Politische Weichenstellungen
Im Sommer 1941 marschiert die deutsche Wehrmacht auf Befehl Hitlers in die Sowjetunion ein. In London beraten währenddessen die Exilregierungen von Polen und der Tschechoslowakei über die politische Neuordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Polen und die Tschechoslowakei fordern erhebliche Grenzkorrekturen zum Nachteil des Deutschen Reiches. Zudem wird bereits 1941 der Beschluss gefasst, alle in Polen und der Tschechoslowakei lebenden Deutschen zu entfernen.
Deutsche Kriegsgefangene
Die Konferenz von Teheran
Auf der Konferenz von Teheran im November 1943 werden dann Entscheidungen getroffen, die vor allem für die deutsche Zivilbevölkerung in den Ostgebieten bei Kriegsende dramatische Folgen haben werden.
In der iranischen Hauptstadt erörtern die alliierten Großmächte den Vormarsch auf das Deutsche Reich. Besonders der sowjetische Diktator Josef Stalin und der britische Premier Winston Churchill unterhalten sich über Politik, wie der Sohn des amerikanischen Präsidenten Roosevelt später berichtet.
Die Sowjetunion pocht auf die Verkürzung der westlichen Grenzen zu Deutschland, um diese in künftigen Kriegen leichter gegen Deutschland zu verteidigen. Stalin will nicht nur die Zerschlagung des NS-Regimes.
Kein Volk hat so viele Menschen im Zweiten Weltkrieg verloren wie die Russen. Stalin fordert Genugtuung und Reparationen. Vor allem aber will er seine Kriegsbeute behalten: die annektierten ostpolnischen Gebiete, die er im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes seit 1939 erobert hat. Der Diktator will zudem sein Einflussgebiet Richtung Westen vorantreiben.
Stalin will seine Kriegsbeute behalten
Drei Streichhölzer
Churchill signalisiert Entgegenkommen. Mit drei symbolischen Zündhölzern demonstriert er das Gedankenspiel einer Verschiebung der Staatsgrenzen. Das Streichholz ganz links steht für Deutschland, daneben in der Mitte ein Holz für Polen, rechts liegt Russland.
Churchill schiebt das russische Streichholz nach links, drückt die anderen beiden dadurch nach links weg. "Wie Soldaten, die seitlich wegtreten" sei das, so der englische Premier. Wenn man dabei auf einige deutsche Zehen trete, sei das nicht zu ändern.
Mit drei Streichhölzern wird der künftige territoriale Status Polens und Deutschlands besiegelt. Polens Landesgrenzen werden westwärts verschoben. Im Klartext heißt das: Ostpolen fällt an Stalin und wird der Sowjetunion einverleibt.
Polen soll dafür mit den ostdeutschen Gebieten entschädigt werden. Deutschlands neue Grenze wird entlang der Flüsse Oder und Neiße gezogen. Ostpreußen, Pommern, die Kurmark und Schlesien werden polnisch.
Die Polen müssen die ostpolnischen Gebiete für Russen freimachen und sollen in die deutschen Ostgebiete umgesiedelt werden. Die Deutschen aus den Ostgebieten sollen den Platz für die ihrerseits vertriebenen Ostpolen räumen und ins restliche Deutschland zwangsausgewiesen werden.
Der englische Premier und der russische Diktator legen hier, im November 1943, den Grundstein für eine der großen humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts: die gewaltsame Vertreibung von Millionen Polen und Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs.
Winston Churchill
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 23.04.2020)
Quelle: SWR