Ein improvisiertes Projekt
Aus einer Laune heraus gedreht, verhalf "Easy Rider" den Drehbuchautoren und Hauptdarstellern Peter Fonda, Dennis Hopper und Jack Nicholson sowie der Band "Steppenwolf" zum großen Durchbruch. Bis heute ist der Kult um das erste wirkliche Roadmovie ungebrochen.
1967 treffen sich Dennis Hopper und Peter Fonda beim gemeinsamen Dreh zum Film "The Trip" von Roger Corman. Hier entsteht die Idee zu einem gemeinsamen Projekt über die verloren gegangenen Ideale der Hippiekultur. Beide haben schon vorher, ebenso wie Jack Nicholson, diverse Motorrad- und Actionfilme gedreht. Die Popularität solcher Filme soll ihnen als Sprungbrett für ein ganz anderes, persönliches und gesellschaftskritisches Werk dienen.
Die Handlung für den Film liefert ihnen eine wahre Begebenheit: Irgendwo in den Südstaaten der USA sind in den 1960er-Jahren zwei Motorradfahrer von Einheimischen grundlos erschossen worden. Das Grundgerüst für die Story schreiben Hopper und Fonda schnell nieder.
Ein richtiges Drehbuch wird es nie geben. Der gesamte Film wird improvisiert. Man überlegt sich von Tag zu Tag, was als nächstes in den Kasten soll. Statisten werden vor Ort engagiert, als Kulisse dienen die eindrucksvollen Landschaften Amerikas. Regie führt Hopper selbst, den Soundtrack stellt Fonda aus seinen Lieblingsliedern zusammen.
Ein improvisiertes Meisterwerk mit Jack Nicholson (links) und Peter Fonda
Zwei Outlaws auf der Suche nach Freiheit
Die Handlung der Geschichte ist schnell erzählt: Die Protagonisten Wyatt (Peter Fonda) und Billy (Dennis Hopper) verkaufen in Los Angeles aus Mexiko eingeschmuggeltes Kokain an einen Drogendealer. Mit dem schnell verdienten Geld machen sie sich mit ihren selbst gebastelten Choppern auf die Reise quer durch Amerika.
Ziel soll der "Mardi Gras" sein, der Karneval von New Orleans. Auf ihrem Weg werden sie von einer gastfreundlichen Farmerfamilie aufgenommen, machen Halt in einer Hippie-Kommune in den Bergen New Mexicos und werden schließlich in Las Vegas wegen unerlaubter Teilnahme an einer Parade ins Gefängnis gesteckt.
Dort treffen Billy und Wyatt auf den heruntergekommenen, aus reichem Hause stammenden Anwalt George Hanson (Jack Nicholson), der ihnen aus dem Gefängnis hilft und sich den beiden anschließt. Sie fahren ein Stück gemeinsam durch die Südstaaten, bis sie in einer namenlosen Kleinstadt ankommen.
Dort werden die drei in einem Café vom Sheriff und einigen Stadtbewohnern angepöbelt und nicht bedient. Sie beschließen, im Freien zu übernachten und werden im Schlaf von den Bewohnern der Kleinstadt überfallen und verprügelt.
Hanson bezahlt die Prügel mit seinem Leben, Billy und Wyatt können mit ein paar Blessuren entkommen. Sie landen schließlich in New Orleans, wo sie unter erheblichem Drogen- und Alkoholeinfluss den "Mardi Gras" mit zwei Prostituierten feiern.
Am abendlichen Lagerfeuer müssen sich Billy und Wyatt jedoch desillusioniert eingestehen, dass weder Drogen und Sex noch Geld ihnen die erhoffte Freiheit verschaffen können. Sie fahren ziellos weiter und werden am nächsten Tag von einem Pickup aus auf ihren Motorrädern erschossen.
Der Freiheit entgegen
Das Abbild Amerikas
Der gesamte Film ist gespickt mit Symbolen und Anspielungen auf die amerikanische Tradition und Gesellschaft. Die Namen der beiden Protagonisten sind den beiden amerikanischen Western-Legenden Billy the Kid und Wyatt Earp entlehnt.
Die beiden modernen einsamen Cowboys Hopper und Fonda "reiten" auf ihren Motorrädern den Idealen der Freiheit hinterher. Auf ihrer Kleidung und auf den Motorrädern sind zahlreiche Symbole der amerikanischen Kultur abgebildet.
So versteckt Wyatt das Drogengeld in seinem Tank, den die amerikanische Flagge ziert. Eine Anspielung auf die Werte, die sich in den USA der 1960er-Jahre unter dem Deckmantel des Patriotismus verstecken.
Auf ihrer Reise durch das Land treffen sie auf einige Personen, die Eigenschaften der uramerikanischen Gesellschaft widerspiegeln. Der Farmer, der mühsam sein Ackerland bestellt und die beiden Außenseiter zu einem festlichen Gastmahl einlädt.
Oder die Landkommune aus ausgestiegenen Hippies, die trotz einer Missernte die Hoffnung nicht aufgibt und für reiche Ernte betet. Die beiden Szenen stehen für den amerikanischen Pioniergeist der ersten Siedler, der teilweise noch zu erkennen ist, als Lebensmodell für das 20. Jahrhundert jedoch deplatziert und naiv wirkt.
Das "wirkliche" Amerika stellt sich anders dar. Die Kleinstädte sind voll von intoleranten Spießbürgern, die andere Lebensformen nicht dulden und zur Verteidigung ihrer konservativen Werte sogar vor Mord nicht zurückschrecken. Der desillusionierte Alkoholiker George Hanson alias Jack Nicholson muss dies am eigenen Leib feststellen.
Wer anders leben will, begibt sich auf gefährliches Terrain. Auch die im Untergang begriffene Hippiebewegung bekommt ihr Fett weg. Durch immer stärkere Drogen- und Alkoholexzesse verlieren die Hippies zunehmend ihre friedliche Kultur und werden Teil der spießbürgerlichen, von Gewalt geprägten amerikanischen Gesellschaft.
Hopper und Fonda zeichnen ein Bild von Amerika, das in gleichem Maße wunderschön wie erschreckend ist. Die großartigen Landschaften sind die gleichen geblieben, nur die Menschen haben sich grundlegend zum Negativen verändert. Amerika ist nicht mehr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der Toleranz und der freien Gesellschaft.
Dennis Hopper (links) – Autor, Hauptdarsteller und Regisseur
Falsch verstandener Kult
Als der Film 1969 in die Kinos kommt, sind die Zuschauer begeistert: Einen derartigen Film hat es noch nicht gegeben. Die Art und Weise der Dreharbeiten ist neuartig und experimentell, ebenso die Einbindung der Musik. Es wird kein spezieller Soundtrack für den Film geschrieben, sondern die einzelnen Szenen werden mit der Musik der damaligen Generation unterlegt.
Es entsteht ein Mythos um eine Motorrad fahrende Flower-Power-Bewegung und ihre Chopper. Zahlreiche Fans basteln danach an ihren eigenen Motorrädern herum, um ebenso coole Chopper wie die Protagonisten zu fahren. Indirekt hilft der Film damit auch der angeschlagenen Motorradmarke "Harley-Davidson" wieder auf die Beine.
Das Publikum schafft sich eine eigene Romantik des Films, unterstützt durch die Bilder und nicht zuletzt die Songs. "Easy Rider" wird häufig als der bedeutendste Film der Hippiekultur beschrieben. Bis heute gilt das Lied "Born to be Wild" als einer der Schlüsselsongs der Hippiebewegung und darf auf keiner anständigen Biker-Fete der Welt fehlen. Viele Motorradfahrer träumen immer noch davon, einmal wie Billy und Wyatt durch die Weiten Amerikas zu fahren.
Im Gegensatz zur Auffassung des Publikums wollten Hopper und Fonda jedoch genau das Gegenteil beschreiben: Die Hippiekultur ist dem Ende nah und hat keine Ideale mehr, der amerikanische Traum von der Freiheit ist geplatzt. So schön und weit das Land auch ist, die Freiheit wird man in dieser amerikanischen Gesellschaft nicht mehr finden.
Der Name "Easy Rider" ist das beste Beispiel für die oft falsch verstandene Intention des Films. Gemeint ist nicht der "leichte Ritt" durch die grandiosen Landschaften Amerikas auf der Suche nach einem neuen Lebensgefühl. Ein "Easy Rider" ist der Geliebte einer Hure, der für die Liebesdienste nicht bezahlen muss. Peter Fonda fasste den Sinn des Films in einem Interview einmal treffend zusammen: "In Amerika ist die Freiheit zur Hure geworden; und wir alle versuchen es mit dem 'Easy Ride'."
Bis heute "Born to be Wild"
(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 01.02.2021)
Quelle: WDR