Kloster über einer tibetischen Hochebene.

Tibet

Buddhismus in Tibet

Die Geschichte des tibetischen Buddhismus begann im 7. Jahrhundert. Damals kam der tief religiöse König Songsten Gampo an die Macht und einte das kulturell und politisch zersplitterte Land. Tibet wurde zur neuen Macht in Zentralasien.

Von Gregor Delvaux de Fenffe und Martina Frietsch

Die Erstarkung des Priestertums

Songsten Gampo griff die buddhistischen Einflüsse auf, erkor Lhasa zur Hauptstadt von Tibet und baute den königlichen Palast an der Stelle des heutigen Potala-Palastes. In Zusammenarbeit mit indischen Gelehrten ließ er eine eigene Schrift für Tibet entwickeln.

Die Einführung der tibetischen Schrift und die Übersetzung buddhistischer Schriften gilt heute als Grundlage für die Entwicklung der buddhistischen Kultur in Tibet. Im Jahr 779  erklärte dann König Trisong Detsen den Buddhismus zur Staatsreligion.

Anfang des 13. Jahrhunderts bildete sich eine neue, bis dato unbekannte Großmacht in Zentralasien: Unter Dschinghis Khan formierte sich die Mongolei zu einem gewaltigen, ausufernden Reich. In den Jahren 1206/1207 drangen die gefürchteten Mongolen bis zu den Toren Tibets vor.

Um von den furchterregenden Angreifern nicht zerrieben zu werden, ergaben sich die tibetischen Landesfürsten kampflos der Übermacht. Tibet wurde daraufhin ins mongolische Reich eingegliedert.

Nach der Unterwerfung Tibets eroberten die Mongolen China. Mitte des 13. Jahrhunderts bestieg der Enkel Dschinghis Khans, Kublai Khan, den mongolisch-chinesischen Kaiserthron. Als tibetische Geistliche versuchten, auf den mongolischen Herrscher Einfluss zu nehmen, begann eine enge Verzahnung zwischen Tibet und den mongolischen Dynastien, die Jahrhunderte währen sollte.

Tief beeindruckt von der buddhistischen Lehre, die ihnen der tibetische Mönch Phagpa vermittelte, nahmen die Mongolen den buddhistischen Glauben an. Der mongolische Khan erkannte den tibetischen Mönch als geistlichen Führer an und verlieh ihm die Titel "Lehrer des Reiches" und "Herrscher über ganz Tibet". Zudem räumte er ihm umfassende weltliche Privilegien über das tibetische Reich ein.

Im Gegenzug legitimierte Phagpa den sakralen Anspruchs des Khans, buddhistisch-universaler Kaiser über die asiatische Welt zu sein und akzeptierte die mongolische Oberhoheit über Tibet. Durch die nun beginnende Priester-Patron-Beziehung zwischen Tibet und den mongolischen Khanen wurde das tibetische Priesterkönigtum begründet.

Seitliche Aufnahme des Kopfes einer goldenen Buddhastatue.

Die Mongolen waren tief beeindruckt von Buddha

Die Gelugpa-Schule und der Dalai Lama

Der tibetische Buddhismus lässt sich in vier lamaistische Schulen unterteilen: die Nyingmapa, die Sakyapa, die Kagyüpa und die Gelugpa. Die ersten drei Schulen werden allgemein auch als Rotmützen-Schulen bezeichnet, während die mächtige, reformierte Gelugpa-Schule aufgrund ihrer gelben Kopfbedeckung als Gelbmützen-Schule in die Geschichte eingegangen ist.

Im Jahr 1578 reiste Sonam Gyatso, der damalige Führer der Gelugpa-Schule, zum mächtigen Mongolenfürsten Altan Khan. Bei diesem Besuch verlieh ihm der Khan den Titel des "Dalai Lama" (Ozean des Wissens).

In enger Zusammenarbeit mit dem mongolischen Fürsten Gushri Kahn gelang es schließlich dem fünften Dalai Lama Ngawang Lobsang Gyatso, im 17. Jahrhundert ganz Tibet unter der Führung der Gelugpa-Schule zu vereinen. Doch auf Tibet kamen unruhige Zeiten zu.

Blick auf die karge tibete Gebirgslandschaft. Auf einem Felssporn in der Mitte des Bildes liegt ein Kloster.

Selbst in den entlegensten Gebieten gibt es Klöster

Zerfall unter den Mandschu

Im frühen 18. Jahrhundert wurden die Mongolen von einer neuen Macht in Ost- und Zentralasien abgelöst: dem Großreich der chinesischen Mandschu. Auch die Mandschu fühlten sich dem tibetischen Buddhismus verpflichtet.

Der siebte Dalai Lama Kelsang Gyatso stellte Tibet unter den politischen Schutz der Mandschu. Eine Praxis, die vor ihm die tibetischen Führer jahrhundertelang mit den mongolischen Khans erprobt hatten.

Doch bald geriet die Einheit Tibets durch innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen Adelsgeschlechtern, Provinzfürsten und verfeindeten Klöstern in Gefahr. Die Mandschu mussten immer wieder eingreifen, der Autonomiestatus Tibets kehrte sich mehr und mehr in ein Protektorat einer fremden Macht.

Erst der 13. Dalai Lama Thubten Gyatso führte Tibet durch eine kluge und machtbewusste Politik langsam in die Eigenständigkeit zurück.

Als im Jahr 1911 das mandschurische Reich zerfiel, erklärte der 13. Dalai Lama Tibet für unabhängig. Von 1913 bis 1933 versuchte er hartnäckig, das feudale System Tibets zu reformieren. Bemühungen, die meist am hartnäckigen Widerstand des alteingesessenen Adels scheiterten, der um seine Privilegien fürchtete.

Ein alter Mönch meditiert im Inneren eines tibetischen Kloster.

Der Buddhismus hielt sich trotz wechselnder Herrscher

Das kommunistische China besetzt Tibet

Als sich die geopolitische Lage nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend änderte und 1949 der chinesische Bürgerkrieg mit dem Sieg der Kommunisten endete, waren die Weichen für die Entmachtung Tibets gestellt. Im Jahr 1950 besetzten chinesische Truppen unter Mao Zedong das Land.

Neun Jahre später musste der gerade inthronisierte 14. Dalai Lama unter Lebensgefahr sein Land verlassen. Die Besetzung Tibets durch die chinesischen Machthaber und das Exil des 14. Dalai Lama dauern bis heute an.

Ende 2019 erklärte der 14. Dalai Lama, das System der reinkarnierten Lamas, das sich im 12. Jahrhundert in Tibet entwickelt hatte, könne möglicherweise beendet werden. Er verwies auf das indische Buddhismus-System, in dem es kein Lama-System gab.

Die Äußerungen des Dalai Lama haben einen politischen Hintergrund: China setzt inzwischen darauf, den nächsten Dalai Lama selbst zu inthronisieren und damit die Kontrolle über den tibetischen Buddhismus zu gewinnen.  

Zahlreiche Mönche in roten Gewändern im Innehof eines Kloster beim Debattieren.

Die Klöster sind geistige und politische Zentren

Gelebter Buddhismus

Alle Versuche der chinesischen Machthaber, den Buddhismus in Tibet zu unterbinden, scheiterten. Trotz der Zerstörung von Klöstern und der Verfolgung von Mönchen blieb die buddhistische Tradition des Landes bestehen. Nach wie vor ist die Religion der wichtigste Eckpfeiler der tibetischen Gesellschaft.

Die buddhistischen Gemeinden Tibets werden durch Mönchsorden gebildet, zu denen auch Laien Zugang haben. Nach buddhistischer Anschauung erlangt allein der gläubige buddhistische Mönch Zutritt zum Nirwana, der höchsten Stufe der Erleuchtung.

Da im Buddhismus anders als in den monotheistischen Weltreligionen kein Gott angebetet wird, gibt es in tibetischen Klöstern keine Gottesdienste, sondern Versammlungen der Mönche, in denen gemeinsam meditiert und die Lebensführung einzelner Mönche geprüft wird.

Die Klosterregel ist streng. Es bestehen genaue Vorschriften über Gewänder, Klosterzellen, Klosternahrung, Lehrinhalte und Meditation. Die buddhistische Lehre kennt fünf strenge Gebote, die das Grundverhalten mönchischen Lebens definieren: Verboten sind Töten, Stehlen, Lügen. Geboten sind sexuelle Enthaltsamkeit und Abstinenz.

Viele Mönche verschiedenen Alters in roten Gewändern schauen in die Kamera.

An Nachwuchs mangelt es nicht

Quelle: SWR | Stand: 07.05.2021, 13:30 Uhr

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