Lenin bei der Proklamation der Macht der Sowjets, auf die am 25. Oktober 1917 ein bewaffneter Aufstand in St. Petersburg folgte. Gemälde von Wladimir Alexandrowitsch Serow.

Kommunismus

Lenin und die Russische Revolution

Die Russische Revolution war der folgenreichste politische Umsturz des 20. Jahrhunderts. Sie beendete die Herrschaft der russischen Zarenfamilie und legte den Grundstein für den ersten sozialistischen Staat der Erde: die Sowjetunion.

Von Carsten Günther, Planet Wissen

Im geheimen Zug zur Weltrevolution?

Im April 1917 fuhr ein Mann in einem Zug durch Deutschland. Sein Name: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. Der Start seiner Reise war Zürich, sein Ziel war Petrograd, das heutige Sankt Petersburg – die damalige Hauptstadt Russlands.

Die Türen des Waggons waren versiegelt, denn der Passagier und seine Begleiter waren in geheimer Mission unterwegs. Seit Jahren wartete Lenin auf die Möglichkeit, in seiner Heimat eine Revolution auszurufen, die auf die ganze Welt ausstrahlen sollte.

Lenin wurde im April 1870 in der russischen Großstadt Simbirsk geboren. Schon als junger Mann studierte er die Schriften von Karl Marx und anderen Theoretikern des Kommunismus. Als sein Bruder Alexander 1887 wegen eines geplanten Attentats auf den Zaren gehängt wurde, schloss sich Lenin der revolutionären Bewegung an.

Porträtfoto von Wladimir Iljitsch Lenin, 1918

Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin (1870-1924)

Er veröffentlichte kommunistische Schriften und gründete 1895 den "Petersburger Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse". Kurz darauf wurde er verhaftet und für drei Jahre nach Sibirien verbannt. 1903 wurde er Anführer der "Bolschewiki", einer radikal-revolutionären Gruppierung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands.

Im Jahr 1907 musste Lenin schließlich vor der russischen Geheimpolizei fliehen, die ihm vorwarf, er habe die Arbeiteraufstände der Jahre 1905 bis 1907 unterstützt. Er reiste erst nach Finnland, dann in die Schweiz.

Von Zürich aus baute Lenin ein Netzwerk von Gleichgesinnten auf und bereitete eine kommunistische Revolution in Russland vor. Ende März 1917 erhielt er schließlich von der deutschen Reichsregierung die Erlaubnis, durch Deutschland zu reisen.

Die Deutschen erhofften sich viel davon: Zu diesem Zeitpunkt tobte in Europa der Erste Weltkrieg, Russland und Deutschland waren verfeindet. Wenn Lenin in Russland eine Revolution beginne, hätte das russische Riesenreich keine Kraft mehr für den Krieg gegen Deutschland – so hofften die Deutschen.

Die Revolutionen von 1917

Seit 1914 war Russland am Ersten Weltkrieg beteiligt. Es bahnte sich eine militärische Niederlage an und im Land verschlechterte sich die Versorgungslage. Die Menschen waren verzweifelt, viele hungerten und hofften auf ein baldiges Kriegsende. Im März 1917 brach in Petrograd ein Generalstreik aus, Hunderttausende demonstrierten in der Stadt und riefen "Brot und Frieden!".

Zar Nikolaus der Zweite wollte den Aufstand gewaltsam niederschlagen lassen. Doch als sich auch viele Soldaten dem Aufstand anschlossen, musste er schließlich abdanken. Da die Unruhen nach dem russischen Kalender im Februar 1917 stattfanden, nennt man sie auch die "Februarrevolution".

Lenins kommunistische Gruppierung, die "Bolschewiki", profitierte von der Unzufriedenheit im Land. Sie forderten einen revolutionären Umsturz der herrschenden Ordnung und die Diktatur des Proletariats, so wie es Karl Marx in seinen Schriften formuliert hatte.

Bolschewistische Revolutionäre ziehen im Oktober 1917 durch Moskau

Bolschewistische Revolutionäre ziehen durch Moskau

In der Nacht vom 6. auf den 7. November 1917 (nach dem russischen Kalender am 24./25. Oktober) besetzten die Bolschewiki unter Führung Lenins alle wichtigen Brücken und Bahnhöfe der Stadt, um den regierungstreuen Truppen den Weg zu versperren. Einen Tag später setzten sie die provisorische Regierung ab, die sich im Winterpalast des Zaren in Sankt Petersburg verschanzt hatte.

Dies ging später als "Oktoberrevolution" in die Geschichte ein. Es war aber eigentlich kein spontaner Volksaufstand, sondern ein verdeckt geplanter Staatsstreich, das heißt: ein gewaltsamer Sturz der Regierung.

Bürgerkrieg – die "Roten" gegen die "Weißen"

Nach der Absetzung der Regierung schien der kommunistische Traum einer gerechteren Welt zum Greifen nah. Lenin wurde nun "Vorsitzender des Rats der Volkskommissare" und damit neuer Regierungschef Russlands.

Die Bolschewiki verstaatlichten Unternehmen und Banken und besetzten Landgüter. Die Fabriken sollten den Arbeitern gehören und der Reichtum des riesigen russischen Reiches sollte allen Menschen zu Gute kommen, nicht nur der herrschenden Schicht.

Mit Zeitungen, Flugblättern und Plakaten versuchten die Bolschewiki, die Idee einer kommunistischen Weltrevolution bis in den letzten Winkel des russischen Reiches zu tragen. Doch um ihre Ziele zu erreichen, begannen sie gewaltsam jeglichen Widerstand und Widerspruch auszuschalten. Die neugegründete Geheimpolizei unterdrückte politische Gegner. Parteien, die die Revolution nicht unterstützten, wurden verboten.

Zwei sowjetische Plakate, auf denen ein gezeichneter Angehöriger der Roten Armee und ein Bauer und eine Bäuerin für den Kommunismus werben.

Auf Plakaten wurde die kommunistische Ideologie verbreitet

Die Pläne der Kommunisten stießen auf erbitterten Widerstand. Schon kurz nach der Revolution formierte sich ein Bündnis aus Konservativen, Demokraten und Nationalisten, die die Machtübernahme der Kommunisten verhindert wollten. Sie nannten sich die "Weiße Armee", als Gegenstück zur kommunistischen "Roten Armee".

Die Feindschaft dieser beiden Gruppierungen führte zum russischen Bürgerkrieg, der von 1918 bis 1921 dauerte. Während der jahrelangen Kämpfe starben Schätzungen zufolge etwa acht bis zehn Millionen Menschen. Am Ende siegte die Rote Armee.

Die Sowjetunion als erster sozialistischer Staat der Erde

Im Jahr 1922 wurde die Sowjetunion gegründet. Sie übernahm den Marxismus-Leninismus als Staatsdoktrin, das heißt: Die Errichtung eines kommunistischen Staates war ihr politisches Ziel.

Lenin starb im Januar 1924 nach mehreren Schlaganfällen im Alter von nur 53 Jahren. Sein Nachfolger war ab 1922 Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin.

Lenin hatte noch das Ziel einer kommunistischen Weltrevolution verfolgt, doch Stalin gab den Gedanken eines weltweiten Umsturzes auf und führte das Konzept des "Sozialismus in einem Land" als zentralen Grundsatz der sowjetischen Politik ein.

Während seiner Regierungszeit errichtete Stalin eine totalitäre Diktatur, also eine politische Herrschaft, die die Bürger vollkommen unterwerfen wollte und andere Meinungen und Parteien nicht zuließ. Er führte sogenannte "politische Säuberungen" durch und ließ mehrere Millionen vermeintliche und tatsächliche Gegner verhaften. Viele wurden in Schau- und Geheimprozessen zum Tode oder zu Zwangsarbeit verurteilt und in Gulag-Strafarbeitslager deportiert, wo sie oft durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben kamen.

Während des "Kalten Krieges" ab den 1950er-Jahren wurde die Sowjetunion zum großen Gegner der westlich geprägten Welt – und gleichzeitig zum Vorbild für andere Staaten, die als Vorstufe zum Kommunismus den "real existierenden Sozialismus" propagierten. Damit werden Staatsformen bezeichnet, in denen eine kommunistische Partei die Macht hat, die den Weg zur klassenlosen Gesellschaft bereiten soll. Dazu gehörte auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR), also Ostdeutschland.

Ab Mitte der 1980er-Jahre führten schließlich gesellschaftliche Veränderungen  zur Schwächung der sozialistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa. Die Menschen waren mit den politischen Verhältnissen zunehmend unzufrieden. Sie wollten mehr Demokratie und persönliche Freiheiten.

In der Sowjetunion kam 1985 Michail Gorbatschow an die Macht und versprach, mehr auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Doch er konnte das riesige Land, das aus 15 Einzelrepubliken bestand, nicht mehr zusammenhalten.

Am 31. Dezember 1991 hörte die Sowjetunion auf zu existieren. Sie zerfiel in mehrere Staaten, die sich nach und nach von der kommunistischen Ideologie trennten.

Landkarte der Sowjetunion von 1929

Die Sowjetunion war der erste und größte sozialistische Staat der Erde

(Erstveröffentlichung: 2023. Letzte Aktualisierung 16.07.2023)

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Quelle: WDR

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