Geschichte der Dialekte
Ruhrdeutsch / Ruhrpottplatt
"Ja hömma!" – "Wat denn?" – "Wie isset?" – "Muss!" Im Ruhrgebiet herrscht nach wie vor eine eigene Sprache, das Ruhrpottplatt. Es gilt zwar als nicht so schick und als Sprache des Kohlenpott-Malochers, wird aber von vielen Menschen gesprochen.
Von Inés Carrasco
Ursprung und Entwicklung
Wo heute Ruhrdeutsch gesprochen wird, sprach man früher westfälisch, platt, niederfränkisch oder in angrenzenden Regionen auch eine Mischung daraus. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Ruhrdeutsch, wie wir es heute kennen, zwischen Duisburg im Westen und Hamm im Osten.
Die Sprache des Ruhrgebiets ist eng mit der Zuwanderung von Arbeitskräften in die damals aufstrebende Bergbauregion verbunden. Hunderttausende kamen innerhalb weniger Jahrzehnte aus den ostdeutschen, niederdeutschen, ostpreußischen und polnischen Gebieten, um sich in einer der wichtigsten Industrieregionen Europas niederzulassen.
Zwischen Rhein und Ruhr entstand auf diese Weise innerhalb weniger Jahrzehnte eine vollkommen neue Bevölkerungsstruktur. Der bis dahin von der einheimischen Bevölkerung gesprochene niederdeutsche und niederfränkische Dialekt wurde mit dem Zuzug der Einwanderer immer mehr zurückgedrängt, und es entstand eine hochdeutsche Standardsprache, aus der sich später das Ruhrdeutsch als eine Art Alltagssprache entwickelte.
Einfluss auf das Ruhrdeutsch hatte zum Teil auch die Sprache der Zuwanderer. So findet man in der Reviersprache zum Beispiel auch Begriffe aus dem Polnischen wie "Mottek" (Hammer) oder "Mattka" (Mutter).
Auch jiddische und russische Begriffe wie "Mischpuche" (Familie) und "Raboti" (Arbeit) bereicherten die Sprache der Bergleute. Von der Bevölkerung wurden gerne durch das Anfügen einer verpolnischten Endung neue Begriffe kreiert, wie zum Beispiel "Pastek" für Pastor.
Besonders beeinflusste das Niederdeutsche die Ruhrgebietssprache. Das typische "dat" und "wat" ist im Ruhrdeutschen geblieben. Verlaufsformen wie "am Essen" und "am Laufen" stammen ebenso aus dem Niederdeutschen wie die Verkleinerungsformen mit der Endung "-ken" wie in "Wüüastken" (Würstchen) oder "Schnäppsken" (kleines Glas Schnaps).
Sprachwissenschaftler stufen die Ruhrgebietssprache heute nicht als Mundart oder Dialekt ein, sondern als so genannten Regiolekt. Manche Wissenschaftler sprechen sogar von Soziolekt, da sie auch heute noch kennzeichnend für die Arbeiterschicht des Ruhrgebiets ist.
Besonderheiten der Ruhrgebietssprache
"Ich waa in Doatmund mit mein Omma ihr Hütkes inne Kiiache" (Ich war in Dortmund mit dem kleinen Hut meiner Oma in der Kirche). Dieser Satz enthält einige sprachliche Merkmale des typischen Ruhrdeutsch. So wird zum Beispiel das "r" durch ein "a" ersetzt und lange Vokale wie das O beim Wort Oma zu Omma verkürzt.
Das Zusammenziehen zweier Worte wie "in der" zu "inne" ist im Ruhrdeutschen gang und gäbe – ebenso wie die Verkettung von Nominativen "mein Omma ihr Hütkes" und die Vertauschung von "dem" und "den". Ist dann das Ende eines Satzes noch mit einem Bestätigungsartikel wie "Nä?" oder "Woll?" geschmückt, ist der Ruhrgebietssatz schon fast perfekt.
Fundgrube für echtes Ruhrdeutsch – das "Büdchen"
Wer sich im Ruhrgebiet mal auf einem Spielplatz aufgehalten hat, der könnte auch Sätze gehört haben wie "Komm ma bei die Omma bei" oder im Wartezimmer einer Arztpraxis "Ich bin nachm Krankenhaus gefaan". Diese Sätze werden im Revier tatsächlich so gesprochen und sind bezeichnend für die Grammatik dieses Regiolekts.
Nicht zuletzt gibt es auch noch die typischen verkürzten Wörter. Was im Hochdeutschen "hast du", "bist du" oder "kriegst du" heißt, wird im Ruhrdeutschen zu "hasse", "bisse", "krisse" abgekürzt.
Wenn man von den typischen Merkmalen der Ruhrgebietssprache spricht, wird von Sprachwissenschaftlern gerne ein bekanntes Satzbeispiel genannt, das das Ruhrdeutsch auf den Punkt bringt: "Wammama auf Schalke, hammama Fußball geguckt, hattata geplästert." (Wir waren mal im Schalker Stadion und haben uns das Fußballspiel angeguckt, und da hat es geregnet.)
Ruhrdeutsch wird berühmt
Von vielen wird Ruhrdeutsch belächelt als Sprache der Arbeiterschicht, die man sich am besten so schnell wie möglich abgewöhnen sollte, wenn man Karriere machen will. Doch tatsächlich hat da Ruhrpottplatt so manchem erst zu einer Karriere verholfen.
Schauspieler, Kabarettisten und Komödianten haben das Ruhrdeutsch als Instrument für ihre künstlerische Darstellung benutzt und sind damit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinweg erfolgreich geworden: Tana Schanzara, Elke Heidenreich als Metzgersgattin Else Stratmann, Jürgen von Manger in seiner Paraderolle des Ruhrgebietsmalochers Adolf Tegtmeier, Diether Krebs, Uwe Lyko als Herbert Knebel oder Doktor Ludger Stratmann als Hausmeister Jupp.
Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier
In gedruckter Form wird die Ruhrgebietssprache noch in einigen Ruhrgebiets-Zeitungen als Glosse gepflegt. Auch der Comic-Gallier Asterix spricht manchmal Ruhrpottplatt: "Zoff im Pott" erschien 1998, seitdem wurden noch eine Reihe anderer Abenteuer auf Ruhrdeutsch veröffentlicht.
Ein musikalisches Denkmal setzte der gebürtige Bochumer Herbert Grönemeyer 1982 der Malochersprache in seinem Hit "Currywurst":
"Gehsse inne Stadt, wat macht dich da satt – 'ne Körriwuass!
Kommsse vonne Schicht, wat schön'ret gibbet nich als wie Körriwuass."
Bis heute gilt "Currywurst" als eine Identifikationshymne für das Revier.
(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 11.08.2019)
Quelle: WDR