Braune Hügel mit einer weißen Kruste, die an eine Mondlandschaft erinnern.

Chile

Atacama – die trockenste Wüste der Erde

Salzlagunen, Mondlandschaften, sternklare Nachthimmel und Geysire, die heißes Wasser in die Luft schießen: Die Atacamawüste ist ein beliebtes Ziel für Rucksackreisende, Fotografen und Astronomen zugleich.

Von Katrin Ewert

Im Regenschatten der Anden

Wer sich vor seinem inneren Auge eine Wüste vorstellt, denkt womöglich an Sanddünen, die sich endlos aneinanderreihen. Die Atacamawüste, oder kurz Atacama, ist anders. Die Region im Norden Chiles bietet etliche Naturschauspiele. Es gibt Geysire, die Wasser wie Fontänen in die Höhe schießen. Lagunen, die einen so hohen Salzgehalt haben, dass Badende auf dem Wasser schweben und dabei Zeitung lesen können. Und krustige Hügellandschaften, die aussehen wie auf einem fremden Planeten.

Die Atacama gilt, die Kältewüsten in den Polargebieten einmal ausgenommen, als trockenste Wüste der Welt. Es gibt Bereiche, in denen Meteorologen seit Beginn der Aufzeichnungen noch keinen Niederschlag messen konnten. Der Grund dafür ist die besondere Lage der Wüste.

Im Osten liegt die Region im Schatten der Anden, welche den Regen abfangen. Im Westen grenzt die Atacamawüste an den Pazifik. Dort schafft der Humboldtstrom kaltes Wasser aus der Antarktis heran und kühlt die darüberliegenden Luftschichten ab. Wenn sich diese über der Küste erwärmen, bildet sich lediglich Nebel und kein Niederschlag. Die nahen Küstenhügel fangen den Nebel ab. In der Atacamawüste kommt keine Feuchtigkeit an.

Eine Karte von Chile

Die Atacama-Wüste liegt im Norden Chiles

Unter Touristen und Fotografen ist die Atacamawüste ein beliebtes Ziel. Die meisten Reisenden fahren nach San Pedro de Atacama, von wo aus Einheimische Touren zu den naheliegenden Orten anbieten: etwa in das Tal Valle de la Luna, das dem Mond gleicht, das Tal Valle de la Marte, das an den Mars erinnert und zu den Geysiren von El Tatio.

Auch die Nationalparks Lauca und Volcán Isluga sind beliebte Orte. Auf ihrem Weg durch die Wüste sehen Touristen mit etwas Glück Lamas, Alpacas, Vicuñas (eine kleinere und schlankere Version des Lamas), Wüstenfüchse und Flamingos.

Besiedelt seit 11.000 Jahren

Obwohl die Atacamawüste laut Wissenschaftlern der trockenste Ort der Erde ist und kaum Vegetation bietet, ließen sich dort bereits vor 11.000 Jahren erste Siedler nieder. Es waren die indigenen Völker der Atacameños, Aymara, Diaguitas und Chinchorros, die in die Wüste zogen und an den Gebirgsfüßen der Anden ihre Dörfer errichteten. Sie versorgten sich dort mit dem Schmelzwasser der Gletscher.

Die indigenen Völker waren hoch entwickelt. Sie legten Terrassen an und bepflanzten sie mit Mais, Reis, Bohnen, Feigen und Kartoffeln. Als Bewässerung dienten ihnen die Gletscherflüsse, die sie gekonnt umleiteten und von den höheren zu den tieferen Ebenen laufen ließen. Das Volk der Chinchorros war außerdem bekannt dafür, dass es verstorbene Babys mumifizierte und in der Atacama bestattete. Diese Mumien gelten als älteste der Welt – sie sind 2.000 Jahre älter als die Mumien Ägyptens.

Im 15. Jahrhundert wurde die Atacama Teil des Inkareichs. Wenig später geriert das Gebiet in die Hände der Konquistadoren und wurde fast drei Jahrhunderte von den Spaniern kontrolliert. Nachdem die lateinamerikanischen Länder ihre Unabhängigkeit erreicht hatten, stritten Chile, Peru und Bolivien jahrelang um die Region der Atacamawüste. Der Salpeterkrieg (1879-1884) beendete schließlich die Auseinandersetzung. Chile war mit britischer Unterstützung erfolgreich und beansprucht die Wüstenregion seitdem für sich.

Heute leben die meisten Menschen in den Küstenstädten Iquique und Antofagasta sowie in Calama, in der Nähe vom Touristenort San Pedro de Atacama.

Eine Gruppe von Touristen geht zu einer Siedlung aus Lehmhäusern

Die Dörfer der Nachfahren der Atacameños lassen sich besichtigen

Ein Paradies für Astronomen

Hochebenen, extrem trockenes Klima, saubere Luft und völlige Dunkelheit bei Nacht: Die Atacamawüste bietet exzellente Bedingungen für Weltraumforscher und Hobby-Astronomen.

Nur auf wenigen Orten der Erde lassen sich die Sterne mit bloßem Auge so klar erkennen. Viele Sternschnuppen huschen über den Himmel. Anders als an anderen Orten der Erde ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich auch Planeten wie Saturn, Jupiter und Mars zeigen. Mithilfe eines einfachen Teleskops können Touristen sie beobachten. Einheimische bieten vor Ort Touren an, auf denen sie Teleskope zur Verfügung stellen und die Konstellation von Planeten und Sternbildern erklären.

Astronomen aus aller Welt haben sich in der Atacamawüste niedergelassen, um ins Weltall zu schauen. Das Forschungsinstitut European Organisation for Astronomical Research in the Southern Hemisphere (ESO) mit Sitz in München hat einige große Sternwarten in der Region erbaut. Darunter befindet sich die leistungsstärkste Sternwarte ihrer Art: das Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in der Hochebene Chajnantor in der Nähe von San Pedro de Atacama. Die ESO hat es zusammen mit US-amerikanischen und japanischen Forschern errichtet und in Betrieb genommen.

Die ALMA-Sternwarte soll das Licht von weit entfernten Galaxien auffangen und unter anderem erklären, wie sich Planeten bilden und Sterne entstehen. Forscher haben hier bereits viele wichtige Fortschritte gemacht. Sie haben zum Beispiel hochauflösende Bilder von dichtem Staub in fernen Galaxien erstellt, in denen neue Sterne geboren werden. Für die Forschung zur Entstehung von Schwarzen Löchern an den ESO-Sternwarten in der Atacamawüste bekamen Wissenschaftler im Jahr 2020 den Nobelpreis für Physik.

Verschiedene Radioteleskope zeigen auf den Sternenhimmel bei Nacht.

Die Atacamawüste ist einer der besten Orte der Welt, um Sterne zu beobachten und zu erforschen

Wertvolle Bodenschätze

Die Atacamawüste ist nicht nur ein wichtiger touristischer und wissenschaftlicher Standort. Die Region schafft auch einen wichtigen Wirtschaftszweig des Landes: die Bergbauindustrie. Unter der Atacamawüste verbergen sich große Mengen Kupfer, Lithium, Silber und Gold. Die Rohstoffe werden von Minenarbeitern (mineros) abgebaut und in die ganze Welt exportiert.

Was für Chiles Wirtschaft ein Segen ist, ist für die Atacama und deren Bewohner ein Fluch. Zum einen wühlen die Betreiber der Minen die Landschaft auf. Zum anderen brauchen sie große Mengen Wasser, um die Rohstoffe aus dem Gestein zu lösen und aufzuarbeiten. Die Minenbesitzer entnehmen es aus den benachbarten Anden.

Dort wohnen jedoch weiterhin indigene Gruppen, die auf die Flüsse der Anden angewiesen sind. Viele Dorfbewohner und Landwirte mussten die Region wegen des Wassermangels mittlerweile verlassen. Geisterdörfer bleiben zurück.

Die Mine Chuquicamata mit einem Förderband, Maschinen, einer Fabrik und Wasserbecken.

Chuquicamata ist die größte offene Kupfermine der Welt

Ein weiterer Kritikpunkt des Bergbaus in der Atacamawüste sind die schlechten Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter. Die Betreiber halten sich oft nicht an die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen. Im Kupfer- und Goldbergwerk San José wurden im Jahr 2010 durch den Einsturz eines Tunnels 33 Menschen eingeschlossen. Durch einen Rettungsschacht hätten sie sich sofort befreien können. Diesen hatten die Betreiber aber trotz der Auflagen nicht eingerichtet. Die Minenarbeiter konnten erst nach 69 Tagen mithilfe einer Kapsel gerettet werden.

Grubenunglück in Chile, Rettung der Bergleute (am 13.10.2010)

WDR Zeitzeichen 13.10.2015 14:23 Min. Verfügbar bis 10.10.2025 WDR 5


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(Erstveröffentlichung 2021. Letzte Aktualisierung 01.02.2021)

Quelle: WDR

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