Das Recht auf eine Familie
Jedes Kind hat das Recht auf eine Familie – davon war der Vater der SOS-Kinderdorf-Idee Hermann Gmeiner überzeugt. Als er 1951 das erste SOS-Kinderdorf in Österreich gründete, wollte er vor allem Kriegswaisenkindern eine neue Familie und ein neues Zuhause geben.
Die Kinderdorf-Idee war einfach: Jungen und Mädchen sollten die Möglichkeit bekommen, in einer Familie aufzuwachsen. Dazu gehört eine Mutter, die sich rund um die Uhr um die Kinder kümmert, Geschwister, mit denen sie spielen, lachen und streiten können wie in einer richtigen Familie, und ein Haus in einem Dorf.
Diese Eckpfeiler, so glaubte Hermann Gmeiner, seien für alle Kinder wichtig, um Vertrauen in sich selbst und in das Leben aufbauen zu können. Für den Gründer der Kinderdörfer galt zeitlebens, dass Kinder die Zukunft sind und jedes Kind der Welt ein Recht auf eine Familie hat, um als Erwachsener lebensfähig zu sein.
Schnell wurde klar, dass es auf der ganzen Welt Kinder gab, die keine Familien hatten, die ihnen die Geborgenheit und Sicherheit geben konnten, um sich gesund entwickeln zu können. Deshalb beschlossen Hermann Gmeiner und seine Unterstützer, ihre Idee auszubauen: Auf der ganzen Welt sollten SOS-Kinderdörfer errichtet werden.
Ein Kinderdorf in Sierra Leone
Eine liebende Mutter
Das Herz der SOS-Kinderdorf-Idee ist die Kinderdorfmutter oder – in seltenen Fällen – der Kinderdorfvater. Sie lebt mit fünf bis sieben Kindern in einem Haus zusammen. Sie ist eine Vertrauensperson, die zu den Kindern eine verlässliche Beziehung aufbauen soll.
Dies ist eine schwierige Herausforderung für die Kinderdorfeltern, denn die Kinder, die in ein Kinderdorf kommen, haben meist schlimme Erlebnisse hinter sich: Die Eltern sind tot oder sind durch Krankheiten, Drogenmissbrauch und andere eigene Probleme nicht mehr in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern.
Kinder, die in eine SOS-Kinderdorffamilie kommen, sind deshalb oft traurig, wütend, seelisch und wurden in vielen Fällen auch körperlich misshandelt. Die Kinderdorfeltern sollen ihnen helfen, sich geborgen und sicher zu fühlen – oftmals zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie sollen den Kindern Vertrauen geben und Bezugspersonen werden.
Mit der Unterstützung von Pädagogen und Psychologen sollen die Kinder lernen, ihre Sorgen, Nöte und Erlebnisse der Vergangenheit zu verarbeiten. Um diese schwierige Aufgabe meistern zu können, haben alle Kinderdorfeltern eine sozialpädagogische Erzieherausbildung.
Herzstück der Kinderdorffamilie ist die Kinderdorfmutter
Mehr als ein Dorf
In einem SOS-Kinderdorf gibt es etwa zehn Kinderdorffamilien. Kinder, die in der Kinderdorffamilie leben, bleiben dort dauerhaft, bis sie erwachsen sind. Das war schon zur Zeit der Gründung so.
Aber die SOS-Kinderdorf-Idee entwickelte sich weiter. Heute sind nicht mehr nur Kinder ohne Eltern das Hauptproblem, sondern sogenannte Sozialwaisen. Solche Kinder haben zwar noch Eltern, aber in ihrer Familie gibt es so große Schwierigkeiten, dass sie dort nicht mehr bleiben können.
Über die Jahre entstanden in den SOS-Kinderdörfern viele Angebote für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Zum Beispiel gibt es Kinder- und Jugendwohngruppen. Dort werden kurz- und mittelfristig Jugendliche aufgenommen, die in Notsituationen sind.
Das Ziel dieser Wohngruppen ist es, die Kinder und ihre Familien wieder zusammen zu bringen. Damit dies auch klappt, verpflichten sich die Jugendlichen und ihre Eltern, an pädagogischen und psychologischen Betreuungsprogrammen teilzunehmen, um ihre Probleme zu lösen.
Außerdem gibt es je nach Bedarf Kindergärten, Schulen und medizinische Zentren in den Dörfern. Somit wirkt ein SOS-Kinderdorf auch in seine Umgebung. Manchmal gibt es in einem Land zu wenig Schulen oder die medizinische Versorgung ist ungenügend. Durch die zusätzlichen Einrichtungen unterstützt das SOS-Kinderdorf nicht nur die Familien im Dorf, sondern oftmals eine ganze Region.
In vielen Ländern ist die Schulbildung inklusive
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 24.10.2019)
Quelle: WDR