Nachkriegszeit
"Falscher Honig" und andere Nachkriegsrezepte
In den Jahren direkt nach dem Zweiten Weltkrieg waren Lebensmittel knapp. Deswegen entstanden zahlreiche Rezepte, die frühere Köstlichkeiten ersetzen sollten oder Pflanzen auf den Speiseplan brachten, die nicht zur traditionellen deutschen Küche zählten.
Von Malte Linde
Besonders hart war der Winter 1946/47, der Hungerwinter. Gegessen wurde alles, was einigermaßen genießbar war. Löwenzahn und Brennnesseln gehörten häufig zum Speiseplan – denn diese Pflanzen wuchsen wild und waren auch zwischen den Trümmern der eingestürzten Häuser zu finden. In Form von Salaten wurden dazu auch Sauerampfer und Gänseblümchen angerichtet.
Sogar Eicheln wurden verzehrt, etwa als Eichelsuppe. Für diese dicke Brühe wurden die Eicheln zermahlen und mit etwas Fett und Zucker in der Pfanne angebraten. Dieser Masse gab man dann Wasser zu, bis eine – mehr oder weniger genießbare – Suppe entstand.
Die meisten Rezepte der Nachkriegsjahre waren allerdings keine originellen kulinarischen Neuschöpfungen, sondern dienten ausschließlich der Verlängerung der spärlich vorhandenen Nahrungsmittel: Frikadellen ohne Fleisch oder Gulasch aus Gemüseresten zählten zu diesen Spezialitäten der ersten Jahre.
Für Falschen Honig sind mehrere Rezepte überliefert. Gemeinsam ist allen nur, dass man bei der Zubereitung vollständig auf Honig verzichten kann: Durch das Aufkochen von einem Viertelliter Buttermilch, reichlich Zucker, einem Hauch von Zitrone und geriebenen Äpfeln entsteht eine dickliche Masse, die sich zumindest ähnlich streichen lässt wie echter Bienenhonig.
Viele der Nachkriegsrezepte verschwanden in den 1950er-Jahren. Mit dem aufblühenden Wohlstand wollten die Menschen die Zeit des Hungers vergessen. Und so entstand in den folgenden Jahren eine Küchenkultur, die das in den Mittelpunkt rückte, was in den Kriegs- und Nachkriegsjahren Mangelware war: Fleisch, Zucker, Fett und Kohlenhydrate.
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 23.03.2020)
Quelle: WDR