Das erste deutsche Musical
Anders als der Name vermuten lässt, ist die "Dreigroschenoper" keine Oper, sondern ein Theaterstück mit Songs, die an Schlager und Jazzmusik angelehnt sind. Damit ist es eher ein Musical.
Zum ersten Mal wurde die Dreigroschenoper 1928 in Berlin aufgeführt, die Handlung spielt etwa 90 Jahre früher in London. Es geht um den Bettler Peachum, dessen Tochter Polly den Verbrecher Mackie Messer heiratet. Doch Peachum verbündet sich mit dem Polizeichef Tiger Brown und schmiedet einen heimtückischen Plan, der zu Mackies Verhaftung und Verurteilung führen soll. Zum Schluss aber wird Mackie nicht nur begnadigt, sondern sogar geadelt.
Theaterprogramm zur Uraufführung der Dreigroschenoper
Mit dem Stück kritisierte der Verfasser Bertolt Brecht einige Aspekte der 1920er-Jahre, die er problematisch fand: zum Beispiel die kitschigen Vorstellungen von Liebe, das große Ansehen von Soldaten und Militär in der Gesellschaft und den herrschenden Kapitalismus – weil in dieser Wirtschaftsform einige Unternehmer immer reicher wurden und die große Mehrheit der Arbeiter in Armut lebte.
Doch die Kritik wurde nicht belehrend vorgetragen, sondern über witzige Texte und eingängige Lieder vermittelt. Brecht nannte diese Form des Theaters, welche die Zuschauer aufrütteln und zugleich amüsieren sollte, "Episches Theater".
Ein Meisterwerk im Eiltempo
Entwickelt hatte Bertolt Brecht das Stück für die Neueröffnung des Berliner "Theater am Schiffbauerdamm" am 31. August 1928. Die Musik verfasste der Komponist Kurt Weill, mit dem Brecht schon einmal zusammengearbeitet hatte. Das Stück entstand in nur wenigen Monaten.
Das wohl bekannteste Lied schrieb Brecht sogar erst in der Nacht vor der Uraufführung: "Die Moritat von Mackie Messer", also ein schauriges Erzähllied über den Bandenchef Mackie Messer.
"Dreigroschenoper" 1928 mit der Darstellerin Roma Bahn (links) und dem Darsteller Erich von Ponto
Dass das Werk so schnell fertig werden konnte, hatte wohl auch damit zu tun, dass Brecht nur einen kleinen Teil der Arbeit selbst erledigen musste: Erstens übernahm er die Handlung und viele Figuren im Stück aus der "Beggar's Opera", geschrieben vom Briten John Gay im Jahr 1728.
Zweitens war es Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann, die auf das Stück von Gay aufmerksam geworden war und auch die Übersetzung aus dem Englischen übernahm. Später verfasste sie sogar Teile der Dreigroschenoper.
Drittens bediente sich Brecht auch bei Gedichten des Franzosen Francois Villon, die schon vorher ins Deutsche übersetzt worden waren. Teils hatte er die Texte kaum verändert.
Dass Brecht einfach aus der Übersetzung abgeschrieben hatte, konnte der Theaterkritiker Alfred Kerr schon kurz nach der Uraufführung nachweisen. Das schadete jedoch weder Brecht noch dem Erfolg der "Dreigroschenoper".
1931 wurde die Dreigroschenoper verfilmt – hier das Filmplakat
Erfolg über Nacht
Denn die Dreigroschenoper war ab der ersten Aufführung ein riesiger Erfolg. Schon im ersten Jahr wurde das Stück 4000mal aufgeführt – von 200 verschiedenen Theatergruppen. Die Lieder wurden sofort zu Ohrwürmern, und zwar nicht nur bei Menschen, die ins Theater gingen.
Viele Sätze aus dem Stück wurden zu Redensarten. Wahrscheinlich am berühmtesten ist der Satz "Erst kommt das Fressen und dann die Moral" – also dass sich nur solche Menschen Wertvorstellungen leisten können, deren Überleben schon gesichert ist.
Bis heute ist das Stück sehr beliebt und wird immer noch häufig aufgeführt. Denn viele Themen, die darin angesprochen werden, sind bis heute aktuell: zum Beispiel, dass das Geld das Leben der meisten Menschen bestimmt. Auch im Theater am Schiffbauerdamm steht es regelmäßig auf dem Programm, aufgeführt vom "Berliner Ensemble" – der Theatergruppe, die Brecht 1949 gründete.
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 10.10.2024)
UNSERE QUELLEN
- Bertolt Brecht: "Die Dreigroschenoper". Berlin, Suhrkamp. Neueste Auflage 2022
- Stephen Parker: "Bertolt Brecht. Eine Biografie". Berlin, Suhrkamp 2018
- Berliner Ensemble Magazin: "Das Ringen um die Dreigroschenoper"
Quelle: WDR