Labormäuse in blau leuchtenden Käfigen

Tierschutz

Wann sind Tierversuche Pflicht?

Wie sinnvoll Tierversuche sind, darüber wird viel gestritten. Unbestreitbar ist: Manchmal sind Tierversuche laut Gesetz vorgeschrieben und damit Pflicht. Aber wann genau? Die Antwort ist gar nicht so einfach.

Von Annika Franck

Verschiedene Gesetze regeln Vorschriften für Tierversuche

Dass Tierversuche in der Grundlagenforschung und auch der angewandten Forschung stattfinden, ist für die meisten Menschen nicht überraschend. Darüber hinaus sind in vielen Fällen Tierversuche zu so genannten regulatorischen Zwecken vorgeschrieben.

Eine Aufzählung der Fälle, wann dies gesetzlich gefordert wird, ist kompliziert und unübersichtlich. Unterschiedliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien regeln die Vorschriften für Tierversuche auf EU- und nationaler Ebene:

  • Arzneimittelgesetz
  • Europäisches Arzneimittelbuch
  • Verordnung über Medizinprodukte
  • Infektionsschutzgesetz
  • Tierseuchengesetz
  • Chemikaliengesetz
  • Gentechnikgesetz
  • Pflanzenschutzgesetz
  • Verordnung über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte
  • Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz
  • Verordnung über Detergenzien (dazu zählen beispielsweise Waschmittel)

Im Grundsatz geht es vor allem darum, dass bestimmte Stoffe aus Sicherheitsgründen zunächst am Tier getestet werden, bevor Menschen mit ihnen in Kontakt kommen. Wie aussagekräftig diese Ergebnisse sind, ist umstritten.

Eine graue Labormaus wird am Schwanz von einer behandschuhten Hand festgehalten

Die rechtliche Lage ist unübersichtlich

Pflicht bei Medikamenten und neuen Wirkstoffen

Einige Beispiele zeigen, wie sich die rechtlich komplexe Situation in der Praxis auswirkt.

Vorgeschrieben sind Tierversuche etwa bei der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln. Wenn also Impfstoffe und neue Medikamente zur Behandlung von Krankheiten wie Krebs entwickelt werden, müssen diese Wirkstoffe in der vorklinischen Phase am Tier getestet werden – bevor am Menschen getestet werden darf.

Für Arzneimittelproduzenten sind Tierversuche in diesem Fall auch ein Weg, um sich gegen Risiken abzusichern: Kommt es zu Zwischenfällen oder unerwünschten Nebenwirkungen bei menschlichen Patienten, ist der Hersteller nicht haftbar, wenn zuvor tierexperimentelle Studien durchgeführt wurden.

Große Bandbreite

Vorgeschrieben sind Tierversuche auch für chemische Stoffe. Sie müssen laut Chemikalien-Gesetz (REACH-Verordnung) an Tieren getestet werden, bevor sie in Kontakt mit Menschen und auf den Markt kommen. Dabei geht es etwa um Flammschutz- oder Lösungsmittel, Weichmacher und Konservierungsstoffe und Industriechemikalien.

Auch Biozide und Pflanzenschutzmittel müssen an Tieren getestet werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Mittel, die – außerhalb der Landwirtschaft – zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden: Desinfektionsmittel etwa, Holzschutzmittel und Rattengifte.

Wenn Waschmitteln neue Stoffe zugesetzt werden, müssen sie am Tier auf ihre Giftigkeit getestet werden. Das gilt generell für neue Stoffe, die mit Menschen in Kontakt kommen. Darunter fallen beispielsweise auch neue Inhaltsstoffe in Lebensmitteln oder neue Materialien, die in Implantaten verwendet werden sollen.

Frau bei Gartenarbeit mit Gartenhandschuhen und mit Gefäß für Pflanzenschutzmittel.

Auch Schädlingsbekämpfungsmittel für den Garten müssen an Tieren getestet werden

Zudem gibt es Bereiche, in denen nicht eindeutig geregelt ist, ob Tierversuche Pflicht sind. Ein Beispiel dafür ist die Ausbildung. Beim Studium der Medizin oder der Biologie sind Tierversuche zwar nicht generell gesetzlich vorgeschrieben. Auch die Approbationsordnung für Ärzte sieht nicht vor, dass angehende Mediziner Tierversuche durchgeführt haben müssen.

Aber bei einigen Schwerpunkten, etwa in der Facharztausbildung (zum Beispiel in der Toxikologie) und auch an einigen Ausbildungsstätten, sind Tierversuche sehr wohl vorgeschrieben.

Bei Kosmetika gibt es ein Hintertürchen

Viele Kosmetik-Hersteller werben damit, dass ihre Produkte ohne Tierversuche hergestellt werden. Grundsätzlich ist das keine Besonderheit, denn Tierversuche für Kosmetika sind EU-weit verboten.

Teilweise können Kosmetika aber dennoch Substanzen enthalten, die an Tieren getestet wurden. Etwa wenn sie neue chemische Bestandteile oder Wirkstoffe enthalten, die unter die REACH-Verordnung (für Tests bei Chemikalien) fallen. Diese Chemikalien müssen dann – so ist es gesetzlich vorgeschrieben – an Tieren getestet werden.

Mehrere Lippenstifte in goldfarbenen Lippenstift-Hülsen

Eigentlich sind Tierversuche für Kosmetika in der EU verboten

UNSERE QUELLEN

  • Martin Schleinhege, Informationsinitiative der Wissenschaft: "Tierversuche verstehen"
  • Dr. Gaby Neumann, Ärzte gegen Tierversuche e.V.
  • Prof. Gilbert Schönfelder, Bundesamt für Risikobewertung

(Erstveröffentlichung: 2020. Letzte Aktualisierung 23.07.2020)

Quelle: WDR

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