Die afroamerikanische Bevölkerung hatte in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht die gleichen Rechte wie die weißen Bürger. Es herrschte eine strikte Rassentrennung: Es gab verschiedene Schulen für Kinder weißer und schwarzer Hautfarbe.
Auch bei öffentlichen Toiletten, in Bussen, Bars, Kirchen, Restaurants und Theatern wurde peinlich genau auf die Trennung von Schwarz und Weiß geachtet. Diskriminierung, Unterdrückung und Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung waren an der Tagesordnung.
Umso bemerkenswerter ist unter diesen Umständen ein Musical, das als das erste "schwarze Musical" ("all-black musical") gilt. Es wurde nicht nur von einem afroamerikanischen Komponisten- und Autorenteam geschrieben, sondern auch ausschließlich von schwarzen Schauspielern aufgeführt. Seine Uraufführung hatte "Shuffle Along" 1921 im Cort-Theatre, am New Yorker Broadway.
Das Bühnenwerk war für die damaligen Verhältnisse in vielerlei Hinsicht fortschrittlich. Die lebensnah inszenierte Liebesgeschichte brach zum ersten Mal mit dem Tabu, dass schwarze Schauspieler auf öffentlichen Bühnen keine Liebesszenen darstellen durften. Außerdem war es schwarzen Besuchern erstmalig erlaubt, neben weißen im Parkett zu sitzen. Sie wurden nicht, wie sonst üblich, auf die Balkone verbannt.
"Shuffle Along" präsentierte hervorragende Jazzsongs, die zu wahren Hits wurden. Es hatte bei schwarzen und weißen Besuchern so viel Erfolg, dass es auf mehr als 500 Aufführungen kam. Florence Mills, die weibliche Hauptdarstellerin, konnte mit dem Stück ihren Durchbruch feiern. Und auch für die junge Chorsängerin Josephine Baker wurde "Shuffle Along" ein wichtiger Meilenstein ihrer Karriere.
Josephine Baker auf dem Weg zum Weltstar
Der große Erfolg dieses einzigartigen Musiktheaterwerkes wurde zum Wegbereiter für weitere "schwarze" Musicals. Zwischen 1921 und 1924 wurden neun verschiedene Stücke dieses neuen und beliebten Genres aufgeführt. Darunter "Runnin' Wild" oder "The Chocolate Dandies", mit dem Josephine Baker endgültig Starstatus erlangte.
Auch in den Folgejahren wurden "schwarze Musicals" am Broadway gefeiert. "The Blackbirds" (1928) oder "Harlem" (1929) wurden ebenso Kassenschlager wie "Porgy and Bess" (1935). Obowohl das Stück von den beiden Weißen George und Ira Gershwin geschrieben wurde, gilt es als schwarzes Musical – denn auf der Bühne brillierte ein schwarzes Schauspielerensemble.
Die allgemeine Begeisterung für das "schwarze Musical" brachte der afroamerikanischen Kulturszene große Anerkennung und stärkte das Selbstbewusstsein der schwarzen Bevölkerungsschicht. Außerdem gilt die Kunstform des schwarzen Musicals als wichtiger Einfluss auf den gesamten Musicalbereich.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 31.07.2019)
Quelle: WDR