Ebbe und Flut – der Einfluss des Mondes auf die Erde Planet Wissen 01:30 Min. Verfügbar bis 24.06.2029 WDR Von ZDF/Terra X plus/Bilderfest/Lena Paul/Tobias Bauer/Maximilian Rügamer/Tim Uhlendorf/Maximilian Heß, https://terraxplaincommons.zdf.de

Meer

Gezeiten – Ebbe und Flut

Ebbe und Flut werden auch "die Gezeiten" genannt. Es sind die natürlichen Wasserbewegungen der Ozeane. Aber wie genau entstehen Ebbe und Flut? Und wo treten sie am stärksten auf?

Von Katrin Ewert

Was sind Ebbe und Flut?

Wer schon einmal Urlaub an der Nordsee gemacht hat, weiß: Manchmal ist das Meer ganz nah am Strand, dann scheint das Wasser zu verschwinden und kehrt erst Stunden später zurück.

Dieses ständige Kommen und Gehen des Wassers ist bekannt als Ebbe und Flut – beide zusammen nennt man Gezeiten. Die Zeit, die von einer Ebbe zur nächsten vergeht, bezeichnen Wissenschaftler als Tide.

Seebrücke bei Flut | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER / Frederik
Seebrücke bei Ebbe | Bildquelle: IMAGO/Frank Röder

Wie entstehen Ebbe und Flut?

Die Ursache für dieses Naturschauspiel liegt darin, dass Mond und Sonne so genannte Anziehungskräfte besitzen. Das heißt: Sie ziehen das Wasser der Erde wie mit einem Magneten ein Stück zu sich hin.

Auf der Seite der Erde, die dem Mond zugewandt ist, zieht der Mond das Wasser der Ozeane durch seine Anziehungskraft an. Dadurch wölbt sich das Wasser nach außen und ein Flutberg entsteht.

Durch die Anziehungskräfte des Mondes entsteht ein Flutberg auf der mondzugewandten Seite – und ein zweiter auf der gegenüberliegenden Seite | Bildquelle: ZDF

Auf der gegenüberliegenden Seite entsteht ein zweiter Flutberg. Dafür gibt es zwei Erklärungsansätze: 

  1.  Einige Physiker erklären den zweiten Flutberg mit der Fliehkraft. Diese entsteht, weil sich Erde und Mond um einen gemeinsamen Schwerpunkt drehen (das so genannte Baryzentrum). Dabei wird das Wasser laut dieser Theorie auf der mondabgewandten Seite nach außen gedrückt – ähnlich wie Kirmesbesucher in einem Kettenkarussell.
  2. Andere Forscher sagen, dass die Fliehkraft keine bedeutende Rolle spielt. Sie gehen stattdessen davon aus, dass der zweite Wasserberg ebenfalls durch die Anziehungskräfte zwischen Mond und Erde entsteht. Diese wirken demnach auf die Erde als Ganzes etwas stärker als auf die Wassermassen auf der mondabgewandten Seite. Dadurch wölbt sich der zweite Wasserberg nach außen.

Gleichgültig welcher Erklärung man folgt: Es entstehen zwei gegenüberliegende Wasserberge, was der Form eines Footballs ähnelt.

An zwei Seiten der Erde entstehen Flutberge (high tide) und dadurch auch die Ebbe (low tide) | Bildquelle: picture alliance / Zoonar / Anastasiia Torianyk

 

Zusätzlich beeinflusst die Sonne die Gezeiten, denn auch sie besitzt Anziehungskräfte. Wenn Sonne und Mond in einer Linie stehen (bei Vollmond und Neumond), verstärken sich ihre Anziehungskräfte – es entstehen besonders hohe Fluten und starke Ebben. Diese starken Gezeitenunterschiede nennen Wissenschaftler Springtiden oder Springfluten.

Stehen Sonne und Mond im rechten Winkel zueinander, schwächen sich die Anziehungskräfte gegenseitig ab und es entstehen besonders schwache Fluten und Ebben – die sogenannten Nipptiden.

Wie lange dauern Ebbe und Flut?

Ebbe und Flut wechseln sich regelmäßig ab: Ungefähr 6 Stunden und 12 Minuten dauert es vom höchsten Punkt der Flut bis zum tiefsten Punkt der Ebbe.

Das liegt an den Bewegungen von Erde und Mond: Die Erde dreht sich einmal in 24 Stunden um die eigene Achse, gleichzeitig bewegt sich der Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde herum. Das führt dazu, dass sich die Abfolge von Ebbe und Flut jeden Tag um etwa 50 Minuten verschiebt.

An den meisten Küstenregionen lässt sich deshalb pro Tag zweimal die Ebbe und zweimal die Flut beobachten.

Ebbe und Flut in Deutschland

In Deutschland machen sich die Gezeiten besonders stark an der Nordsee bemerkbar. Dort gibt es große Unterschiede zwischen Ebbe und Flut. An Orten wie Cuxhaven, Sylt, Hooksiel, Wilhelmshaven und Norderney kann der Wasserstand um bis zu vier Meter steigen oder fallen.

Die starken Gezeiten an der Nordsee entstehen durch ihre geografische Lage: Die Nordsee ist zum Atlantischen Ozean hin geöffnet. Von dort aus kommen die Wassermassen bei Flut in die Nordsee und ziehen sich bei Ebbe wieder zurück.

Die Gezeiten formen die Küsten der Nordseeinseln – hier Borkum und Juist | Bildquelle: IMAGO/allOver-MEV

Im Gegensatz dazu ist die Ostsee ein fast geschlossenes Binnenmeer. Dort gibt es nur schwache Gezeiten, die man kaum bemerkt. Die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut in der Ostsee liegen je nach Ort nur bei 10 bis 30 Zentimetern.

Ebbe und Flut weltweit

Weltweit gibt es Gezeiten, aber nicht überall sind sie gleich stark. Im Mittelmeer gibt es kaum Ebbe und Flut, weil es ähnlich wie die Ostsee ein fast geschlossenes Meer ist.

Ähnlich verhält es sich am Schwarzen Meer: Auch dort sind die Gezeiten sehr gering ausgeprägt, weil es nur durch eine kleine Meerenge mit dem Mittelmeer verbunden ist.

Ebbe und Flut entstehen vor allem in großen, offenen Meeren wie dem Atlantik, wo die Anziehungskräfte von Mond und Sonne stärker wirken können. Der größte Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser (Tidenhub) findet sich in der Bay of Fundy an der kanadischen Atlantikküste. Dort betragen die Gezeitenunterschiede bis zu 16 Meter.

In vielen beliebten Urlaubsregionen, wie zum Beispiel Fuerteventura, Thailand, Bali oder Seychellen, beträgt der Tidenhub nur ein bis zwei Meter.

Wer die genauen Zeiten für Ebbe und Flut wissen möchte, sollte einen Blick in den Gezeitenkalender werfen – zum Beispiel auf der Website vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.

Sind die Gezeiten nützlich oder gefährlich?

Ebbe und Flut können für Menschen gefährlich werden: Beim Baden im Meer können die Wasserkräfte für starke Strömungen sorgen und Schwimmer zu weit ins Meer hinaus ziehen. Beim Wattwandern kehrt das Wasser manchmal schneller zurück als erwartet und schneidet den Rückweg zum Festland ab. Bei Sturmfluten kann das Wasser das Festland an der Küste abtragen und es kann zu Erdrutschen und Einstürzen von Häusern kommen.

Deshalb ist es wichtig, die Gezeiten richtig einzuschätzen. Badegäste sollten sich über die genauen Zeiten von Ebbe und Flut informieren. Wattwanderungen sollten nur mit einem erfahrenen Wattführer unternommen werden. Bei Sturmfluten sind Baden, Surfen und Wattwanderungen tabu.

An der Atlantikküste sind Ebbe und Flut besonders stark zu spüren | Bildquelle: AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAUL

Aber die Gezeiten erschaffen auch einen einzigartigen Lebensraum: Viele Tier- und Pflanzenarten wie Kegelrobben, Seeschwalben und Wattwürmer haben sich im Lauf der Evolution an das besondere Ökosystem des Wattenmeers angepasst. Das heißt: Ihre Körper sind auf den ständigen Wechsel eingestellt, dass ihr Lebensraum zweimal am Tag vom Salzwasser überspült wird und dann wieder trockenfällt.

Zudem sind Ebbe und Flut auch für Menschen nützlich: Sie können zur Energiegewinnung genutzt werden, etwa durch Gezeitenkraftwerke. Sie sind wichtig für die Fischerei, die Muschel- und Algenzucht (Aquakultur). Und sie können den nachhaltigen Tourismus fördern, indem sie Möglichkeiten für Wassersport, Wattwanderungen und Bildungsreisen bieten.

(Erstveröffentlichung 2025. Letzte Aktualisierung 02.04.2025)