Von einem Felsen stürzt ein Wasserfall in die Tiefe. Ein Regenbogen liegt über dem fallenden Wasser.

Nordeuropa

Island

Heißer Boden, vereiste Berge, eine uralte Geschichte: Island ist in vielen Dingen einzigartig und deshalb zum Eldorado für Wissenschaftler, Abenteurer und Touristen geworden.

Von Alexandra Trudslev

Die jüngste Insel Europas

Wenn Geologen über Island sprechen, dann kommen sie ins Schwärmen: Island ist die jüngste europäische Insel, und sie entwickelt sich vor unseren Augen weiter. Vor weniger als 20 Millionen Jahren begannen Vulkane im tiefen Atlantik Lava zu spucken und legten damit das Fundament für Island.

Die geologische Entstehung ist in vier Perioden unterteilt: Die erste Periode ist gut 20 Millionen Jahre her. Im sogenannten Jungtertiär durchbrach Lava die Erdkruste – Island entstand. Im Eiszeitalter vor rund 3,1 Millionen Jahren, das die Perioden Tertiär und Quartär umfasst, überzogen Eismassen die Insel. In der Nacheiszeit, dem Holozän, schmolzen die Gletscherkappen teilweise wieder ab und legten die Küstenbereiche frei.

Island hat eine Gesamtfläche von 103.100 Quadratkilometern, das ist etwa so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Für die explosive heiß-kalte Mischung ist die besondere Lage der Insel verantwortlich: Sie liegt genau auf der Nahtstelle zweier Erdplatten.

Hier auf dem Mittelatlantischen Rücken berühren sich die eurasische und die nordamerikanische Platte. Sie streben unaufhörlich auseinander, pro Jahr etwa ein bis drei Zentimeter. Dabei strömt immer wieder Magma nach oben und verändert so ständig das Gesicht der Insel.

Island ist die größte Vulkaninsel der Welt. In den vergangenen Jahrhunderten erlebte man hier durchschnittlich alle fünf Jahre eine Eruption. Ein Viertel des Landes ist von einem massiven Vulkangürtel bedeckt, dementsprechend besteht die Insel hauptsächlich aus Vulkangestein (Basalt).

62 Prozent der Insel kommt ohne Pflanzen daher. Nur ein Prozent ist mit Wald bedeckt, eineinhalb Prozent sind als Weideland auszumachen und zwölf Prozent von Island sind mit Gletschern bedeckt.

Eine alte Landkarte von Island

Im Südwesten liegt die Hauptstadt Reykjavík

Der Kampf der Elemente

Nirgendwo sonst in Europa konkurrieren die Elemente so sehr um ihren Platz wie auf Island. Feuer, Wasser, Erde: Hier steigt Schwefel hervor, dort brodelt Wasser und da zittert die Erde. Woher kommen aber die Gletscher, wenn es im Inneren der Insel so heiß ist?

Die Oberfläche wurde von der Kälte geformt: Während der Eiszeit, als es bis zu 15 Grad kälter war als heute, war Island von Gletschern überzogen. Noch heute bedecken die Gletscher zwölf Prozent der Landesfläche. Darunter ein wahrer Eisriese: Der Vatnajökull ist mit 8100 Quadratkilometern Fläche der größte Gletscher Europas.

Seine Ausmaße entsprechen etwa der Fläche von 1200 Fußballfeldern. Seine Eisdecke soll mehr als 900 Meter dick sein. Die vielen Gletscher und Eisspalten entstanden in der Kälteperiode um das Jahr 500 vor Christus, teilweise bedecken sie immer noch aktive Vulkane.

Auch unter dem Vatnajökull brodelt es mitunter gewaltig. Der letzte große Ausbruch war 1996 unterhalb der Eismassen des Gletschers. Die darauf folgende Flutwelle aus dem Schmelzwasser zerstörte einen großen Teil der Südküstenstraße. Diese Ringstraße verbindet zahlreiche Orte miteinander und gilt als Hauptverkehrsader der Insel.

Im Erdinneren sorgen hohe Temperaturen für Islands Vulkanismus. Der Grund für die ungewöhnliche Hitze im Erdboden ist nicht nur das Auseinanderdriften der Erdplatten, sondern der sogenannte "Hot Spot", auf dem sich Island befindet.

Das ist ein heißer zylindrischer Erdmantelstrom am Boden des Ozeans, der ständig heißes Magma nach oben transportiert, so dass sich inzwischen all die Prozesse auf der Insel über dem Meeresspiegel abspielen, die sonst in 3000 Meter Tiefe des Ozeans stattfinden würden. Sichtbar wird die Aktivität des "heißen Punktes" zum Beispiel an den zahlreichen heißen Quellen auf der Insel.

Hinter einer Straße erhebt sich der mächtige Gletscher Vatnajökull.

Größter Gletscher Europas: der Vatnajökull

Ein heißes Bad am Gletscherrand

Island ist ein ständiger Durchlauferhitzer: Die Erdwärme sorgt für warmes Wasser mitten im Winter. Entlang des Vulkangürtels befinden sich natürliche Quellen, in denen es sich hervorragend baden lässt.

Seitdem Island besiedelt ist, erfreuen sich diese Heißwasserquellen großer Beliebtheit. Lange Zeit nutzten die Hausfrauen sie als Waschanstalten und schleppten ihre Wäsche zum Waschen kilometerlang zu den Quellen.

Einige dieser heißen Orte bieten ein beliebtes Naturschauspiel: Geysire, also Wasser speiende Quellen, schießen in Abständen Fontänen aus sich heraus. Der "Große Geysir" im Südwesten der Insel ist Namensgeber für alle internationalen "Kollegen". Leider hat der Große Geysir seine beeindruckenden Aktivitäten mittlerweile weitgehend eingestellt.

Doch gleich nebenan leistet der kleine Bruder "Strokkur" noch jede Menge touristenwirksame Arbeit. Alle paar Minuten schießen hier etwa 30 Meter hohe Wasserfontänen in die Höhe.

Warum es zu diesem Spektakel überhaupt kommt, darüber gab es viele Theorien. Mittlerweile weiß man, dass die Druckentladung etwas mit Gasen zu tun hat, die sich in den besonders verschlungenen Geysirschloten ansammeln. Irgendwann wird der Raum für die Gase zu eng und sie suchen sich mit der Eruption einen Weg ins Freie.

Neben den Geysiren zeigt sich das Wasser auf dieser Insel in besonders großen Wasserfällen von seiner spektakulären Seite: Der Dettifoss ist der wasserreichste Europas; der höchste der Insel ist der Glymur, der sich bei Botnsá aus 190 Metern in die Tiefe stürzt.

Der Wasserreichtum und die Erdwärme bringen Island energiewirtschaftlich gesehen in die Pole-Position. Etwa 90 Prozent der Haushalte werden mit geothermaler Wärme versorgt.

Schon 1904 wurde auf der Insel das erste Wasserkraftwerk gebaut. Diese insgesamt sehr umweltfreundliche Energieversorgung sorgt für Islands berühmte Luftqualität. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Isländer ist mit rund 83 Jahren sehr hoch – das liegt zum Teil auch an der sauberen Umwelt.

Aus einem Loch in der Erde schießt eine gut 30 Meter hohe Wasserfontäne

Geysir Strokkur in Aktion

Wer hat Island entdeckt?

Lange Zeit hieß es, dass die Wikinger die ersten Menschen auf Island waren. Dass sie im 9. Jahrhundert als Seeräuber über die Nordmeere segelten und unweigerlich auch nach Island kamen, das im Mittelalter auch Ultima Thule genannt wurde.

Neuere Forschungen widerlegen allerdings diese Ansicht, denn es gibt frühere Spuren auf der Insel – Spuren von irischen Mönchen. Diese hatten lederbespannte Boote aus Weidengeflecht für ihre Reisen konstruiert und nutzten abgeschiedene Inseln, um in Ruhe mit Gott zu sein.

Sicher scheint, dass sie vor den Wikingern zumindest die Sommermonate auf Island verbrachten. Überliefert sind Schriften eines irischen Mönches "Dicilius", der von den Islandreisen berichtet: "Zur Mittsommerzeit war es nachts so hell, dass man noch um Mitternacht Läuse aus seinen Gewändern klauben konnte."

Doch die Mönche verließen schnell das Land, als die ersten Wikinger auftauchten. Das Jahr 864 gilt als der Beginn der Besiedlung und Landnahme durch die räuberischen Skandinavier. Der Norweger Flóki Vilgerdarson war einer der ersten, der mit Siedlungsabsichten in Island strandete.

Er schaffte es nicht, sein Vieh über den Winter zu bringen, fuhr ab und nannte das Land enttäuscht "Eisland". Der Name hielt weitere Besucher nicht davon ab, sich sesshaft zu machen.

Vor allem norwegische Auswanderer ließen sich in Island nieder. Schon 930 verfügten die Bewohner über ein Parlament, das Althing. Diese demokratische Volksvertetung kam zusammen, um gemeinsam über wichtige Dinge zu entscheiden. Nur das antike Griechenland kannte ein vergleichbares Parlament.

Auf der Insel herrschte ein hartes Leben, es gab wenig Baumaterial und wenig Möglichkeiten für die Landwirtschaft. Wie zu dieser Zeit üblich, glaubten die nordischen Völker an zahlreiche Götter, die für ihr Schicksal verantwortlich seien. Das sollte sich unter dem norwegischen König Olaf Tryggvason um das Jahr 1000 ändern: Er wollte das Christentum nach Island bringen und sandte einen Missionar dorthin.

Davon wenig begeistert, wehrten sich die Isländer zunächst. Die heidnischen Götter hatten ihre festen Plätze im Sozialsystem der Bevölkerung. König Olaf blieb hart, das Christentum wurde mit viel Druck durchgesetzt – aber auch mit Kompromissen: So wurde im demokratischen Althing entschieden, dass die Isländer trotz Taufe und Konvertierung zum Christentum heimlich weiter ihren heidnischen Göttern opfern durften.

Isländische Landschaft mit Wasserfall

In þingvellir war einst das isländische Parlament

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 17.06.2020)

Quelle: WDR

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