Benjamin Disraeli und Königin Viktoria nebeneinander

Viktorianisches Zeitalter

Benjamin Disraeli – Premierminister unter Königin Viktoria

Benjamin Disraeli war ein englischer Politiker des 19. Jahrhunderts. Zu seiner Zeit war er ein regelrechter Star, heute wird er weit kritischer gesehen – vor allem wegen seiner Rolle im Kolonialismus.

Von Stefan Morawietz

Der politische Dichter

Benjamin Disraeli wird 1804 als Sohn einer jüdischen Familie italienischer Herkunft in London geboren. 1817 tritt er zur anglikanischen Kirche über. In den 1820er-Jahren wird er als Schriftsteller bekannt ("Vivian Grey" 1825/26) und beschäftigt sich schon damals auch mit Politik beschäftigt. 1837 wird er zum ersten Mal für die konservative Partei (Tories) ins Parlament gewählt.

Mit anderen Tories zusammen gründet er die Gruppe "Young England" innerhalb der konservativen Partei. Seine politische Idee: Die soziale und wirtschaftliche Hierarchie Englands soll erhalten werden, aber die Lage für Arbeiter und Kleinbauern soll verbessert werden.

Das Programm von "Young England" beschreibt Disraeli in weiteren drei Romanen. Davon verspricht er sich eine größere Wirkung als von politischen Vorträgen.

1848 wird der ehrgeizige Disraeli der Führer der konservativen Partei und ab 1852 auch Schatzkanzler, also Finanz- und Wirtschaftsminister.

Benjamin Disraeli

Benjamin Disraeli wurde zunächst als Schriftsteller bekannt

Die Wahlrechtsreform von 1867

Die Wahlrechtsreform von 1867 gilt als Disraelis bedeutendste innenpolitische Leistung. Dadurch wird die Zahl der wahlberechtigten Briten auf einen Schlag verdoppelt.

Auf dem Land dürfen jetzt nicht nur Großgrundbesitzer wählen, sondern jeder, der Land mit einem Jahresertrag von mindestens fünf Pfund besitzt oder aus gepachtetem Land zwölf Pfund erwirtschaftet. In den Städten ist jetzt jeder wahlberechtigt, der ein Haus besitzt oder mindestens zehn Pfund Miete pro Jahr bezahlt und länger als ein Jahr dort wohnt.

Obwohl die Konservativen die nächste Wahl verlieren, nutzt ihnen die Reform auf längere Sicht sehr wohl. Denn die vergrößerte Wählerschaft stärkt die Macht des Unterhauses. Auch die jeweils regierende Partei wird dadurch mächtiger. So entstehen erstmals Parteien im heutigen Sinn.

Auf dem Gipfel der Macht

Nur ein Jahr später wird Disraeli zum ersten Mal Premierminister von Großbritannien. Doch obwohl er viele Reformen ankündigt, scheitert er schon sehr schnell bei der Umsetzung. Trotzdem gewinnt er bald das Vertrauen der englischen Königin Viktoria.

In seine zweite Amtszeit als Premierminister (1874-1880) fallen seine größten außenpolitischen Schachzüge. In dieser Zeit hat er des Öfteren mit Otto von Bismarck zu tun, dem ersten Reichskanzler des neu gegründeten Deutschen Reichs.

1875 erwirbt Disraeli einen großen Teil der Aktien des 1869 fertiggestellten Suezkanals und sichert England damit eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten. Ein Jahr später wird er zum Lord Beaconsfield und später zum Earl (Graf) Beaconsfield geadelt.

1877 macht er Viktoria zur Kaiserin von Indien und annektiert die Burenrepublik Transvaal (Südafrika). Ein Jahr später kauft er den Türken Zypern ab und lässt britische Truppen Afghanistan erobern. Auf diplomatischem Weg kann er verhindern, dass die Russen aus ihrem Sieg gegen das Osmanische Reich 1878 Vorteile ziehen.

Der Vater des Imperialismus

Benjamin Disraeli machte imperiale Bestrebungen und den Kolonialismus zu einem konservativen Grundanliegen. Seine berühmte Rede im Londoner Crystal Palace 1872 zeigt die geistige Haltung seiner Regierung, die es als völlig gerechtfertigt ansah, andere Länder zu erobern und zu unterwerfen.

Bis zum Ersten Weltkrieg wetteiferten alle führenden Industrienationen um das größte Stück am zu verteilenden Kuchen. Afrikaner, Inder oder Chinesen als die Hauptleidtragenden dieser Politik fragte niemand nach ihrer Meinung. Schließlich ging es um Höheres, wie Disraeli in seiner programmatischen Rede ausführte:

"Es geht darum, ob Sie ein großes Land sein wollen – ein imperiales Land – ein Land, in dem Ihre Söhne, wenn sie aufsteigen, zu höchsten Stellungen aufsteigen und nicht nur die Wertschätzung ihrer Landsleute, sondern die Achtung der ganzen Welt erringen."

Die Folgen dieser Politik tragen vor allem die Länder Afrikas bis heute. Disraeli trat 1880 als Premier zurück und starb ein Jahr später im Alter von 76 Jahren.

Zeichung: Benjamin Disraeli im House of Lords

Benjamin Disraeli (mit Buch) im House of Lords

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 05.07.2019)

Quelle: WDR

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