Was ist der Goldene Schnitt genau?
Der Goldene Schnitt ist eine Gestaltungsregel. Dabei wird eine Strecke in bestimmte Teile unterteilt, und das Verhältnis der Teile zueinander wird von vielen Menschen als besonders harmonisch und ästhetisch empfunden – also als besonders schön.
In Zahlen ausgedrückt soll der größere Teilabschnitt rund 62 Prozent der Gesamtstrecke ausmachen und der kleinere rund 38 Prozent. Dann stehen die beiden Strecken etwa im Verhältnis 1 zu 1,6 zueinander. (Die Zahl heißt Phi und lautet gerundet 1,618.) Das entspricht in etwa einer Aufteilung von zwei Dritteln zu einem Drittel.
Anders formuliert: Ein Punkt teilt eine Strecke im Goldenen Schnitt, wenn das Verhältnis von der Gesamtstrecke zum größeren Abschnitt genau so groß ist wie das Verhältnis des größeren Teilabschnittes zum kleineren.
Das Prinzip des Goldenen Schnitts findet sich auch im Alltag an vielen Stellen: in der Architektur zum Beispiel, in Musik, Kunst und Design. Leonardo da Vinci verwendete es in den Gesichtsproportionen der Mona Lisa und Gustave Eiffel bei der Konstruktion des Eiffelturms: Ohne Antenne misst er fast genau 300 Meter, davon 115 für die ersten beiden Etagen und 186 für den langgezogenen Rest. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 186 : 115 = 1,6174.
Berühmt dank Goldenem Schnitt: die Mona Lisa
Das Leipziger Rathaus
Ein berühmtes Beispiel in Deutschland für den Goldenen Schnitt steht in Leipzig: Im 16. Jahrhundert wurde der Architekt Hieronymus Lotter mit dem Bau eines Rathauses beauftragt. Es steht bis heute, rund 500 Jahre später, am Marktplatz und wird inzwischen "Altes Rathaus" genannt.
Kunst und Architektur standen damals, in der Epoche der Renaissance, ganz im Zeichen mathematischer Klarheit und Schönheit. Und so ließ Hieronymus Lotter den Turm des Rathauses nicht mittig an der Fassade des Gebäudes anbringen, sondern positionierte ihn ungefähr dort, wo er die Vorderfront im Goldenen Schnitt teilte.
Der Turm am Leipziger Rathaus teilt das Gebäude nach dem Goldenen Schnitt
Unser Bauchnabel
Auch an unserem eigenen Körper finden sich Beispiele für den Goldenen Schnitt. Etwa der Bauchnabel: Man nehme als Gesamtstrecke die Körpergröße eines Menschen. Teilt man dann die Gesamtlänge des Menschen durch den Abstand "Boden-Bauchnabel", ergibt das eine bestimmte Zahl, nämlich wiederum Phi: 1,618.
Dieselbe Zahl kommt auch dabei heraus, wenn man den größeren Teil-Abstand "Boden-Bauchnabel" durch den kleineren Teil-Abstand "Bauchnabel-Kopf" teilt.
Unser Bauchnabel liegt also mittendrin im Goldenen Schnitt.
Gebäude und Gemälde
Bereits in der Antike fanden die Menschen diese spezielle geometrische Teilung einer Strecke besonders schön. Die erste genaue Beschreibung des Goldenen Schnittes stammt von Euklid, der von 325 bis 270 vor Christus lebte. Euklid erkannte, dass wir Bilder besonders gelungen finden, wenn Dinge und Personen an bestimmten Punkten im Bild positioniert sind.
Viele Tempel der Antike beachten diese Gestaltungsregel ebenfalls: Das Verhältnis der Säulenhöhe zur Höhe des dreieckigen Aufbaus beträgt dann etwa 1 zu 1,6.
Auch antike griechische Tempel wurden nach dem Goldenen Schnitt erbaut
Eine Blütezeit erlebte der Goldene Schnitt in der Renaissance. In dieser Kunstepoche setzten ihn Maler oder Bildhauer oft bewusst ein, um eine harmonische Aufteilung des Bildes zu erzielen.
Ein berühmtes Beispiel aus dieser Zeit ist das Gemälde "Triumph der Galatea" von Raffael, bei dem der Kopf der Galatea genau im Goldenen Schnitt der Bildhöhe liegt.
Noch heute wird der Goldene Schnitt in der Kunst oft verwendet – allerdings meist weniger strikt geplant und berechnet, sondern eher intuitiv. Viele Menschen finden die "göttliche Proportion", wie der Goldene Schnitt auch genannt wird, einfach naturgemäß schön.
(Erstveröffentlichung 2006, letzte Aktualisierung 25.01.2024)
Quelle: SWR