Mit der Unterzeichnung bekamen die Maori gleichzeitig von den Briten zugesichert, ihr Land und all ihren Besitz behalten zu dürfen. Die britische Krone versprach den Maori, ihr igentum zu schützen und ihre Rechte gegenüber den Siedlern zu verteidigen – doch schon in den folgenden Jahren kam alles ganz anders.
Ziel der Briten: Souveränität über Neuseeland
Als der Engländer William Hobson von seiner Heimat mit dem Schiff Richtung Neuseeland aufbrach, war er Gouverneur einer britischen Kolonie, die überhaupt noch nicht existierte. Hobson sollte Neuseeland zu einer solchen machen – mit der Zustimmung der Maori-Häuptlinge. Sein Schiff landete am 29. Januar 1840 in der "Bay of Islands" im Norden der Nordinsel.
Der britischen Krone war sehr daran gelegen, die Souveränität über den Inselstaat im Südwesten des Pazifiks zu behalten. Dieser konnten sie sich nicht mehr sicher sein, seitdem sich immer mehr europäische Siedler in Neuseeland niederließen und vor allem die Franzosen versuchten, das Land für sich zu gewinnen. So hatten sich bereits 1831 einige Maori-Häuptlinge mit der Bitte an die englische Krone gewandt, sie vor den eindringenden Franzosen zu schützen.
Schwierigkeiten bei der Übersetzung
Die Tage nach seiner Ankunft nutzte Hobson dafür, die Gunst der Maori zu gewinnen. Er verkündete, alle Landgeschäfte mit europäischen Siedlern auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen und lud alle wichtigen einheimischen Häuptlinge zu einem Treffen ein. Sein Plan war es, ihnen bei diesem Treffen bereits den Vertrag vorzulegen, der Neuseeland zu einer britischen Kolonie machen sollte.
Ohne juristisches Wissen arbeitete Hobson gemeinsam mit dem Briten James Busby einen Vertragstext aus. Busby hatte bereits Jahre zuvor ein Abkommen mit 34 Häuptlingen geschlossen. Der Missionar Reverend Henry Williams übersetzte den Vertrag in die Sprache der Maori – was sich schwierig gestaltete, da es bestimmte Begriffe und Wendungen in Maori nicht gab.
Nur eine Woche nach seiner Ankunft berief Hobson am 5. Februar 1840 die große Versammlung ein. Mehr als 200 Maori kamen, dazu viele Siedler, Missionare und natürlich die komplette Abordnung der englischen Krone.
In diesem Haus wurde der Vertrag unterzeichnet
Schutz gegen Souveränität
Hobson erklärte sein Angebot in einer Rede, die erneut Reverend Williams für die Maori übersetzte. Er hob die Bedeutung des Vertrags für die britische Krone hervor und sagte, dass es absolut notwendig sei, die Kontrolle über Neuseeland zu übernehmen. Erst dann werde Königin Viktoria von England in der Lage sein, den Maori Schutz zu gewähren.
Anschließend las Hobson die englische Fassung des Vertrags vor, Reverend Williams die Fassung auf Maori.
Die wesentlichen Punkte des englischen Vertrags: Die Häuptlinge träten ihre Hoheitsrechte über Neuseeland an die englische Königin ab. Diese würde im Gegenzug den Maori den "uneingeschränkten, exklusiven und ungestörten Besitz ihres Landes, ihrer Wälder, Fischgründe und anderer Besitztümer, gleich ob kollektives oder individuelles Eigentum" garantieren.
Die Krone behalte sich das Vorkaufsrecht bezüglich des Landbesitzes der Maori vor, die alle Rechte und Privilegien britischer Staatsbürger erhalten würden.
Viele Türen für Missverständnisse offen
Die Häuptlinge waren hin- und hergerissen. Sie wollten auf keinen Fall ihre Autorität verlieren und sie waren grundsätzlich damit unzufrieden, wie die Europäer sie behandelten. Auch einige Siedler rieten den Maori, den Vertrag abzulehnen.
Doch einige einflussreiche Häuptlinge betonten während der Gespräche, die die ganze Nacht dauerten, dass es notwendig sei, für die Probleme möglichst schnell eine Lösung zu finden. Und so entschied man sich am Morgen des 6. Februar dazu, den Vertrag zu unterschreiben.
Umgehend wurde ein zweites Treffen einberufen, und 40 Maori-Häuptlinge unterzeichneten noch an diesem Tag. Im Anschluss reiste Hobson mehrere Monate durch ganz Neuseeland, um die Unterschriften weiterer Häuptlinge zu sammeln. Dabei wurden diese zum Teil mit Geschenken bestochen; einige Stämme verweigerten ihre Zustimmung ganz, weil sie ihre Unabhängigkeit nicht verlieren wollten.
Heute ist klar, dass es verhältnismäßig wenige Häuptlinge waren, die unterzeichneten – und dass fast alle die Version in Maori wählten, die zahlreiche Türen für Missverständnisse offenließ. Denn Maori ist eine Sprache, die sehr bildhaft ist und in der ein Begriff mehrere Bedeutungen haben kann.
Auf die Unterzeichnung folgten Kämpfe zwischen Maori, Siedlern und Soldaten
Vertragsbruch und späte Entschädigungen
So kam es zu gravierenden Missdeutungen seitens der Maori: Der britische Begriff für "Hoheitsrechte" wurde beispielsweise in etwa mit "Gouverneursherrschaft" übersetzt. Den Maori war die Tragweite ihrer Entscheidung also wohl kaum bewusst.
Unklar ist auch, ob die neuseeländischen Ureinwohner den Begriff "Staatsbürgerschaft" voll erfassten und wussten, dass sie fortan an britisches Recht gebunden waren.
Darüber hinaus wurden einige Regelungen nach und nach aufgeweicht. So begann die britische Kolonialregierung den Siedlern zu erlauben, sich auf Land niederzulassen, dessen Eigentumsverhältnisse ungeklärt waren.
Dagegen leisteten die Maori gewaltsamen Widerstand – mit der Konsequenz, dass sie nach jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen, den so genannten Neuseelandkriegen, zum größten Teil enteignet wurden.
Die britische Krone hat zwar inzwischen eingeräumt, dass die Enteignung der Maori ein Bruch des Vertrags von Waitangi war; außerdem haben viele Maori Entschädigungen bekommen. Doch die Folgen dieser Politik sind bis heute spürbar. Und auch strittige Fragen gibt es noch immer, in denen der Vertrag unterschiedlich interpretiert wird.
Seit 1975 regelt das Waitangi-Tribunal solche Streitfragen. Vor dieser Untersuchungskommission können Maori Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen – allerdings spricht das Tribunal nur Empfehlungen aus, die rechtlich nicht bindend sind.
Flagge der Maori-Unabhängigkeitsbewegung
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 01.07.2020)
Quelle: WDR