Die geheimnisvollen Schächte der Cheops-Pyramide
Anders als ihre Nachbarn, die Chephren- und die Mykerinos-Pyramide, hat die Cheops-Pyramide nicht nur eine Grabkammer, sondern drei. Hinzu kommt eine große Zahl von Gängen und weiteren Kammern.
Das Innere vieler Pyramiden ist recht verzweigt. Viele Wege führen offenbar ins Nichts und enden plötzlich vor einer Wand. Aufgrund des gewaltigen Volumens und der massiven Bauweise der Pyramiden können sich auch hinter den bekannten Gängen weitere Stollen verbergen, die bis heute nicht entdeckt wurden.
Die geheimen Stollen der Pyramiden sind unter anderem entstanden, weil die Architekten während des Bauens ihre Pläne änderten. Die unnötigen Stollen wurden dann einfach mit Blöcken zugebaut.
Andere geheime Stollen wurden bewusst versteckt, da sie zu Schätzen oder auch zur letzten Ruhestätte eines Pharaos führen.
Rekonstruktion der Anlage von Gizeh von U. Hölscher
Mit einem unendlichen Einfallsreichtum und technischer Raffinesse ließen sich die Ingenieure im alten Ägypten Mechanismen einfallen, um ganze Teile der Pyramide so abzuschotten, dass ein ahnungsloser Besucher an vielen Stellen nicht mal weitere Kammern vermuten würde.
Diese Sicherheitsmaßnahmen sollten die Ruhe des Pharaos und dessen Reichtümer über die Jahrtausende vor Grabräubern schützen. Die sogenannten Entlüftungsschächte der Cheops-Pyramide geben den Forschern bis heute Rätsel auf. Sie sind so schmal gebaut, dass man nur mit Hilfe von Robotern eine Kamera einführen kann.
Im Jahr 2002 brachen Forscher mit einer solchen Maschine durch eine Absperrung in einen der vier Luftschächte. Die Enttäuschung über das Ergebnis des international live im Fernsehen übertragenen Spektakels war groß: Hinter der aufgebrochenen Wand stieß der Roboter auf eine neue Wand.
Schwierige Forschung
Nur in der Cheops-Pyramide sind bislang Entlüftungsschächte gefunden worden. Von der Königs- und der Königinnenkammer gehen jeweils zwei der 20 mal 20 Zentimeter kleinen Schächte ab. Alle vier Schächte verlaufen erst waagerecht und steigen dann an.
Die beiden Schächte der Königskammer wurden schon 19. Jahrhundert entdeckt. Sie führen direkt zum Äußeren der Pyramide und waren nicht versteckt.
Vom Inneren der Königinnenkammer aus konnte man die beiden Schächte nicht sehen. Sie lagen versteckt unter der Verkleidung der Kammerwände und wurden im Jahre 1872 entdeckt. Sie gelten als besonders geheimnisvoll, da sie auch mit Einsatz modernster Technik bis heute nicht komplett erforscht werden konnten.
Wieviele geheime Gänge gibt es in den Gizeh-Pyramiden?
Blockierstein oder Mundöffner?
Im Jahr 1993 bat die ägyptische Regierung den deutschen Ingenieur Rudolf Gantenbrink, die Gänge weiter zu erforschen. Sie wollten Frischluft mit Ventilatoren durch die Entlüftungsschächte leiten. Dies funktionierte bei den Öffnungen zur Königskammer problemlos.
Die Schächte zur Königinnenkammer schienen jedoch verschlossen. Der Forschungsroboter konnte nur wenige Meter in den Nordschacht eindringen, bis ihm der Weg durch Metallstäbe versperrt wurde. Es waren verkeilte Vermessungsstangen, die ein früherer Forscher zurückgelassen hatte.
Auch der Südschacht war nur die ersten 64 Meter befahrbar, bis der Kameraroboter auf einen Steinblock stieß. 2002 gelang es einem anderen Roboter, die Blockierung zu durchbrechen und einen neuen Blockierstein mit zwei Kupfergriffen freizulegen.
Was verbirgt die Cheops-Pyramide noch?
Der neu entdeckte Blockierstein spornt seitdem die Phantasie der Archäologen weltweit an: Was bedeuten die beiden Kupfergriffe? Sind es lediglich Griffe, die für den Transport angebracht wurden?
Oder sind es sogenannte Mundöffner, die im Totenritus der Ägypter dazu dienten, der Mumie des Königs den Mund aufzuhalten, damit er auch im Jenseits atmen und in den Himmel aufsteigen kann?
Die einzig wirklich neue Erkenntnis, die der Roboter liefern konnte, ist, dass die Lüftungsschächte schon während des Baus der Pyramide installiert wurden.
Der Direktor des "Deutschen Archäologischen Instituts" glaubt bei allem Respekt vor den genialen Bauherren der größten Pyramide von Gizeh nicht daran, dass die Ägypter in der Lage gewesen seien, solche langen und dünnen Gänge im nachhinein in den Stein zu treiben. Dies sei selbst mit der heutigen Technik äußerst schwierig.
Der Weg in die Ewigkeit
Auch von der anderen Seite wird gesucht. Da die Schächte der Königskammer am Pyramidenäußeren enden, vermuten Experten, dass auch die Schachtausgänge von der Königinnenkammer irgendwo versteckt unter der Oberfläche der Pyramide liegen. So will man nach und nach das Geheimnis der Pyramide lüften.
Doch solange man nicht weiß, was hinter den Absperrungen in den Schächten liegt, bleibt auch unklar, welche Funktion sie erfüllen sollten.
Soviel ist jedenfalls sicher: Der Name "Entlüftungsschächte" ist irreführend, da die einbalsamierten Pharaonen ja gerade vor der Luft geschützt und nicht optimal belüftet werden sollten.
Napoleon in einer Grabkammer der Cheops-Pyramide
Mittlerweile gilt es als am wahrscheinlichsten, dass die Schächte gebaut wurden, damit die Seele des Pharaos senkrecht in den Himmel aufsteigen konnte. Belegt werden kann diese Theorie jedoch nicht.
Einige Forscher bemängeln allerdings, dass immer dann, wenn keine Erklärung für Phänomene aus altägyptischen Kultur gefunden werden kann, die Mythologie als Erklärung herhalten muss.
Viele Ägyptologen glauben inzwischen, dass die entdeckten Gänge aus statischen Gründen angelegt wurden und halten Mutmaßungen über weitere Grab- und Schatzkammern für unsinnig.
(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 10.06.2016)
Quelle: WDR