Für jeden Anlass das passende Dach
Wer alleine unterwegs ist, dem reicht als Schutz vor Sonne oder Regen schon ein Schirm als portables, faltbares Membrandach mit Ein-Personen-Spannweite. Das klassische deutsche Einfamilienhaus besitzt meist ein Satteldach, oft gedeckt mit roten Tonziegeln nach dem Fischschuppenprinzip. Durch die Neigung der Dachflächen kann Regenwasser hier optimal abfließen.
Flachdächer findet man dagegen oft in mediterranen Regionen mit wenig Regen und vielen Sonnenstunden. Vorteil der Flachdächer: weniger Materialaufwand, zusätzliche Nutzfläche auf dem Gebäude.
An Orten, wo sich regelmäßig viele Menschen versammeln – in Kirchen, Messehallen, Sportarenen, Flughäfen oder Bahnhöfen – braucht man wiederum Dachkonstruktionen, die weite Flächen überspannen und gleichzeitig auch großen Belastungen (Schnee oder Sturm) standhalten können. Konstruktion und Stabilität stellen hier besondere Anforderungen an Ingenieure und Architekten.
Andere Werkstoffe – andere Dächer
Komplett aus Holz ist der gigantische Baldachin, der auf dem Expo-2000-Gelände in Hannover eine Fläche von 16.000 Quadratmetern überdacht. Von einer imposanten Glas-Stahlseil-Konstruktion werden die Gleisflächen und Bahnsteige des Berliner Hauptbahnhofs überspannt.
Je nach Dachtyp müssen Ingenieure und Architekten bestimmte Konstruktionsprinzipien und Materialien auswählen, die allen gestellten Anforderungen bestmöglich gerecht werden.
Dabei stehen je nach Projekt mehrere Möglichkeiten zur Auswahl: Lehm, Ziegel, Stein, Beton, Holz, Stahl, Glas oder Kunststoff. Jedes Material hat seine ganz speziellen Eigenschaften. Eine bestimmte Art Beton zum Beispiel verwendeten schon die Römer im Jahr 120 nach Christus beim Bau der Pantheon-Kuppel.
Die Kuppel der Frauenkirche in Dresden wurde vor etwa 250 Jahren hingegen aus massivem Sandstein errichtet. Seit dem Wiederaufbau der Frauenkirche kann man diese Kuppel auch heute wieder bewundern. Ihr Gesamtgewicht beträgt stolze 12.000 Tonnen!
Komplett aus Holz: Der gigantische Baldachin der Expo 2000
Membrankonstruktionen
Pompöse Gebäude mit schweren und massiven Dachkonstruktionen, oft mit reichlich Ornament verziert, waren in Deutschland bis Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Oft wurden damit auch Macht und Reichtum des Bauherren zur Schau gestellt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings, als viele Städte Deutschlands in Schutt und Asche lagen, hatten die Menschen wahrlich anderes im Sinn als Prunk und Pomp. Nachdem man in den 1950er- und 1960er-Jahren Wert auf ein nicht unbedingt ästhetisch anspruchsvolles, so doch aber immerhin zweckmäßiges Dach über dem Kopf legte, war die Zeit in den 1970ern endlich reif für neue, kreative Wege in Sachen Wohnraum-Überdachungen.
Der Architekt und Ingenieur Frei Otto verblüffte im Jahr 1967 die Besucher der Expo in Montreal mit einer noch nie da gewesenen Seilnetz-Membrankonstruktion, die er für den deutschen Pavillon entwarf und konstruierte. Das leichte Flächentragwerk, nur ein "Hauch von Dach", das von Weitem betrachtet in seiner Formgebung an ein filigranes Spinnennetz erinnerte, sorgte weltweit für Furore.
Ein "Hauch von Dach" sorgte 1967 weltweit für Furore
Das Dach des Münchener Olympiastadions
Die innovative Seilnetz-Membrankonstruktion des Expo-Daches von Frei Otto inspirierte auch die Stuttgarter Architekten Behnisch und Partner. Sie erhielten mit ihrem visionären Flächentragwerks-Entwurf den Zuschlag für den Bau der Überdachung des Münchener Olympiastadions.
Bei der Umsetzung des Konstruktionsentwurfes standen sie vor einer besonderen Herausforderung. Im Vergleich zum Expo-Dach in Montreal musste dieses Mal eine mindestens siebenmal so große Fläche überspannt werden.
Dass daraus letztendlich eine so spektakuläre und elegante Lösung entstand, wie man sie dank Denkmalschutz heute noch in München bewundern kann, liegt an der Kooperation der Stuttgarter Architekten mit Frei Otto und den Ingenieuren des Stuttgarter Ingenieurbüros Leonhardt und Andrä. Zusammen erarbeiteten sie eine gleichermaßen effektive wie elegante Lösung.
Damals ein visionärer Entwurf: die Überdachung des Münchener Olympiastadions
Inspirationen aus der Natur
Mit der Seilnetzkonstruktion des Münchner Olympiastadions wurde die neue Ära der Stadionüberdachungen in Leichtbauweise eingeläutet. Und damit auch eine neue Dimension in der Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur.
Denn Funktion und Form sind im Leichtbau untrennbar miteinander verbunden, und die besten Ergebnisse sind nur möglich, wenn Ingenieure sich schon in einem möglichst frühen Entwicklungsstadium kreativ an der Planung beteiligen können.
Inspirationen für Dächer in Leichtbauweise kommen oft aus Natur und Technik. Ein schönes Beispiel ist die Membranüberdachung des Gottlieb-Daimler-Stadions in Stuttgart (1993 fertiggestellt): eine Ringseilkonstruktion, die nach dem Prinzip "Speichenrad" erstellt wurde. Das Gottlieb-Daimler-Stadion wurde zum Prototyp für zahlreiche weitere Stadionüberdachungen wie für die preisgekrönte Membran-Überdachung des Frankfurter Waldstadions.
Quelle: SWR | Stand: 06.06.2020, 12:00 Uhr