Blick auf den verschneiten K2

Himalaja

K2 – der Schicksalsberg

In der Rangordnung der Achttausender ist der "K2" nur zweiter Sieger hinter dem Mount Everest. Vielen Bergsteigern gilt er als König der höchsten Gipfel: Der 8611 Meter hohe Berg, der auch Lambha Pahar genannt wird, liegt auf der Grenze zwischen Pakistan und China.

Von Harald Brenner

Geschichte

Der britische Vermessungsingenieur Thomas George Montgomerie beteiligt sich Mitte des 19. Jahrhunderts an der Vermessung Indiens. Im Karakorum, einem zum Himalaja zählenden Gebirge Zentralasiens, nummeriert er 1856 die markantesten Gipfel von Westen her durch. K2 steht also für "Karakorum 2".

Als einziger trägt der Berg heute noch diesen etwas schmucklosen Namen, während die anderen nach und nach umbenannt wurden. Obwohl die technische Ausrüstung der damaligen Zeit recht einfach ist, stimmt die von Montgomerie ermittelte Höhenangabe sehr genau mit den Ergebnissen moderner Messmethoden überein.

Der schroff aufragende K2 im Karakorumgebirge in Kaschmir.

Der schroff aufragende K2

Erste Expeditionen

Vermutlich ist es der italienische Forschungsreisende Roberto Lerco, der 1890 als Erster einen Fuß an den Berg setzt. Auch William Martin Conway, englischer Kunstkritiker und Bergsteiger, unternimmt 1892 eine Expedition ins K2-Gebiet. Dabei stellt er einen neuen Höhenweltrekord auf: 6890 Meter am Nachbarberg Baltoro Kangri.

1902 wagt eine britisch-österreichische Expedition unter Leitung von Oscar Eckenstein den ersten ernst zu nehmenden Versuch, den Gipfel zu erreichen, scheitert aber in einer Höhe von 6600 Metern. 1909 versuchte es ein Adeliger: Der italienische Herzog der Abruzzen, Luigi Amedeo di Savoia, wählt den Weg über den Südostgrat.

Seither wird diese Route auch Abruzzengrat genannt. Dieser Weg zum Gipfel wird bis heute von den meisten Bergsteigern bevorzugt. Allerdings hilft auch das blaue Blut dem Herzog nicht bis ganz nach oben.

Undatiertes Porträt des Herzogs der Abruzzen Amadeus Ludwig, der im 19. Jahrhundert viele Forschungsreisen unternahm.

Prinz Luigi Amedeo di Savoia, Herzog der Abruzzen

Erstbesteigung

1939 ist die Sensation fast perfekt. Eine amerikanische Expedition unter der Leitung des gebürtigen Sachsen Fritz Wiessner hat alle schwierigen Kletterpassagen bereits hinter sich, als sie 150 Meter unter dem Gipfel umkehren müssen, weil der Sherpa Pasang Dawa Lama es aufgrund der fortgeschrittenen Zeit für zu gefährlich hält weiterzuklettern.

Bei einem erneuten, erfolglosen Versuch kommt es zur ersten Tragödie am K2. Vier Menschen überleben den Abstieg nicht.

Erst am 31. Juli 1954 wird ein neues Kapitel Bergsteigergeschichte geschrieben: Die Italiener Achille Compagnoni und Lino Lacedelli sind die Ersten auf dem Gipfel des K2. Anders als Wiessner und Dawa Lama, die ohne Sauerstoff-Flaschen unterwegs waren, erreichen sie ihr Ziel mit künstlichem Sauerstoff. Auch auf dieser Expedition stirbt ein Teilnehmer, Mario Puchoz, an Lungenentzündung.

Titelbild der italienischen Wochenzeitung "La Domenica del Corriere" von 1954: Zwei Bergsteiger erreichen den Gipfel des K2, einer von ihnen stößt eine italienische Flagge ins Eis

Eine italienische Wochenzeitung feiert 1954 die erste erfolgreiche K2-Expedition

Es folgten weitere Versuche, die jedoch alle scheitern. Von 1960 bis 1975 ist das K2-Gebiet wegen kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan gesperrt. Erst 1977 gelingt die zweite Besteigung durch eine japanische Expedition.

1986 stehen mit der Polin Wanda Rutkiewicz und der Französin Liliane Barrard die beiden ersten Frauen auf dem zweithöchsten Gipfel der Erde. Doch auch Liliane Barrard überlebt den Abstieg nicht.

Tragödien

Der zweithöchste Berg der Erde ist klettertechnisch wesentlich anspruchsvoller als der Mount Everest – viele sagen sogar, es sei der schwierigste Anstieg von allen Achttausendern. Diese besondere Herausforderung muss der Grund dafür sein, dass sich unter diesem Himalaja-Gipfel besonders viele Bergsteiger-Dramen abgespielt haben. Der K2 ist ein Mythos – bis heute.

1986 entwickelt sich zum Jahr mit den meisten Katastrophen: Insgesamt 13 Menschen sterben. Dramatisch ist die Geschichte des Österreichers Kurt Diemberger. Mit seiner Partnerin und Lebensgefährtin Julie Tullis erreicht der Bergsteiger und Filmemacher den Gipfel. Den Momenten des Stolzes und unbeschreiblichen Glücks folgt die Tragödie beim Abstieg.

Tullis und Diemberger stürzen, erreichen aber mit Glück das Lager IV. Ein Orkan verhindert, dass die Bergsteiger den Weg nach unten fortsetzen können und hält sie fünf Tage lang fest. Julie Tullis stirbt in dieser Zeit, vermutlich an den Folgen ihrer Sturzverletzungen.

Die Überlebenden müssen noch einen weiteren Kameraden wegen seines schlechten Gesundheitszustandes im Lager zurücklassen. Er wird das zweite Opfer dieser Tour. Zwei weitere Expeditionsmitglieder sterben beim Abstieg an Erschöpfung, einer stürzt ab. Insgesamt fünf Tote sind zu beklagen.

1995 kommen wieder sieben Menschen am K2 ums Leben. Allein sechs werden am 13. August von einem Höhensturm erwischt und förmlich weggeblasen – sie haben keine Überlebens-Chance.

1991 schafft es der legendäre K2 sogar ins Kino, mit Michael Biehn und Matt Craven in der Hauptrolle. Auch Kurt Diemberger, der an seinem Schicksalsberg nur knapp dem Tod entkommen ist, verarbeitet seine Erlebnisse in einem Film: "K2 – Traum und Schicksal" ist das Zeugnis einer Leidenschaft, die er – wie so viele – sehr teuer bezahlt hat.

Quelle: SWR | Stand: 17.04.2020, 17:10 Uhr

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