Schäferei

Warum Schafe wichtig für die Natur sind

Wanderschäfer sind wichtig für Landschaftspflege und Naturschutz. Artenreiche Wiesen mit Kräutern und bunten Blumen sind nämlich kein Zufallsprodukt der Natur, sondern menschen- und tiergemacht.

Von Catharina Clausen

Tierische Gestalter einer Kulturlandschaft

Regelmäßig weidende Schafe verhindern Versteppung und Verbuschung, indem sie bestimmte Pflanzen immer wieder "verbeißen", wo sonst mehrjährige Sträucher und Bäume bald alles zuwuchern würden. Dadurch sind in Europa einzigartige Kulturlandschaften entstanden.

In Deutschland gehören zum Beispiel die Heid- und Moorschnucken in der Lüneburger Heide zu den bekannten Gestaltern einer einzigartigen und geschützten Kulturlandschaft. Auch die Deichschäferei an Nord- und Ostseeküste, die in Deutschland immerhin vier Prozent der Schafhaltung ausmacht, erfüllt einen sinnvollen Zweck: Die Schafe treten die Grasnarbe fest und halten zerstörerische Wühlmäuse im Zaum.

Dabei sind auch die Schafe bei ihrem Futter mitunter wählerisch und haben damit einen ganz eigenen Beitrag geleistet. So ist zum Beispiel der Wacholder eine Pflanzenart, die Schafe wegen ihrer Stacheln gezielt verschmähen. Die allein durch die Beweidung entstandenen Wacholderheiden in Mitteleuropa gehören zu den artenreichsten Biotopen und sind in Deutschland, insbesondere in Baden-Württemberg mit den großflächigsten Vorkommen, besonders geschützt. Beiträge, die mit Maschinen gar nicht zu leisten wären.

Schafwanderung für die Biodiversität

Die Schäferei leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität. Insbesondere die Wanderschäferei spielt bei der Erhöhung der Artenvielfalt eine wichtige Rolle: Schafe transportieren in ihrem Fell und mit dem Kot Samen und Insekten von A nach B.

Untersuchungen aus Spanien haben aufgezeigt, dass mit dem Kot eines einzigen Schafes bis zu 6000 Samen am Tag ausgeschieden werden. Damit tragen Schafe nicht nur zur Artenvielfalt in der Landschaft bei, sie vernetzen auch wichtige Biotope untereinander. Auf manchen historischen Wanderwegen hat sich über die Jahrhunderte durch die Wanderschäferei eine einzigartige Flora und Fauna entwickelt.

Schafe transportieren Pflanzensamen mit ihrem Fell und Kot | Bildquelle: dpa/Peter Förster

Transhumanz in Spanien

Der Blick über die Grenze lohnt sich: In Spanien ist die saisonale Wanderschäferei über weite Strecken ebenfalls seit Jahrhunderten eine Tradition. Bei der Wanderweidewirtschaft oder "Transhumanz" wandert ein Hirte mit festem Wohnsitz mit seiner Herde im Frühjahr von der Sommerweide auf die Winterweide in den Bergen und im Herbst zurück.

Auch hier hat die regelmäßige saisonale Beweidung durch die Schafe eine einzigartige Kulturlandschaft mitgeschaffen. Bereits im zwölften Jahrhundert standen Wanderhirten unter dem besonderen Schutz der Könige. Für sie wurden eigens bis zu 75 Meter breite Viehwege mit Schutzhütten und Tränkestellen festgelegt. Auf den sogenannten Cañadas konnten Forscher mehr als vierzig Pflanzenarten pro Quadratmeter und mehr als hundert Schmetterlings- und andere Insektenarten nachweisen.

Auch in Spanien trieben die Hirten noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als vier Millionen Schafe, Rinder, Ziegen, Esel und Pferde in den Norden Spaniens und zurück. Damit schufen sie ein Wegenetz von mehr als 124.000 Kilometern durch das Land. Eine uralte und die Landschaft prägende Tradition, die durch die Intensivierung der Landwirtschaft in Spanien in den 1960er-Jahren fast in Vergessenheit geriet.

Seit den 1990ern bemühte sich eine Handvoll Hirten und Naturschützer um die Wiederbelebung der Transhumanz, und die Regierung stellte die Wege 1995 schließlich unter Schutz.

Auch auf Mallorca tragen Schafe zur Artenvielfalt bei | Bildquelle: picture alliance / Jochen Tack

Schafe als Klimaschützer

So wundert es nicht, dass auch die naturwissenschaftliche Forschung auf die Rolle der Schafhaltung aufmerksam geworden ist. Neben ihrem offensichtlicheren Beitrag zur Artenvielfalt verbirgt sich aber in der durch extensive Beweidung entstandenen Kulturlandschaft noch ein versteckter, oft übersehener Nutzen, denn Grünland und die entstehenden Böden leisten einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.

Während die wichtigen Wälder bei uns im Winter ihr Laub abwerfen, binden die immergrünen Weiden auch im Winter weiterhin Kohlendioxid (CO2) über die Pflanzen und speichern dies über die Wurzeln im Boden. Ein Hektar Grünlandboden speichert als Faustzahl etwa 100 Tonnen CO2. Wenn man diesen mit einem Wert der CO2-Zertifikate von fünf Euro pro Tonne aufrechnet, ergibt das 500 Euro pro Hektar Grünland.

Der im Vergleich zum Ackerboden mehrschichtige und unbelastete Grünlandboden bindet zudem Schadstoffe wie übermäßigen Stickstoff und verhindert damit eine Nitratbelastung von Grundwasser, Flüssen und Seen.

Eine der wichtigsten Einkommensquellen für die Schäfer in Deutschland ist mittlerweile die Landschaftspflege. Der Naturschutzbund (NABU) hat sogar vorgeschlagen, dass die Wanderschäferei wegen ihres Beitrags zum Naturschutz als immaterielles Kulturerbe der UNESCO unter Schutz gestellt wird.