
Rotes Meer
Moses und das Meerwunder
In der Bibel wird erzählt, wie Moses und sein Volk vor den Ägyptern fliehen. Am Ufer des Roten Meeres haben die Streitkräfte des Pharao sie fast eingeholt. Da hilft Gott seinem Volk durch ein Wunder: Er teilt das Meer.
Von Christina Lüdeke
Schilfmeer oder Rotes Meer?
Die Wasser des Meeres teilen sich, die Israeliten gelangen trockenen Fußes ans andere Ufer. Das ägyptische Heer dagegen ertrinkt in den Fluten.
Doch handelt es sich bei diesem im Alten Testament so eindringlich beschriebenen Gewässer tatsächlich um das Rote Meer? Moderne Bibelforscher haben hier zumindest Zweifel.
"Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister... [Er] ließ das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Israel zog wohlgeordnet aus Ägyptenland." (Exodus/2. Mose, Kapitel 13)
So heißt es in der Luther-Bibel. Die Rede ist also von einem "Schilfmeer", an dem sich später die dramatische Rettungsaktion abspielt. Sie wird im nächsten Kapitel so beschrieben:
"Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen... und machte das Meer trocken und die Wasser teilten sich. Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken."
Gott teilte also das Meer, um sein Volk zu retten, so das Alte Testament.
Immer wieder wird auch später innerhalb der Bibel diese Geschichte aufgegriffen, zum Beispiel in verschiedenen Psalmen. Im Alten Testament ist jedoch nach heutiger Lesart immer wieder von "Schilfmeer" oder allgemein von "Meer" die Rede, nicht vom "Roten Meer".
Historischer Übersetzungsfehler?
Dass trotzdem bis heute häufig vom Roten Meer als Schauplatz gesprochen wird, geht vermutlich auf das Konto der frühen Bibelübersetzer: Ab etwa 250 vor Christus wurde die Bibel zum ersten Mal durchgehend übersetzt, und zwar von ihrer Ursprungssprache Hebräisch in das damals gebräuchliche Altgriechisch.
Dabei wurde wohl, so vermuten Bibelforscher heute, der Begriff "Schilfmeer" einfach mit dem "Roten Meer" gleichgesetzt – so wie es den damaligen geografischen Vorstellungen entsprach.
Im Neuen Testament wird die Geschichte ebenfalls mehrfach zitiert. Im Gegensatz zum Alten Testament wird hier das "Rote Meer" tatsächlich zweimal direkt genannt, so zum Beispiel in der Apostelgeschichte:
"Dieser Mose führte sie heraus und tat Wunder und Zeichen in Ägypten, im Roten Meer und in der Wüste vierzig Jahre lang." (Apostelgeschichte, Kapitel 7)

Biblische Flüchtlinge: Moses und das Volk Israel
Mehrere Routen denkbar
Denkbar wären aber auch andere Orte. So fanden Archäologen acht Kilometer von der ägyptischen Stadt Faqus entfernt bei Ausgrabungen Hinweise darauf, dass dieser als Tell ed-Dab‘a bekannte Ort mit der biblischen Stadt "Ramses" (Exodus/2. Mose, Kapitel 1, Vers 11) identisch sein könnte.
Rund 35 Kilometer davon entfernt lag zur damaligen Zeit der Ballahsee, der heute zum Gebiet des Suezkanals gehört. Möglich wäre, dass einer Gruppe von Zwangsarbeitern aus der Stadt Ramses über das Gebiet des Ballahsees die Flucht gelang und dass die Geschichte um Moses darauf zurückgeht.
Eine andere Erklärungsvariante verweist auf den Sirbonischen See. Er lag im Nildelta und hatte an seinen Rändern tückischen Fließsand. Reisende, die sich nicht auskannten, konnten hier leicht in die Tiefe gezogen werden.
Zwei griechische Geschichtsschreiber, Diodor und Strabo, beschreiben die Tücken dieses Gewässers. Dort soll es auch noch bis in die römische Zeit hinein Seebeben gegeben haben, die zeitweise das Wasser im Haff ganz verschwinden ließen.
Auf die Kernaussage der biblischen Geschichte hat dies keinen Einfluss. Denn hier zählt nur, dass Gott Moses und sein Volk in der Not gerettet hat. An welchem Ort sich diese Rettung abgespielt hat, spielt dabei nur eine Nebenrolle.
(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 25.03.2020)
Quelle: WDR