Porträt des Künstlers Gerhard Richter, aufgenommen 2010 in Köln

Kunst

Gerhard Richter

Gerhard Richter ist einer der prominentesten deutschen Künstler unserer Zeit. Seine Arbeiten reichen von Gemälden und Fotografien bis hin zu Skulpturen und Glasarbeiten. Berühmt sind seine fast fotorealistischen Darstellungen und seine abstrakten Rakel-Bilder. Zudem gestaltete er ein großes Fenster im Kölner Dom.

Von Claudia Posca

Vielseitige Stile und Techniken

Gerhard Richter ist ein Superstar der Kunst unserer Zeit. Und seine Werke sind ausgesprochen vielseitig: Er experimentiert mit unterschiedlichen Ansätzen – Fotografie und Malerei, realistische und abstrakte Darstellungen. Er nutzt Foto-Übermalungen und Installationen mit Spiegeln und mit Glas, um vielschichtige Ebenen zu schaffen und die Werke dreidimensional zu gestalten.

Bekannt sind zum Beispiel Richters abstrakte Bilder. Sie bestehen aus vielen bunten Farben, die auf die Leinwand gemalt oder gewischt sind. Sie zeigen keine erkennbaren Figuren oder Gegenstände, sondern nur Farben und Formen.

Anfang der 1960er Jahre entdeckte Gerhard Richter außerdem die sogenannte Rakel-Technik für sich – eine ungewöhnliche Mal-Technik ohne Pinsel. Eine Rakel ist ein Werkzeug, das aus einem Griff und einer flachen Platte besteht. Mit der Rakel wird die Farbe über die Leinwand gestrichen.

Der Maler Gerhard Richter bei der Arbeit mit einer Rakel in seinem Studio (1992)

Gerhard Richter bei der Arbeit mit einer Rakel

Richter ist auch berühmt für seine fast fotorealistischen Öl-Gemälde: Die Personen und Dinge darauf wirken wie fotografiert – nur dass die Bilder leicht verschwommen oder weichgezeichnet erscheinen.

Gerhard Richter nennt das "verblurrt". Dabei verfremdet er seine Motive durch einen wie wattig erscheinenden Farbauftrag, um die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion zu erforschen.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist sein Bild "Betty", das eine Tochter Richters zeigt. Die junge Frau auf dem Bild wendet sich vom Betrachter ab, so dass nur ihr Hinterkopf zu sehen ist und nicht ihr Gesicht – das ist sehr ungewöhnlich für ein Porträt.

Auf einem Ölgemälde ist der Hinterkopf einer jungen Frau zu sehen, die sich vom Betrachter abwendet

"Betty" ist ein ungewöhnliches Porträt und zeigt eine Tochter von Gerhard Richter

Außerdem experimentierte Richter auch mit Glas, wie zum Beispiel beim "Richter-Fenster" im Kölner Dom. Dieses Fenster besteht aus rund 11.000 quadratischen bunten Glasstücken, die ein farbenfrohes Muster bilden.

Richter hat viele Auszeichnungen für seine Arbeit erhalten, und seine Werke wurden in großen Museen und Galerien auf der ganzen Welt ausgestellt – beispielsweise im New Yorker Metropolitan Museum, in der Tate Modern Gallery in London und in der Berliner Nationalgalerie. Den bisher höchsten Preis erzielte sein "Abstraktes Bild 599", das 2015 für mehr als 45 Millionen Dollar versteigert wurde.

Seine Themen und künstlerische Bedeutung

Zu den zentralen Themen in Richters Kunst gehört das Verhältnis zwischen Erinnerung und Geschichte, vor allem der deutschen Geschichte.

Als sein wichtigstes Werk nennt er selbst den 2014 gemalten "Birkenau"-Zyklus, für den er Fotografien von Häftlingen des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau abstrakt übermalt hat.

Eine Fotoversion des "Birkenau"-Zyklus hängt im Westeingang des Berliner Reichstags – dort, wo die Besucher und Regierungschefs aller Länder zuerst ankommen. Ein starkes Symbol: Es zeigt, dass sich Deutschland mit diesem Teil seiner Geschichte – den zwölf Jahren der Nazi-Diktatur unter Adolf Hitler – weiterhin auseinandersetzt und ihn als ständige Erinnerung im Zentrum des Deutschen Bundestags vor Augen hat. "Wer in diesen Platz der deutschen Demokratie will, der muss hier durch. Zwischen 'Birkenau' und Nationalflagge", sagte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert bei der Enthüllung der Bilder im Reichstag.

Richters Bedeutung liegt nicht nur in seinem künstlerischen Können, sondern auch in seiner Fähigkeit, die Grenzen der Kunst zu erweitern und neue Wege zu beschreiten. Seine Werke fordern die Betrachter heraus, die Realität zu hinterfragen und die Vielschichtigkeit von Bildern zu erkennen.

Kunstexperten sehen in Gerhard Richter daher eine Schlüsselfigur der Kunstgeschichte  – also einen sehr einflussreichen Künstler mit Vorbildfunktion. Tatsächlich haben viele andere bekannte Künstler berichtet, dass sie von Richters Bildern inspiriert wurden: zum Beispiel die Maler Neo Rauch und Katharina Grosse oder die Fotografen Jeff Wall, Andreas Gursky und Thomas Struth. Die amerikanische Punkrock-Band "Sonic Youth" nutzte das Gemälde "Kerze" 1988 für das Cover ihrer Schallplatte "Daydream Nation".

Gemälde einer brennenden Kerze von Gerhard Richter

Die "Kerze" schaffte es auch auf ein Plattencover

Sein Lebenslauf

Gerhard Richter kommt am 9. Februar 1932 in Dresden zur Welt. Seine Mutter Hildegard ist Buchhändlerin, sein Vater Horst Lehrer am Gymnasium. In den ersten Jahren seines Lebens kommen die Nazis am 30. Januar 1933 an die Macht kommen, was sein künstlerisches Werk sehr beeinflussen wird.

Später geht er wie die meisten Jungen in dieser Zeit zu den "Pimpfen" – also zur Kindergruppe der Hitlerjugend. 1936 wird seine Schwester Gisela geboren, 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Auch sein Vater und zwei Onkel, Rudi und Alfred, müssen als Soldaten in den Krieg ziehen. Die Onkel sterben beide an der Front.

Die Erlebnisse seiner Kindheit prägen seine Kunst bis heute – auch, dass seine Tante Marianne Schönfelder von den Nationalsozialisten erst zwangssterilisiert und dann ermordet wird. Viele Jahre später erfährt Gerhard Richter, dass auch sein erster Schwiegervater Heinrich Eufinger als Frauenarzt während der Nazi-Zeit an Hunderten Zwangssterilisationen beteiligt war.

Ein Ölgemälde zeigt ein 14-jähriges Mädchen mit einem Baby

Das Bild "Tante Marianne" zeigt Gerhard Richter als Baby mit seiner Tante

Ein erster Schritt auf Richters Weg als Künstler ist eine Fotokamera, die seine Mutter ihm 1945 schenkt. Wie man Bilder kreativ gestaltet, lernt Gerhard Richter dann ab 1949: zunächst in seiner Ausbildung zum Werbe- und Plakatmaler und später im Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden.

Dort soll er im Stil des so genannten "Sozialistischen Realismus" malen – also gegenständlich und nicht abstrakt, wie er es eigentlich will. So siedelt Gerhard Richter kurz vor dem Mauerbau 1961 nach Düsseldorf um und beginnt mit knapp 30 Jahren ein zweites Studium. Später lehrt er an der Kunstakademie Düsseldorf mehr als 20 Jahre lang als Professor für Malerei.

Heute lebt der weltberühmte Künstler in Köln. Über sein Privatleben ist nur wenig bekannt: zum Beispiel, dass er zum dritten Mal verheiratet ist. Seine Ehefrau ist die Künstlerin Sabine Moritz. Gerhard Richter hat vier Kinder, die er auch in einigen Bildern porträtiert hat.

(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 18.12.2024)

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Quelle: WDR

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