Atomenergie
Wie Strahlen auf den menschlichen Körper wirken
Strahlung begegnet uns ständig und überall, von der Sonne bis zur Mikrowelle oder dem Sendemast. In einigen Regionen senden selbst Gesteine Strahlung aus, weil sie Spuren von radioaktiven Elementen enthalten.
Von Andrea Wengel und Lothar Nickels
Auf die Dosis kommt es an
Schützen müssen wir uns, wenn die Strahlung zu intensiv ist, denn dann kann sie unseren Körper nachhaltig schädigen oder sogar tödlich sein. Gleichzeitig macht sich die Medizin genau solche "gefährlichen" Arten der Strahlung zunutze.
Die ultraviolette Strahlung des Sonnenlichts ist eine ionisierende Strahlung, das heißt: Sie kann Elektronen aus Atomen oder Molekülen entfernen. Auf unseren Stoffwechsel und unser Immunsystem wirkt sich diese ultraviolette Strahlung positiv aus: Der Körper wird mit Vitamin D versorgt und die Laune steigt.
Aber spätestens beim ersten Sonnenbrand auf der Haut merken wir, dass wir zu viel des Guten abbekommen haben. Verantwortlich dafür sind vor allem die kurzwelligeren und damit energiereicheren UVB-Strahlen. Je nach Dauer und Intensität der Strahlen werden vermehrt "Freie Radikale" freigesetzt, die Hautzellen schädigen und sogar Krebs verursachen können.
Freie Radikale
Freie Radikale sind sehr reaktionsfreudige Moleküle oder Atome, die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen enthalten. Stabilität erlangen sie, indem sie anderen hauteigenen Molekülen das fehlende Elektron entziehen. Die Schäden, die dadurch entstehen, können sogar unser Erbgut verändern.
Grundsätzlich ist aber die Bildung freier Radikale ein völlig normaler und auch notwendiger Prozess, der andauernd im menschlichen Körper stattfindet. Er zeigt an, dass unser Immunsystem aktiviert wird, um beispielsweise auf eine Entzündung reagieren zu können.
Problematisch werden freie Radikale also nur dann, wenn zu viele davon entstehen. Auslöser sind neben Alkohol, Rauchen und Stress auch Umwelteinflüsse – also zum Beispiel Strahlung, der wir uns aussetzen, beim übermäßigen Gebrauch elektronischer Geräte oder beim Sonnenbad.
Wenn Radon ins Gebäude dringt
Eine andere ionisierende Strahlung kommt aus dem Erdboden. Dabei handelt es sich um Radon. Das radioaktive Edelgas entsteht, wenn in Granitgestein enthaltenes Uran zerfällt. Es verteilt sich erst in den Spalten und Poren des Erdreichs und steigt schließlich nach oben.
Im Freien vermischt es sich mit der Luft und hat somit nur noch eine geringe Konzentration. Anders sieht es aus, wenn Radon aus den unteren Gesteinsschichten in das Fundament von Gebäuden eindringt. Durch winzige Risse im Beton kann das Gas weiter in die Kellerräume einströmen und sich dort in gesundheitsgefährdender Konzentration ansammeln.
Den Weg in die darüber gelegenen Wohnräume macht es über Treppen, Rohrleitungen und kleine Risse im Mauerwerk oder Geschossdecken. Je höher das Edelgas allerdings nach oben steigt, desto mehr mischt es sich mit der Außenluft, das heißt, seine Konzentration nimmt ab.
Dennoch kann es für die Bewohner gefährlich werden, wenn sich Radon in der Raumluft einer kompletten Etage angesammelt hat. Durch Einatmen gelangt es in die Lunge. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum, steigt das Risiko einer Lungenkrebserkrankung.
Gefährliche Strahlung
Auch die Gammastrahlung, die beim Zerfall vieler radioaktiver Elemente entsteht, zählt zur ionisierenden Strahlung. Geht sie durch unseren Körper, wird ein Teil dieser Strahlungsenergie von den Molekülen der Zelle aufgenommen.
Dadurch werden Elektronen aus den Molekülen oder Atomen herausgeschlagen, es findet eine Ionisation statt. Aggressive freie Radikale entstehen. Wird das Erbgut der Zelle geschädigt, kann es in der Folge zur Entstehung von Krebs kommen. Oder aber die Zelle verliert ihre Fähigkeit, sich zu teilen, und stirbt ab.
Bei massenhaftem Absterben von Zellen eines bestimmten Organs verliert dieses seine Funktion. Dabei weisen die verschiedenen Gewebearten eine unterschiedliche Strahlungssensibilität auf.
Je höher die Strahlendosis ist, die auf den Organismus wirkt, desto schwerer die Schäden. Sie reichen von Hautschäden, Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Blutarmut, Schwindel, Haarausfall und Unfruchtbarkeit – und können schließlich auch zum Tod führen.
Ionisierende Strahlung in der Medizin
Schon seit Langem nutzt die Medizin die hochenergetischen Strahlen zur Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion, entzündeten Gelenkschleimhäuten oder auch von verschiedenen Krebsformen.
Gängig in der nuklearmedizinischen Therapie ist der Einsatz von Isotopen, zum Beispiel bei der Radio-Jod-Therapie. Sie wird bei einer gutartigen Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt, ebenso wie bei Schilddrüsenkrebs.
Bei einer Krebserkrankung wird zunächst die Schilddrüse entfernt. Da die im Körper verteilten Metastasen oder Krebszellen ebenfalls aus Schilddrüsengewebe bestehen, lassen sie sich mit dem radioaktiven Jod-131 gut behandeln.
Jod spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechsel der Schilddrüse und wird deshalb auch von den Krebszellen weiter aufgenommen. Die Betastrahlung wirkt lokal auf das Erbgut der Tumorzellen und verhindert so die Zellteilung, was zum Absterben der Zellen führt.
Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) setzt eine besonders starke Waffe im Kampf gegen bösartige Tumore ein. Anders als in der konventionellen Strahlentherapie, in der Tumore Röntgen- oder Gammastrahlen ausgesetzt werden, kommt hier die Ionenstrahlung zum Einsatz.
Die Ionenstrahlung besteht entweder aus Protonen (positiv geladenen Kernen von Wasserstoffatomen) oder Schwerionen (positiv geladenen Kernen von Kohlenstoff-, Sauerstoff- oder Heliumatomen). Damit können auch tief im Körper liegende Tumore mit der nötigen Energie erreicht werden, um diese zu zerstören.
Durch die hohe Präzision der Bestrahlung wird das umliegende gesunde Gewebe geschont. Die Ionenstrahl-Therapie konnte seit Bestehen des HIT in Heidelberg bereits sehr erfolgreich bei verschiedenen Krebsarten eingesetzt werden.
Quelle: SWR | Stand: 27.10.2020, 12:00 Uhr