Zwei Männer stellen bei Sonnenuntergang einen Wikingerkampf nach

Wikinger

Die Gesellschaft der Wikinger

Die Wikinger sind berüchtigt für ihre Raubzüge, doch viele von ihnen gingen nie auf Beutezug. Sie lebten als Bauern und Fischer an den Küsten Skandinaviens.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Familien, Herrscher und Sklaven

Die frühen Wikinger kannten noch keinen Staat. Organisiert waren sie in Sippen und Familienverbänden.

Die eigene Familie war heilig, sie stellte die entscheidende Schutzmacht für das Individuum dar. Ohne die Bande der Sippe galt der Einzelne nichts. Bei den Wikingern gab es einen hohen Familienehrenkodex, die Ehre musste unter allen Umständen gewahrt und verteidigt werden.

Auch die Rangordnung in den Sippen war wichtig. Mächtige Sippen hatten einen klaren Anführer, den "Jarl". Die frühe Wikingerzeit kannte zwar keinen König, doch die mächtigsten und tapfersten Jarle wurden zu einer Art Häuptling gewählt. Jarl blieb aber nur derjenige, der sich unter den anderen behaupten konnte.

Wikingerhäuser von Haithabu, Schleswig-Holstein

Das Wikingerdorf Haithabu

Eine entscheidende Rolle in den Wikingergesellschaften spielte das Heer der Rechtlosen, die Sklaven. Damals waren etwa 80 Prozent der Gesellschaft unfrei und nur 20 Prozent Freie.

Sklaven waren völlig rechtlose Menschen und der Besitz der freien Wikinger, denen sie gehörten. Auf ihren Raubzügen nahmen die Wikinger oft weitere Sklaven jeden Alters und Geschlechts gefangen.

Die Wikinger

01:59 Min. UT Verfügbar bis 29.08.2028 Von Anja von Kampen, VisionX

Männer und Frauen

Zwischen den Geschlechtern waren die gesellschaftlichen Aufgaben und Rollen klar verteilt. Die skandinavische Gesellschaft wurde zwar von den Männern dominiert, doch auch freie Frauen hatten ihren Raum.

Die Frauen der Oberschicht hatten das Recht, sich scheiden zu lassen, wenn der Ehemann seinen Pflichten nicht nachkam, wenn er die Familie nicht ernähren konnte oder seine Frau schlecht behandelte.

Die Ehe war damals keine Liebesheirat, Ehen waren Zweckbündnisse und politische Instrumente. Sie dienten dazu, Frieden zwischen Sippen zu schließen oder zu wahren und den Besitz einer Sippe zu mehren. Die Frau kümmerte sich um das Haus, den Hof, den Haushalt. Sie versorgte das Vieh, erzog die Kinder und befehligte die Sklaven.

Handwerkliche Tätigkeiten waren Sache der Männer. Männer bewirtschafteten den Acker, betrieben Fischfang, bauten Häuser und produzierten Waffen und Schmuck. Sie trieben Handel, führten Kriege und sorgten für den Schutz der Familie.

Als Wikinger verkleidete Männer auf enem Schiff

Männer waren für den Handel und die Beutezüge zuständig

Recht und Gesetz

Recht und Gesetz waren in der Gesellschaft der Wikinger respektierte Werte. Das wichtigste Gremium für gesellschaftliche Entscheidungen war das so genannte Thing – eine öffentliche Versammlung der freien Männer. Es tagte regelmäßig zu festgelegten Zeiten unter freiem Himmel.

Das Thing beriet über politische Angelegenheiten, beschloss Gesetze und sprach Recht. Die alten Wikinger hatten bei wichtigen Entscheidungen und Abstimmungen besonders viel Einfluss.

In Island tagte das "Thingvellir", was im Isländischen "Volksversammlung in der Ebene" bedeutet. Es gilt als eines der ältesten Parlamente der Welt: Vor mehr als 1000 Jahren tagte dort eine gesetzgebende Versammlung ("Althing"), Ausdruck für den Wunsch der damaligen Menschen nach Recht und Ordnung. Heute ist das Thingvellir ein Nationalpark in Island.

Isländische Landschaft mit Wasserfall

Der Nationalpark Thingvellir in Island

Die Rechtsprechung im Thing

Bei vielen Streitigkeiten und kleineren Verbrechen wurde die Sache zunächst innerhalb der Familien geregelt, ohne dass das Thing angerufen werden musste.

Urteile fällte das Thing nur dann, wenn ein Rechtsstreit der Versammlung vorgetragen wurde. Für minderschwere Verbrechen wurden zum Beispiel Geldbußen verhängt. Wenn ein freier Mann zu einer Geldbuße genötigt wurde, reichte meist der gesellschaftliche Druck, damit er seine Strafe tatsächlich annahm.

Bei großen Verbrechen konnte der Ausschluss aus der Gesellschaft (Verbannung) drohen. Verbannung war gleichbedeutend mit der totalen Rechtlosigkeit, der Wikinger verlor seine Rechte als freier Mann und musste um Leib und Leben fürchten, da er von jedermann ungestraft beraubt und getötet werden konnte.

Eine Verbannung bedeutete auerßdem die Ausstoßung aus der Gemeinschaft. Doch ohne die Gemeinschaft war ein Wikinger völlig auf sich alleine gestellt, also so gut wie nicht überlebensfähig.

Quelle: SWR | Stand: 21.04.2020, 14:26 Uhr

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