sie ist von der Erbsünde befreit ist, weil sie die Mutter Gottes werden sollte. Maria ist demnach selbst die unbefleckte Empfängnis, "die Immaculata".
Papst Pius IX. erklärte Maria für rein und unbefleckt empfangen
Das Dogma der unbefleckten Empfängnis erhielt durch die Marienerscheinung von Lourdes weiteren Aufwind. 1858 erschien dem Bauernmädchen Bernadette Soubirous mehrfach eine weiß gekleidete Frau. Die von Bernadette beschriebene "schöne weiße Dame“ offenbarte sich ihr als "die unbefleckte Empfängnis".
Das dritte Mariendogma ist das der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, das mit dem Fest "Maria Himmelfahrt" jedes Jahr am 15. August gefeiert wird. 1950 verkündete Papst Pius XII. das Dogma, dass Maria, die Zeit ihres Lebens ohne Sünde gelebt hat, folglich direkt vom Sterbebett mit ihrem ganzen Körper in den Himmel aufgenommen wurde.
Marienbilder – Frauenbilder
Die Mariendogmen blieben für die Stellung der Frau innerhalb der Kirche nicht folgenlos. Ausgehend von der "Jungfrauengeburt" und dem Dogma der "unbefleckten Empfängnis" wurde Maria mit den Attributen Keuschheit, Demut und Frömmigkeit umschrieben.
Da Maria angeblich die ideale Frau verkörperte, wurde sie zum Vorbild. Entsprechend hatte sich jede Frau an Marias Eigenschaften, Keuschheit, Gehorsam und Demut zu orientieren.
Ausgehend von diesen Attributen leitete die katholische Kirche wiederum ab, dass Frauen nicht eigenständig, nicht kritisch und nicht selbstbestimmt zu sein haben. Mit diesem Rollenbild begründet die katholische Kirche bis heute, Frauen von allen kirchlichen Ämtern auszuschließen und weist der Frau allzu gerne eine dienende Rolle zu.
(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 15.12.2019)
Quelle: SWR