Geschichte der Mafia

Planet Wissen 23.02.2023 01:51 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2027 SWR

Organisierte Kriminalität

Die italienische Mafia in Deutschland

Seit den 1960er-Jahren haben Mafia-Clans wie Camorra und 'Ndrangheta die ganze Bundesrepublik mit einem engmaschigen kriminellen Netz überzogen. Die Folge: Nach Italien ist Deutschland der größte Mafia-Standort in Europa.

Von Beate Krol

In Deutschland fest verwurzelt

Am frühen Morgen des 15. August 2007 wird in Duisburg die Polizei zu einer Pizzeria gerufen. Als die Beamten ankommen, finden sie sechs Männer auf dem Pflaster, durchsiebt von Kugeln. Kurz darauf ist klar: Deutschland hat seine ersten Mafia-Morde erlebt.

Damals glauben viele, dass die italienische Mafia neu in Deutschland sei. In Wirklichkeit gibt es sie bereits seit den 1960er-Jahren. Damals hatten sich die Mafiosi in den Zug der italienischen Gastarbeiter eingereiht.

Seitdem ist die kriminelle Organisation in Deutschland präsent. Ganz besonders gilt das für die industriellen Zentren: das Ruhrgebiet, den Raum Stuttgart und München. Seit der Wende sind auch Thüringen und Sachsen Mafia-Hochburgen.

Das Familiensystem der Mafia

Planet Wissen 23.02.2023 02:57 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2027 SWR

Vermutlich gibt es bis zu 60 Mafia-Zellen

Bei der Frage, wie viele Mafiazellen es in Deutschland gibt, gehen die Meinungen auseinander. Bei der kalabrischen 'Ndrangheta geht die Bundesregierung von 18 bis 20 Stützpunkten mit jeweils bis zu 50 Mitgliedern aus.

Der italienische Antimafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri schätzt die Zahl der 'Ndrangheta-Stützpunkte in Deutschland mit bis zu 60 deutlich höher ein. Außerdem geht er pro Zelle von mindestens 50 Mitgliedern aus.

Zahlen zu den Angehörigen anderer italienischer Mafiagruppen in Deutschland fehlen. Sicher ist, dass alle italienischen Mafiagruppen in Deutschland aktiv sind.

Deutschland setzt der Mafia wenig entgegen

Als ebenfalls gesichert gilt, dass Deutschland in Europa nach Italien das Land mit den meisten Mafiosi ist. Weil Deutschland ein reiches Land ist, gibt es für die organisierte italienische Kriminalität viel zu holen.

Das galt ganz besonders nach der deutschen Wiedervereinigung. Laut italienischer Ermittlungsakten soll ein Mafiaboss damals befohlen haben: "Fahr' rüber und kauf' alles."

Die Mafia erobert Ostdeutschland

Planet Wissen 23.02.2023 02:27 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2027 SWR

Außerdem ist die Gesetzgebung in Deutschland schwach. Anders als in Italien ist die Mitgliedschaft in der Mafia nicht strafbar. Gefährlich wird es für Mafiosi nur, wenn die Ermittler ihnen eine Straftat nachweisen können. Das jedoch ist schwierig.

Die Mafia agiert hochprofessionell, und aufgrund der Familien- und Clanstruktur ist es schwer, V-Leute in die Organisation einzuschleusen. Aus Angst vor der Rache der Mafia gibt es zudem wenig Zeugen.

Kontakte in Justiz und Politik

Dazu kommt, dass die Mafiosi über Kontakte zu Politik und Justiz verfügen. Aus Abhörprotokollen der sogenannten FIDO-Ermittlung, die das Bundeskriminalamt (BKA) zusammen mit italienischen Ermittlern Anfang der 2000er-Jahre in Thüringen durchführte, weiß man, dass die örtlichen Mafiosi Kontakte zu einem Richter hatten.

In Baden-Württemberg gelang es einem 'Ndrangheta-Boss trotz schwerwiegender Vorwürfe immer wieder, von der Liste der Verdächtigen gestrichen zu werden. Außerdem wurden in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen engagierte Antimafia-Ermittler gegen ihren Willen versetzt.

FIDO-Untersuchungsausschuss

Planet Wissen 23.02.2023 01:31 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2027 SWR

Die Mafia ist im öffentlichen Bewusstsein nicht präsent

Auch dass die deutsche Öffentlichkeit so wenig über die Mafia weiß, macht Deutschland zu einem attraktiven Standort. Weil Journalistinnen und Journalisten enge Grenzen gesteckt sind, wenn sie über den Verdacht gegenüber einer bestimmten Person berichten, taucht die italienische Mafia in den Medien meist nur auf, wenn es Razzien gegeben hat.

So wiegen sich Gesellschaft und Politik fälschlicherweise in Sicherheit und die Gesetze bleiben, wie sie sind.

Die Mafia unterwandert die Wirtschaft

Unter diesen Bedingungen ist die Mafia immer wieder gewachsen. Nachdem sie anfangs in Deutschland ihr Geld mit Schutzgelderpressungen gemacht hat, gehören heute Drogenhandel, Schwarzarbeit und Produktpiraterie zu ihren Hauptgeschäftsfeldern.

Außerdem ist die Mafia überall dort aktiv, wo öffentliche Gelder fließen, angefangen von Flüchtlingsunterkünften über Corona-Masken bis hin zu Solar- und Windparks.

Geschäftsmodelle der Mafia

Planet Wissen 23.02.2023 01:12 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2027 SWR

Dazu betreibt die italienische Mafia in Deutschland Geldwäsche im großen Stil. Besonders beliebt sind Deals mit Immobilien und der Kauf von Unternehmensanteilen. Auch hier sind die Gesetze in Deutschland relativ schwach.

Zwar hat es 2021 leichte Verbesserungen der Geldwäschegesetzgebung gegeben, dennoch haben es die Ermittler nach wie vor schwer, Geldwäsche nachzuweisen und kriminell erlangtes Vermögen einzuziehen. In Italien ist das anders.

Die Mafia bedroht die Demokratie

Auch wenn es nach den Morden 2007 in Duisburg keine weiteren offenen Mafia-Gewalttaten mehr gegeben hat – die Mafia-Expertin und Journalistin Petra Reski warnt dennoch davor, die italienische Mafia zu unterschätzen.

"Der Mafia geht es immer um Macht und darum, demokratische Verhältnisse zu ihren Gunsten auszunutzen und zu ändern", sagt sie. Sandro Mattioli vom Verein "mafianeindanke" und ebenfalls Journalist teilt diese Einschätzung. "Wir sollten uns nicht in Sicherheit wiegen."

UNSERE QUELLEN

Quelle: SWR | Stand: 26.01.2022, 17:00 Uhr

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