Ein liegender und ein stehender Wolf

Wildtiere

Wölfe in Deutschland

Mehr als hundert Jahre lang gab es keine Wölfe in Deutschland. Doch seit Beginn der 2000er-Jahre kehrt der Wolf zurück. Heute leben rund 1300 Wölfe in Deutschland.

Von Ingo Neumayer

Ausgerottet im 19. Jahrhundert

Der Wolf war jahrhundertelang das meistverbreitete Raubtier in Deutschland. Besonders in den östlichen Gebieten des Landes streiften viele Wolfsrudel durch die Wälder – und wurden gnadenlos gejagt.

Schon zu Zeiten von Kaiser Karl dem Großen Anfang des 9. Jahrhunderts wurden die ersten Treibjagden organisiert. Die wachsende Landwirtschaft und Viehhaltung sowie der Mythos vom "bösen Wolf" trugen dazu bei, dass die Wölfe in Deutschland nach und nach ausgerottet wurden.

Um 1850 gab es praktisch keine frei lebenden Wölfe mehr. Vereinzelt auftauchende Exemplare wie der "Tiger von Sabrodt", der 1904 in der Lausitz erschossen wurde, waren vermutlich aus Wildparks, Zoos oder Zirkussen ausgebrochen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg verirrten sich manchmal vereinzelte Wölfe nach Deutschland, doch sie wurden alle überfahren oder erschossen.

Illustration aus einem Märchenbuch: Ein Mädchen mit einem Korb in der Hand steht neben einem Wolf

Der Wolf spielt seit Jahrhunderten in Märchen eine Rolle

Über die Elbe nach Sachsen

1990 wurde der Wolf in Deutschland unter Naturschutz gestellt: Er durfte also nicht mehr gejagt werden, seine Bauten und Rückzugsorte durften nicht betreten werden. Eine Entscheidung, die schnell Wirkung zeigte: Ende der 1990er-Jahre wurden in Sachsen die ersten frei lebenden Wölfe in Deutschland seit hundert Jahren beobachtet. Sie waren offenbar aus Polen über die Elbe gelangt und ließen sich auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz nieder.

Zwei Jahre später wurde dort Nachwuchs gesichtet – höchstwahrscheinlich die ersten in Freiheit geborenen Wolfsjungen seit mehr als hundert Jahren. Seitdem werden dort jedes Jahr neue Welpen geboren und aufgezogen.

Inzwischen leben in Deutschland 184 Wolfsrudel, 47 Paare und weitere 22 Einzeltiere (Stand April 2023). Das hat das Bundesumweltministerium bekannt gegeben. Insgesamt sind es etwa 1300 Tiere und damit rund fünfmal so viele wie noch 2018.

Illegaler Abschuss im Westerwald

Die Zahl der Wölfe wächst nicht nur im Osten, auch der Rest Deutschlands zählt zum Verbreitungsgebiet. Wölfe legen teilweise enorm lange Strecken zurück: Bei Tieren, die mit Sendern ausgestattet waren, wurden Wanderstrecken von bis zu 1500 Kilometern gemessen. Nachdem inzwischen in allen östlichen Flächenbundesländern Wölfe heimisch sind, findet die Ausbreitung weiter in Richtung Westen statt.

Auch in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen wurden Tiere gesichtet. In der Lüneburger Heide bekam ein Wolfspaar 2012 Nachwuchs, und auch im Emsland, kurz vor der holländischen Grenze, wurden Spuren eines Einzelwolfes entdeckt.

"Wölfe brauchen keine Wildnis, sondern sie können sich auch in unserer Kulturlandschaft sehr rasch ausbreiten und an die unterschiedlichsten Lebensräume anpassen", so Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN).

Nicht bei allen ist der Wolf beliebt: 2012 erschoss ein Jäger im rheinland-pfälzischen Westerwald einen Wolf, der aus einer italienischen Population stammte. Der Schütze gab an, er habe den Wolf für einen wilden Hund gehalten. 2013 wurde er vom Amtsgericht Montabaur zu einer Geldstrafe von 3500 Euro verurteilt, außerdem wurde ihm sein Jagdschein entzogen.

Gefahren für den Wolf: Verkehr und Vorbehalte

Zumindest von den Platzverhältnissen her könnte es hier noch weit mehr Wölfe geben: Laut einer BfN-Studie aus dem Jahr 2009 bietet Deutschland Lebensraum für mehr als 400 Wolfsrudel.

Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass sich tatsächlich so viele Tiere hier ansiedeln werden. Ein Problem dabei ist der Straßenverkehr, dem viele Wölfe zum Opfer fallen.

Zudem gibt es immer wieder illegale Abschüsse von Wölfen. Der Abschuss eines solch seltenen Raubtieres steigert in manchen Kreisen das Ansehen des Schützen. Da Wölfe bevorzugt Rehe und Wildschweine jagen, werden sie von manchen Jägern zudem als Konkurrenz gesehen.

Auch werden Befürchtungen geäußert, dass durch ein Anwachsen der Wolfspopulationen die Bestände ihrer Beutetiere stark sinken könnten. Aktuelle Studien verneinen diese These allerdings. Beim NABU wird stattdessen der Wert des Wolfes für die Regulation im Wald betont. Wölfe könnten im Gegensatz zu Jägern viel besser schwache und kranke Tiere erlegen und so die natürliche Selektion befördern.

Die Halter von Schafen und Ziegen haben ebenfalls Vorbehalte gegen die Rückkehr der Wölfe. Allerdings haben Studien gezeigt: Weniger als ein Prozent der Beutetiere von Wölfen waren Nutztiere.

Durch Zäune oder Herdenschutzhunde lassen sich Wölfe abschrecken. Und falls doch einmal ein Nutztier gerissen wird, gibt es finanzielle Entschädigungen. 2018 gab es in Sachsen 170 Fälle, bei denen Wölfe Schafe oder Ziegen töteten – die Mehrheit der Tiere war allerdings nicht oder nicht ausreichend geschützt.

Kaum Zwischenfälle mit Menschen gemeldet

Auch Wanderer und Waldspaziergänger machen sich manchmal Sorgen wegen der Rückkehr der Wölfe. Allerdings: Seit Wölfe wieder in Deutschland heimisch sind, wurden kaum Zwischenfälle, geschweige denn ein Angriff auf Menschen registriert. Wölfe sind sehr scheu und meiden in der Regel den Kontakt mit Menschen.

Sollte man dennoch bei einem Spaziergang einem Exemplar begegnen, heißt es: Ruhe bewahren. Wenn sich der Wolf wider Erwarten nähert, kann er mit lautem Rufen und Klatschen oder dem Werfen von Gegenständen vertrieben werden.

Auf keinen Fall soll man die Tiere streicheln oder füttern. Dadurch verlieren sie die Scheu vor Menschen und könnten dann tatsächlich gefährlich werden.

Der Mythos des bösen Wolfs, der im Wald Menschen angreift, stammt wahrscheinlich aus einer Zeit, als die Tollwut weit verbreitet war und infizierte Tiere tatsächlich ab und zu auf Menschen losgingen. Diese Angst muss man heute allerdings nicht mehr haben. Seit 2008 gilt die Tollwut in Deutschland als ausgerottet.

(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 26.09.2024)

Quelle: WDR

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