Kinderdörfer
Hermann Gmeiner – Gründer der SOS-Kinderdörfer
1949 war der Österreicher Hermann Gmeiner 30 Jahre alt und mitten im Medizinstudium. Doch jeden Tag erlebte er das Elend der Kriegswaisen. Sein Mitgefühl war so stark, dass er seine Lebenspläne aufgab und statt dessen sein erstes SOS-Kinderdorf eröffnete – der Beginn seines Lebenswerks.
Von Marika Liebsch
Der Tod der eigenen Mutter
"Die Mutter, die Geschwister, das Haus und das Dorf", so beschreibt Hermann Gmeiner die Grundbedürfnisse und die Grundrechte eines jeden Kindes. Und diese vier Säulen sind bis heute die Grundlage der SOS-Kinderdörfer.
Hermann Gmeiner entwickelte diese Überzeugung aus eigener Erfahrung: Er wurde 1919 als Sohn einer einfachen Bergbauernfamilie in Alberschwende im österreichischen Vorarlberg geboren. Als er fünf Jahre alt war, starb seine Mutter. Die älteste Schwester Elsa übernahm die Mutterrolle für die acht jüngeren Geschwister.
Obwohl Hermann Gmeiner sehr unter dem Tod der Mutter litt, war er dankbar, dass er durch seine Schwester immer eine fürsorgliche, liebende und verlässliche Bezugsperson hatte.
Hermann Gmeiner sagte später oft, dass die Idee der SOS-Kinderdörfer seiner Mutter und seiner Schwester Elsa zu verdanken sei. Denn dank dieser beiden Frauen konnte er in Geborgenheit aufwachsen und seine Persönlichkeit entwickeln. Das vergaß Hermann Gmeiner nie.
Schon als Kind fiel Gmeiner als begabter Junge auf. Ein Stipendium ermöglichte ihm nach dem Krieg ein Studium der Medizin. Zusätzlich engagierte er sich in der Jugendfürsorge. Als er die bittere Not der Kriegswaisenkinder hautnah erlebte, entwickelte sich sein Wunsch zu helfen.
Ein Kinderdorf in jedem Land der Welt
Hermann Gmeiner war tief überzeugt von seiner Idee und er verstand zu begeistern. Er begann im Freundeskreis mit einer einfachen Bitte: Mit nur einem österreichischen Schilling im Monat könne für viele Kinder das Schicksal zum Guten gewendet werden. Je mehr Menschen bereit seien, diesen einen Schilling im Monat zu spenden, desto mehr Kindern könne geholfen werden.
Hermann Gmeiner gewann viele Unterstützer für seine Idee. Ein Dorf war ihm bald nicht genug, denn Not gab es überall. In jedem Land der Welt wollte er Kindern mit einem SOS-Kinderdorf helfen.
1951 wurde das erste SOS-Kinderdorf in Österreich eröffnet, 1956 das erste deutsche Kinderdorf in Dießen am Ammersee, 1963 das erste nichteuropäische SOS-Kinderdorf in Korea, in den 1970er-Jahren folgten Kinderdörfer in Lateinamerika und Afrika.
Überall auf der Welt eröffnete Hermann Gmeiner Kinderdörfer
Die Idee lebt weiter
Hermann Gmeiner stellte in den folgenden Jahren sein Leben in den Dienst seiner Idee. Er reiste um die Welt und traf sich mit den Mächtigen, den Einflussreichen und Meinungsmachern und versuchte sie alle für seine Idee zu gewinnen.
Dabei war er sehr erfolgreich und schaffte es, eines der weltweit größten Sozialwerke für Kinder aufzubauen. Er erlebte zwar nicht mehr die Erfüllung seines Wunsches, in jedem Land der Welt ein Kinderdorf zu gründen, aber er kümmerte sich rechtzeitig um einen geeigneten Nachfolger.
In Helmut Kutin, einem seiner wichtigsten Weggefährten, fand Hermann Gmeiner einen erfolgreichen Nachfolger, der selbst als Kind in einem SOS-Kinderdorf aufwuchs und mit der Idee der SOS-Kinderdörfer eng verwachsen ist.
1986 starb Hermann Gmeiner in Innsbruck. Doch seine weltumspannende Idee lebt bis heute weiter. Noch hat nicht jedes Land der Welt ein Kinderdorf, aber immerhin gibt es sie inzwischen auf allen fünf Kontinenten.
Gmeiners Nachfolger Helmut Kutin wuchs selbst im Kinderdorf auf
Kinderdörfer als Beitrag zum Frieden
Hermann Gmeiner glaubte an den Frieden, so wie er auch an das Gute im Menschen glaubte. Er suchte und er fand überall auf der Welt Menschen, die wie er Frieden schaffen und in Frieden leben wollte. So traf er sich beispielsweise mit dem Dalai Lama, dem Friedensnobelpreisträger Anwar as-Sadat und UNO-Generalsekretär Kofi Annan, um sie von seiner Idee zu überzeugen.
Hermann Gmeiner betonte immer wieder, dass all das Bemühen um die im Stich gelassenen Kinder auch als ein Beitrag für den Frieden verstanden werden müsse. Nur ein Kind, das Frieden erfahren hat, kann diesen auch erhalten, erklärte er. Gmeiner verstand unter einer guten Erziehung eine Erziehung zum Frieden: Frieden könne nur durch gute Erziehung erhalten werden.
Auch den Dalai Lama überzeugte Gmeiner von seiner Idee
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 24.10.2019)
Quelle: WDR