Bürgerforscherin Luisa Klingmann

Hobbyforscher

Wenn Bürger forschen – Citizen Science

Bürgerforscher, sogenannte Citizen Scientists, sind Laien, die sich mit Leidenschaft einem Forschungsobjekt widmen. Von Forschern werden sie teils kritisch beäugt. Bringen sie die Wissenschaft voran oder stören sie? Ein Beispiel.

Von Tanja Fieber

Luisa Klingmann geht unter die Fährtenleser. Die Studentin will herausfinden, wo sich Igel gerne aufhalten – und wie viele von den Tieren man überhaupt noch in freier Wildbahn findet.

Warum sie das tut? Nicht nur für ihre Bachelor-Arbeit! Sie will damit auch ein großes Igel-Forschungsprojekt unterstützen, das der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) und der Bayerische Rundfunk 2015 ins Leben gerufen haben.

Als sogenannte Bürgerforscherin oder Citizen Scientist steuert Luisa Wissen bei, wo es fehlt: Igel gibt es zwar schon seit mehr als 50 Millionen Jahren auf der Erde, über seine Lebensumstände und seine aktuelle Verbreitung weiß man aber recht wenig.

Lauern, zählen, melden

In der Praxis heißt das für Luisa, sie muss tricksen, um Igel zu zählen, denn die sind nachtaktiv. Die Studentin nutzt dazu einen Igeltunnel, eine Art Röhre mit zwei offenen Enden. In der Mitte des Tunnels platziert sie Katzenfutter als Lockmittel.

Vor den Igeltunnel legt sie einen Streifen Malerkrepp, auf den Farbe aufgebracht wird, und einen weißen Papierbogen. Läuft ein Igel in den Tunnel, um zu fressen, läuft er durch die Farbe und hinterlässt Fußabdrücke auf dem Papier.

Wie Luisa helfen auch viele andere Bürger der Igel-Forschung, indem sie gesichtete Igel melden. Tote und lebendige Tiere können über eine App und eine Website eingetragen werden. Die Igel-Meldungen aus der Bevölkerung zeigen, wo noch Igel zu finden sind und wo Gefahren für die Tiere lauern. Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Berlin.

Was gefährdet Igel?

Die größten Feinde des Igels sind Autos, Zäune und Menschen. Das zeigt die erste Zwischenbilanz zur Winterschlaf-Saison 2015/2016: Der Igel ist demnach eins der Wildtiere, das am häufigsten überfahren wird. 28.500 Igel wurden 2015 gesichtet, 30 Prozent davon waren tot. Gefunden wurden sie gehäuft im Juni/Juli und September/Oktober.

Die Zerschneidung des Lebensraum durch Straßen, Zäune und Baustellen ist eines der größten Probleme des Igels. Er ist nämlich ein Stadttier geworden: Die meisten gesichteten Igel lebten nahe bei und in Ortschaften. Auf dem Land und im Wald wurden nur wenige Igel gefunden. Nachts läuft das Tier drei bis fünf Kilometer auf der Suche nach Futter.

Ein großes Problem ist auch falsch verstandene Tierliebe: Vor allem im Herbst werden Igel oft einfach eingesammelt und in Keller einquartiert, obwohl die Tiere in der freien Natur besser aufgehoben wären! Dabei sollten Igel nur kurz nach dem Erwachen und notfalls bei frühzeitigem Frühjahrseinbruch und im Herbst nach verfrühtem Wintereinbruch gefüttert werden. Im Frühling 2016 geht das Igel-Projekt in die zweite Runde.

Wo Bürgerforscher gefragt sind

Igel, Mücken oder Planeten zählen: Laien sind als Bürgerforscher gern gesehen, wenn sie sich mit Themen aus ihrer alltäglichen Umgebung und Lebenserfahrung sowie aus der lokalen und regionalen Forschung, der Stadtgeschichte oder Heimatkunde beschäftigen.

Viele Amateure erwerben sich durch ihre Leidenschaft für ein Spezialthema ein beachtliches Wissen. So hat sich Hans Eggendinger zum Beispiel seine eigene, kleine Sternwarte aufgebaut.

Die Brüder Josef und Heinz Gens wollten eigentlich nur den Keller ihrer Eltern renovieren und stießen bei Probebohrungen auf das antike Grabmal des römischen Legionärs Lucius Poblicius.

Ohne akribische Bürgerforscher wäre auch ein Projekt wie der "Mückenatlas für Deutschland" undenkbar gewesen, der die Verbreitung von Stechmücken-Arten in Deutschland untersucht.

Quelle: BR | Stand: 25.01.2021, 00:00 Uhr

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