Tatort Kunst
Jawlensky-Fälschungen im Essener Kunstmuseum
Der russisch-deutsche Künstler Alexej von Jawlensky gehört zu den oft kopierten und gefälschten Meistern. 1998 zeigte das Essener Folkwang-Museum vermeintliche "wiedergefundene Aquarelle" – die sich dann als Fälschungen herausstellten.
Von Sabine Kaufmann
Die Vorgeschichte
Anfang der 1990er-Jahre tauchten wie aus dem Nichts 600 bislang unbekannte Aquarelle des renommierten expressionistischen Malers Alexej von Jawlensky auf. Ein Russe, angeblich mit Schlapphut bekleidet, dessen Identität ansonsten im Dunkeln blieb, hatte die Arbeiten einem Galeristen aus Bietigheim-Bissingen übergeben.
Unter Expressionismus-Experten stieß die Entdeckung zunächst auf Skepsis. Doch das Jawlensky-Archiv in Locarno, dem die Erben des Malers vorstehen, wies die Bilder als Originale aus.
Die Beweisführung: Zusammen mit den Bildern waren auch Briefe Jawlenskys aufgetaucht, die besagten, dass der Künstler seinem Bruder Dmitrij die Aquarelle während des russischen Bürgerkrieges aus seinem schweizerischen Exil nach Moskau geschickt habe. Obwohl die Briefe undatiert waren, gaben die Nachkommen Jawlenskys an, dass sie wohl aus dem Jahr 1917 stammten.
Michael Bockemühl, Kunstgeschichtsprofessor an der Privatuniversität Witten/Herdecke, wurde auf die Arbeiten bei einem Münchener Sammler aufmerksam. Farb- und Papieranalysen ergaben, dass die Arbeiten um 1910 entstanden sein könnten. Dass sie aber aus der Hand des Künstlers stammten, war damit noch nicht bewiesen.
Kunstkritiker beanstandeten immer wieder die ungenügende Qualität der Bilder. Unbeirrt davon initiierte Bockemühl zusammen mit dem Direktor des Essener Folkwang-Museums, Georg Költzsch, die Jawlensky-Ausstellung, mit einer Auswahl der "wiedergefundenen Aquarelle". Parallel dazu wurden auch originale Ölgemälde des Künstlers gezeigt.
Das Folkwang-Museum in Essen stellte die Bilder trotz Bedenken aus
Die Enttarnung
Mit der Ausstellungsvorbereitung war auch Jörg Bittner betraut, ein ehemaliger Assistent von Professor Bockemühl. Ihm kamen zunehmend Bedenken bezüglich der Echtheit der Bilder. Das künstlerische Leben Jawlenskys schien bislang gut erforscht zu sein; es fiel schwer, darin auf einmal 600 neue Aquarelle einzuordnen.
Erste Zweifel weckten schon die Briefe. Wie sollte es möglich sein, fragte sich Bittner, dass Jawlensky seinem Bruder Bilder zum Verkauf nach Russland geschickt habe – ein Land, das 1917 unter heftigen Revolutionswirren litt? Die privilegierte Oberschicht flüchtete zu dieser Zeit selbst ins Ausland und hatte bestimmt keine Muße mehr, sich um expressionistische Malerei zu kümmern.
Außerdem enthalten die Briefe wenig Persönliches, was ganz untypisch für die Korrespondenz von Jawlensky ist. Die Vermutung lag also nahe, dass die Briefe gleich zu den Fälschungen mitgeliefert wurden.
Jawlensky verfasste eigentlich sehr persönliche Briefe
Den schlagenden Beweis brachte schließlich ein Vergleich der gefälschten Aquarelle und Einzelblätter mit den entsprechenden Ölgemälden. Die farbigen Originalgemälde waren in zwei Büchern abgedruckt, die bereits 1989 erschienen waren, drei Jahre bevor die Aquarelle der Skizzenbücher urplötzlich aufgetaucht waren.
Die angeblich verschollenen Aquarelle unterschieden sich stilistisch eindeutig von den farbigen Originalbildern. Auch wurden verschiedene Bildelemente wie Zäune, Bäume, Wege zweier Originale in einem Aquarell vereinigt. Der Verdacht erhärtete sich, dass die Kataloge als Vorlage für die gefälschten Bilder gedient hatten.
Mittlerweile haben die Erben Jawlenskys und das Archiv in Locarno anerkannt, dass die zweifelhaften Aquarelle nicht von Alexej von Jawlensky stammen. Sie wurden daraufhin vom Kunstmarkt genommen. So heißt es jedenfalls.
Die Ölgemälde sind qualitativ deutlich besser
Quelle: SWR | Stand: 04.02.2020, 15:19 Uhr