Ostsee
Süß und salzig – Brackwassermeer Ostsee
Als nach der letzten Eiszeit das Eis geschmolzen war, hatte es in den Senken der heutigen Ostsee den baltischen Eis-Stausee zurückgelassen. Ursprünglich war er ein reiner Süßwassersee. Doch vor etwa 12.000 Jahren flossen große Mengen Salzwasser ein.
Von Ulrich Neumann
Zwischen Süß- und Brackwasser
Vor etwa 10.800 Jahren wurde die Ostsee in Folge von Landhebungen und einem Absinken des Wasserspiegels erneut von den Weltmeeren abgeschnitten und süßte im Laufe der Jahrhunderte aus. Die Muschel Yoldia arctica findet sich nun nicht mehr in den Sedimenten, stattdessen taucht die Ancylus fluviatilis, die Flussnapfschnecke, auf, die normalerweise nur in süßen Gewässern anzutreffen ist. Sie gab der Ostsee den Namen Ancylussee.
Diese Episode endete etwa vor 8800 Jahren, als es erneut zu einem Anstieg des Meeresspiegels kam und nun die Salzwasser anzeigende Schnecke Littorina littorea anzutreffen war. Sie gab der Ostsee den Namen Litorinameer.
Im Laufe der Jahrtausende hat sich die Verbindung zwischen Nord- und Ostsee wieder so deutlich verengt, dass eine erneute Landhebung von 20 Metern ausreichen würde, um Ostsee und Nordsee voneinander zu trennen und eine Landverbindung zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden entstehen zu lassen.
Das allerdings würde fatale Folgen haben, denn der Lebensraum Ostsee ist auf einen regelmäßigen Wasseraustausch mit der salzhaltigen Nordsee dringend angewiesen. Nur so können Flora und Fauna im Brackwasser überleben.
Ein empfindliches Gleichgewicht
Zwei Faktoren beeinflussen das empfindliche Gleichgewicht zwischen Süßwasser und Salzwasser:
- Der enorme Süßwasserzustrom von geschätzten 440 Kubikkilometer jährlich, der über die Flüsse in die Ostsee eingeleitet wird, sorgt für einen Wasserüberschuss in der Ostsee, der nur über den Sund in die Nordsee abfließen kann. Da die Temperatur der Gewässer unterschiedlich ist und das brackige Ostseewasser leichter ist als das schwerere, salzige Nordseewasser, entsteht ein Druckgefälle, das an der Oberfläche für einen Abfluss des Brackwassers aus der Ostsee und in der Tiefe für einen kontinuierlichen Einstrom von Salzwasser in die Ostsee sorgt.
- Die Salzwasserverteilung wird allerdings durch topografische Besonderheiten in der südwestlichen Ostsee behindert, wo Bodenschwellen (Darßer Schwelle) und Becken (Arkonabecken) den Salzwassereinstrom behindern. So gibt es eine deutlich von West nach Ost fortschreitende Abnahme in der Salzhaltigkeit des Wassers. Während in der Nordsee der durchschnittliche Salzgehalt bei etwa 3,5 Prozent liegt, beträgt er in der westlichen Ostsee nur rund 1,8 Prozent und im Finnischen Meerbusen weniger als 0,3 Prozent.
Gewaltige Salzwassereinbrüche
Es hat bei starken Westwinden immer wieder gewaltige Salzwassereinbrüche in die Ostsee gegeben. Bei dem bislang stärksten Einbruch gelangten im November und Dezember 1951 mit einem Schlag gut 200 Kubikkilometer Salzwasser aus der Nordsee in die Ostsee. Diese gewaltige Wassermenge sorgte für einen nachhaltigen Salzwasseraustausch und auch für eine Belüftung der tieferen Regionen.
Das frische Nordseewasser ist vor allem für das Überleben der Organismen wichtig, die im Nahrungsaufkommen und dem Reproduktionskreislauf eine entscheidende Rolle spielen.
Mit Sorge betrachten Meeresbiologen nun jedoch, dass diese großen Salzwassereinbrüche seit Mitte der 1970er-Jahre ausbleiben. Damit nimmt jenseits der sogenannten Darßer Schwelle die Salzkonzentration dramatisch ab und immer größere Bodenflächen werden aufgrund einer mangelhaften Belüftung zur toten Fläche, wo Flora und Fauna keine Überlebenschancen haben.
Quelle: SWR | Stand: 24.03.2020, 10:39 Uhr