Bilder kann man auch ohne Pinsel malen – zum Beispiel mit einer Rakel. Das ist ein Werkzeug, mit dem man eigentlich Farbe über Stoffe oder Folien streicht. Viele Künstler verwenden Rakeln aber auch, um noch nasse Farben in mehreren Schichten übereinander auf der Leinwand zu verteilen.
Die Technik des Rakelns ähnelt dem Fensterputzen, wo der Wischer über das nasse Glas fährt und dabei manchmal überraschende Muster, Schlieren oder Streifen entstehen. Der Zufall spielt hier also eine große Rolle. Die Technik ermöglicht es den Künstlern, sowohl spontane als auch kalkulierte Effekte zu erzielen.
Beim Rakeln entsteht ein abstraktes Bild und verändert sich weiter, wenn man mit dem Schaber öfter über den Bildgrund fährt. Denn dann werden die übereinanderliegenden Farbschlieren wieder verwischt oder ganz abgekratzt, wodurch Einblicke und Durchblicke auf tiefer liegende Farbstrukturen entstehen. Fast magisch taucht so zuvor Gerakeltes später wieder auf.
Einer der ersten Künstler der Moderne, der die Rakeltechnik nutzte, war Karl Otto Götz (1914-2017). Seit den 1960er-Jahren lehrte er formlose (informelle) Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Zu seinen Studenten gehörte von 1961 bis 1964 auch Gerhard Richter, einer der berühmtesten deutschen Künstler der Gegenwart.
Der Künstler Gerhard Richter arbeitet oft mit Rakel-Technik
Richter machte die Rakeltechnik ab etwa 1980 zu seinem Markenzeichen. Er verwendet die Rakeln zum Beispiel als riesige Spachtel, die wie Lineale aussehen. Auch Richters berühmtes Bild "Abstraktes Bild Nr. 599" entstand mit Rakeltechnik. Es wurde 2015 für mehr als 45 Millionen Dollar versteigert.
Besonders ist Richter davon fasziniert, dass er nicht im Detail planen kann, wie ein Rakelbild am Ende aussieht, weil der Zufall eine große Rolle spielt. So will er die Vorstellung hinterfragen, dass alles perfekt kontrolliert werden kann.
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 18.12.2024)
UNSERE QUELLEN
- Ausstellungskatalog: "Gerhard Richter – Abstraktion". Museum Barberini Potsdam, Prestel Verlag 2023
- Robert Storr: "Gerhard Richter. Die Cage-Bilder". Verlagsbuchhandlung Walther König, Köln 2009
- Klaus Honnef: "Richter". Taschen Verlag, Köln 2022
- "Kunsthistoriker Schneede über Gerhard Richter: Er hat sich nie dem Zeitgeist angeschlossen"
- Dokumentation "Gerhard Richter – Meine Bilder sind klüger als ich" (NDR 1992)
Quelle: WDR