Geschichte: Entwicklung der Comics
Planet Wissen. 25.03.2019. 02:14 Min.. Verfügbar bis 25.03.2028. WDR.
Literatur
Comics
Superman, Spider-Man und Dagobert Duck: Comicfiguren finden Millionen von Lesern auf der ganzen Welt. Den Anfang machte ein freches Kind in einer New Yorker Zeitung.
Von Martin Horn
Die Geburtsstunde des Comics
Die Geschichte des Comics beginnt mit Yellow Kid. Eine Zeichnung von dem Jungen mit den Segelohren erschien am 5. Mai 1895 zum ersten Mal in der New Yorker Zeitung Sunday World. Der Zeichner: Richard F. Outcault.
"Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde des Comics, wie wir ihn heute kennen", sagt der Kulturwissenschaftler Daniel Stein von der Universität Siegen.
Richard F. Outcaults Yellow Kid
Die wesentlichen Zutaten für einen Comic: Sprechblasen, Rahmen (auf Englisch: "panel"), sequenzielle Bilderfolgen. Vieles davon war bereits vor Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, vor allem in Europa.
Vorgänger der sequenziellen Bilderfolgen erschienen beispielsweise schon im Mittelalter: In Bayeux im Nordwesten Frankreichs hängt ein 70 Meter langer Wandteppich, der die Eroberung Englands durch die Normannen darstellt.
Der Zeichner Rodolphe Töpffer aus der Schweiz verwendete die charakteristischen Panelrahmen schon 60 Jahre vor Yellow Kid.
Auch Wilhelm Buschs Werk Max und Moritz, das 1865 erschien, lässt den Laien unweigerlich an einen Comic denken.
Der Wandteppich von Bayeux
Die ersten Jahrzehnte
In den ersten Jahrzehnten erschienen Comics fast ausschließlich in Zeitungen. Neben Yellow Kid prägten viele Strips den Comic, darunter Katzenjammer Kids von Rudolph Dirks, Krazy Kat von George Herriman und Little Nemo von Winsor McCay.
Ende der 1902er-Jahre druckten die Verlage die ersten Comichefte. Diese ersten Hefte richteten sich vor allem an Kinder und Jugendliche.
Im Januar 1929 erschienen erstmals Tarzan und Buck Rogers. Beide Reihen erweiterten das Spektrum des Comics um zwei Genres: Science-Fiction und Abenteuer.
Beide unterschieden sich von den bisherigen Comics, die vor allem lustig waren und deshalb auch "funnies" genannt wurden (von funny = lustig). Tarzan und Buck Rogers dagegen waren ernster und bildgewaltiger, genau wie die Comicreihe Tintin (auf Deutsch: Tim und Struppi). Sie erschien erstmals 1946 und stammte aus Belgien, dem Mutterland des Comics in Europa.
Tim und Struppi: Der Zeichner Hergé entwickelte den Zeichenstil "Ligne claire"
Ihr Schöpfer Hergé umrandete die Figuren und Formen mit einer schwarzen Linie. Mit der Ligne claire prägte er die Comicwelt maßgeblich.
Die erfolgreichste Ära der Comics läutete jedoch ein Superheld aus den USA ein.
Das Goldene Zeitalter
Mit Superman von Jerry Siegel und Joe Shuster begann 1938 ein neues Zeitalter für den Comic. Der Held vom fiktiven Planeten Krypton hat Superkräfte: Er kann etwa fliegen, Autos hochheben und mit seinen Augen lasern.
Das Cover des ersten Superman-Comics im Juni 1938
Seine Popularität ließ die Verkaufszahlen von Comicheften rasch durch die Decke schießen. Es folgen weitere Superhelden wie Batman, Captain America und Wonder Woman.
Sie alle sorgten dafür, dass sich das Comicheft endgültig als Unterhaltungsform in den USA etablierte.
Im Zweiten Weltkrieg spielten die Superhelden eine wichtige Rolle in der Propaganda – sie symbolisierten das Gute (Amerika) im Kampf gegen das Böse (Nazideutschland, Japan oder Italien).
Das zeigt zum Beispiel das Cover von Captain America, der Adolf Hitler angreift.
"Captain America" im Kampf gegen Hitler
Das Ende des Goldenen Zeitalters
Das Goldene Zeitalter der Comics endete 1954 mit der Veröffentlichung von Frederic Werthams Buch Seduction of the Innocent. Seine These darin: Die Comics schadeten den Jugendlichen.
Batman und Robin seien schwul, behauptete Wertham. Die Verlage reagierten darauf mit einer Selbstzensur, dem so genannten "Comics Code". Sie verbannten zum Beispiel Sex, Gewalt und Drogen aus den Comics.
Davon profitierten Mickey Mouse, Donald und Co: In der Disney-Welt herrschte Friede, Freude, Eierkuchen – und so klingelte bald auch die Kasse des Unternehmens.
Die wohl berühmteste Maus der Welt: Mickey Mouse von Walt Disney
Underground-Comics kennen keine Tabus
In den 1960er-Jahren brach Robert Crumb mit seinen Underground-Comics, den Zap-Comix, viele Tabus – und verstieß damit auch gegen den Comics Code.
Die Figuren in seinen Comics rauchten Haschpfeifen, prügelten sich bis aufs Blut und hatten Sex. An Details sparte der Zeichner nicht.
Auch Andy Warhol entdeckte die Comics für seine Kunst, indem er beispielsweise Superhelden wie Batman und Superman in seine Werke integrierte.
Mit Spider-Man vom Marvel-Verlag erschien ein Superheld, der nicht nur gegen Schurken kämpfte, sondern auch mit den Problemen des Erwachsenwerdens.
Er wächst ohne Eltern auf, versucht als Reporter in einem Zeitungsverlag Fuß zu fassen und ist hoffnungslos verliebt. Das macht Peter Parker, wie Spider-Man mit bürgerlichem Namen heißt, menschlich. Er ist einer von uns.
Die Helden aus Europa
Anders als die Helden aus Europa: In Frankreich zeichnete Albert Uderzo die beiden Figuren Asterix und Obelix. Die beiden Gallier bieten Caesar und seinem römischen Imperium die Stirn – mithilfe eines Zaubertranks, den der Druide Miraculix braut.
In Deutschland entwickelte Rolf Kauka die beiden Füchse Fix und Foxi. Der eine ist schnell, der andere bedacht. Beide sind offen und sozial.
Comichelden aus Deutschland: Fix und Foxi
Neue Form, neuer Stil: die Graphic Novel und der Manga
Will Eisner schaffte 1978 mit A contract with God die erste Graphic Novel. Die Comicform besticht durch Seriosität, was vor allem Erwachsene anspricht. Was damals neu war: Die Verlage ließen die Graphic Novels zu Büchern mit festem Einband binden.
Internationale Aufmerksamkeit erhielt die Graphic Novel durch das Werk Mouse von Art Spiegelman. Der Künstler verarbeitete darin die Geschichte seines Vaters, der das Konzentrationslager Auschwitz überlebt hat. Spiegelmans Arbeit wurde 1992 mit dem Pulitzerpreis honoriert.
Art Spiegelmans Graphic Novel "Maus"
Mangas erobern den Markt
Die Mangas erlebten in Deutschland in den 1990er-Jahren einen Boom. In ihrem Heimatland Japan hatte sich das Genre bereits in den 1950er-Jahren etabliert.
Mangas zeichnen sich durch eine besondere Bildsprache aus: Die Gefühle der Figuren werden teilweise mit grafischer Übertreibung dargestellt, zum Beispiel indem sich die Figuren aufblähen oder die Augen weit aufreißen.
Diese überproportionale Darstellung nennen die Zeichner super deformed (Englisch für: superdeformiert).
Auch in Deutschland äußerst beliebt: die Mangafigur Sailor Moon
Sexualität und Selbstfindung sind die zentralen Themen des Mangas. Reihen wie Sailor Moon, Pokémon und Kickers erschienen in Deutschland zeitgleich als Comicheft und Fernsehserie.
"Die Mangas sind extrem populär: Sie verkaufen sich weltweit am besten", sagt der Kulturwissenschaftler Daniel Stein.
Hollywood entdeckt die Superhelden
Während die Mangas die Fernsehschirme eroberten, entdeckten die Superhelden die Kinoleinwände für sich. 1999 vergab Marvel 23 Lizenzen für Superheldenfilme.
Die Produktionsfirmen aus Hollywood durften nun die Comics verfilmen. Ob Spider-Man oder X-Men – die Superhelden spülen bis heute Millionen von US-Dollars in die Verlagskassen. Und mit den Hollywoodstreifen stiegen auch die Auflagen der gedruckten Comics.
Superhelden auf der Kinoleinwand
Die Zeichner arbeiten vor allem digital: Sie nutzen Grafiktablets, um die Panels ihrer Hefte zu zeichnen. Auch die Farben tragen sie digital am Rechner auf.
Auch wenn neue, digitale Formate entstehen: Die Wurzeln des Comics liegen im Analogen – und viele Leser bevorzugen immer noch das Papier gegenüber dem Bildschirm.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 25.03.2019)
Quelle: WDR