Abenteuerliche "Ritterreisen" nach Litauen
Die Kriegszüge des Deutschen Ordens nach Litauen waren im 13. und 14. Jahrhundert bei jungen Rittern sehr beliebt. "Heidenfahrt" oder "Litauenreise" lauteten die euphemistischen Umschreibungen der militärischen Übergriffe auf die heidnische Bevölkerung.
Aus Norddeutschland, England, Schweden und anderen Regionen Europas fanden sich regelmäßig junge Ritter beim Orden ein, um an einem Kriegszug teilzunehmen – aus Abenteuerlust und in der Hoffnung auf Ruhm und Anerkennung.
Offiziell ging es dem Deutschen Orden um die Missionierung: Die litauischen Heiden sollten endlich den christlichen Glauben annehmen. Darüber hinaus wollte der Orden aber auch seinen Einfluss in der Region stärken.
Strategisch wichtig war die Eroberung der niederlitauischen Region Žemaitija. Sie sollte die preußischen und livländischen Territorien des Deutschen Ordens im Westen und im Norden von Litauen miteinander verbinden.
Litauens Expansion und ein wichtiges Bündnis
Unterstützt wurde der Deutsche Orden bei seinem Vorhaben nicht nur vom Papst. 1337 verlieh Ludwig IV., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, dem Orden eine Urkunde, die ihn zur Eroberung Litauens berechtigte.
Doch Litauen gewann im 14. Jahrhundert stetig an Macht hinzu und gründete gemeinsam mit Polen eine Union, die beide Länder stärkte – auch wenn sie wenig romantisch begann.
Ludwig IV. übergibt Litauen dem Deutschen Orden
Für Königin Jadwiga (auch Hedwig genannt) wurde dringend ein Ehemann gesucht. Der litauische Fürst Jogaila (auch Jagiełło) kam in die engere Wahl. Die als besonders schön und fromm geltende Elfjährige weigerte sich zwar standhaft, den Verhandlungen zu einer Vermählung mit dem wesentlich älteren Heiden zuzustimmen. Doch schließlich musste sie sich fügen.
Die Litauer lassen sich taufen
Der am 14. August 1385 geschlossene Unionsvertrag von Krewo gliederte Litauen der Krone Polens an. Er regelte außerdem, dass mit Jogaila auch sein Volk das römische Christentum annehmen und sich taufen lassen sollte.
Am 18. Februar 1386 heirateten Jogaila und Jadwiga; kurz darauf wurde der Litauer zum König von Polen gekrönt und war damit seiner Gemahlin gleichgestellt.
In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten nahmen so gut wie alle heidnischen Litauer den christlichen Glauben an. Den Deutschen Orden brachte das dagegen in Bedrängnis: Dem wichtigsten Argument für die Kriegszüge war jede Grundlage entzogen. Missionieren musste der Deutsche Orden die Litauer nicht mehr.
Der Bräutigam Jogaila wird zum König Polens
Der große Krieg steht kurz bevor
Um den Deutschen Orden zu besänftigen, hatte Jogaila zum wiederholten Male die umstrittene Region Žemaitija an ihn abgetreten. Doch die dort lebenden Menschen wollten sich nicht damit abfinden und protestierten 1409 heftig.
Der Hochmeister des Ordens, Ulrich von Jungingen, verlangte von Jogaila, dass er in einem absehbaren Krieg zwischen dem Deutschen Orden und dem von Jogailas Vetter Vytautas geführten litauischen Herr neutral bleiben solle.
Als Jogaila darauf nicht reagierte, erklärte der Orden im August 1409 Litauen und Polen den Krieg. Nach kleineren Angriffen einigten sich beide Seiten auf einen Waffenstillstand bis zum Hochsommer 1410.
Bis dahin rüsteten sich beide Kriegsparteien für den bevorstehenden Feldzug – fest entschlossen, den Konflikt endgültig zu ihren jeweiligen Gunsten zu entscheiden.
Der Deutsche Orden scheint unbesiegbar zu sein
Zehntausende auf dem Schlachtfeld
Der Streitmacht von Jogaila und Vytautas gehörten neben polnischen und litauischen Kämpfern auch Weißrussen und Tataren an. Ulrich von Jungingen hatte dagegen von seinem Verbündeten, dem livländischen Ordenszweig, eine Absage erhalten: Der dortige Landmeister Conrad von Vytinghove hatte einen Sonderfrieden mit Vytautas geschlossen und blieb neutral.
Nachdem Litauer und Tataren am 13. Juli eine nahe gelegene Burg zerstört hatten, standen sich die beiden Kriegsparteien am Vormittag des 15. Juli 1410 zwischen den Dörfern Grünfelde und Tannenberg gegenüber.
Wie viele Menschen sich zur Schlacht versammelten, ist nicht überliefert. Historiker schätzen die Stärke des polnisch-litauischen Heeres auf über 30.000 und die des Heeres des Deutschen Ordens auf etwa 20.000 Mann.
Der Deutsche Orden hatte dennoch Anlass, auf seinen Sieg zu vertrauen: Zum einen waren seine Kämpfer besser ausgebildet, zum anderen besaßen sie Kanonen – die Gegenseite nicht.
Von großer Bedeutung war auch, dass die Jungfrau Maria als Schutzpatronin des Deutschen Ordens galt. Dieser Mythos hatte dem Deutschen Orden den Ruf eingebracht, unbesiegbar zu sein.
Der Ort der Schlacht in Polen heute
Die Litauer eröffnen das Gefecht
Am wenigsten Eindruck machte das selbstverständlich auf die erst frisch zum Katholizismus bekehrten Litauer. Deshalb ist es wohl kein Zufall, dass sie unter der Führung von Vytautas die Schlacht eröffneten, während die polnischen Einheiten noch zögerten.
Der Deutsche Orden reagierte auf die Angriffe der litauischen Reiter zunächst mit Kanonenfeuer. Doch die wenig zielgenaue Artillerie konnte kaum etwas ausrichten – zumal ein Großteil des Schwarzpulvers nach einem schweren Gewitterregen feucht und unbrauchbar geworden war.
Erst die schwere Kavallerie des Ordens zwang die Litauer zurückzuweichen. Bei deren Verfolgung wurde sie aber vom Rest der Truppe abgeschnitten.
Bis heute verehrt: Großfürst Vytautas
Der Deutsche Orden jubelt zu früh
Kurz darauf griffen die polnischen Truppen von der linken Flanke an. Im Gefecht gelangte ihr Reichsbanner in die Hände der Ordensritter. An den sicheren Triumph glaubend, stimmten diese ihre Siegeshymne "Christ ist erstanden" an – aber viel zu früh:
Jogaila befand sich nicht der Tradition entsprechend in der Nähe des Banners. Die Polen konnten ihren Gegner mit einem Gegenstoß überraschen und ihm das Banner wieder entreißen.
In dieser Phase der Schlacht griff Ulrich von Jungingen selbst in das Geschehen ein – und fiel. Diese Möglichkeit schien der Hochmeister vorab nicht in Betracht gezogen zu haben, denn nach seinem Tod war der Orden führungslos.
Das Heer begann sich aufzulösen und das nun auf der gegnerischen Seite eingesetzte böhmische Fußvolk sowie die zurückgekehrten Litauer dünnten dessen Reihen weiter aus. Wem nicht rechtzeitig die Flucht gelang, der wurde vom litauisch-polnischen Heer eingekesselt und getötet.
Ulrich von Jungingen starb auf den Schlachtfeld
Das Ende des Ordensstaates
Die Geschichtsschreibung interpretiert die Schlacht als entscheidendes Ereignis für die Entwicklung in Osteuropa. Innerhalb eines Nachmittags war die expansive Macht des Deutschen Ordens gebrochen. Von der Schmach der vernichtenden Niederlage in Tannenberg konnte sich der Staat nie wieder erholen.
Der zwischen beiden Kriegsparteien geschlossene Thorner Frieden von 1411 enthielt zwar noch einige Zugeständnisse: Das Territorium des Ordens blieb im Wesentlichen erhalten.
Doch interne Streitigkeiten sowie ein zweiter Krieg mit Polen und dem Preußischen Bund (1454-1466) ließen den Ordensstaat schließlich endgültig zerfallen.
Urkunde mit 39 Siegeln: der Thorner Frieden
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 27.05.2020)
Quelle: WDR