Die Schnecke von Paris
Wie in kaum einem anderen Land Westeuropas ist das Leben in Frankreich auf die Hauptstadt ausgerichtet. Fast ein Fünftel aller Franzosen lebt in Paris. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte die Stadt etwas mehr als zwei Millionen Einwohner. Im Großraum Paris mit den Ballungsgebieten sind es insgesamt rund 12,5 Millionen.
Seit 1790 ist Frankreich in kleine Verwaltungseinheiten eingeteilt, die Départements. Es gibt 100 Départements und seit 1960 zudem 26 Regionen, an deren Spitze ein Regionalpräsident steht. Paris gehört zur Region Île-de-France, die acht Départements hat. Sie ist damit zugleich Stadt und Département.
Paris selbst besteht aus 20 Stadtbezirken, den sogenannten Arrondissements. Die Bewohner nennen sie liebevoll "l'escargot": die "Schnecke von Paris". Denn die Nummerierung erfolgt in Form einer Spirale. Die Mitte der Schnecke bildet der historische Stadtkern mit dem ersten Arrondissement.
Im ersten Arrondissement befinden sich die meisten berühmten Gebäude, Denkmäler und Plätze: zum Beispiel der Louvre, der Palais Royal oder die Palastkirche Sainte-Chapelle. Jedes Arrondissement, das wiederum aus vier Quartiers besteht, hat nicht nur seine eigene Verwaltung, sondern auch seine ganz eigene Ausstrahlung und Architektur – eben einen einzigartigen Charme.
Pariser Stadtbezirke
Schauplatz geschichtlicher Großereignisse
Die Seine-Metropole war seit jeher Schauplatz der wichtigsten Ereignisse Frankreichs; die Geschicke der Stadt beeinflussten die Entwicklung der Grande Nation. Im 3. Jahrhundert vor Christus besetzten die Kelten die Region Île-de-France. Der Stamm der Parisii besiedelte die Stadtinsel Île de la Cité. Paris hieß damals noch Lutetia; Caesar erwähnte diesen Namen erstmals 52 vor Christus.
In der Antike herrschten hier die Römer. Im Mittelalter war Paris Hauptstadt des Fränkischen Reiches und erlebte zahlreiche Eroberungen, Zerstörungen, Katastrophen, aber auch Blütezeiten. Im 12. Jahrhundert wurde die Kathedrale Notre-Dame erbaut, es wurden Markthallen errichtet, Paris bekam die erste Stadtmauer. 1257 wurde das linke Seine-Ufer mit der Gründung der Sorbonne zu einem intellektuellen Zentrum.
Doch wer an das historische Frankreich und Paris denkt, der hat vor allem das Bild von Ludwig XIV. und seiner Glanzzeit feudaler Macht vor Augen, die schließlich mit der Französischen Revolution im Untergang des Ancien Régime endete. In Paris überschlugen sich die Ereignisse. Das Volk – von Hunger und revolutionärer Energie getrieben – stürmte am 14. Juli 1789 die Bastille. Drei Jahre später war die Monarchie abgeschafft.
Nach der Schreckensherrschaft unter Robespierre fanden große politische und gesellschaftliche Umwälzungen statt, wie die Einführung der Bürgerrechte oder die Umstrukturierung des Bildungssystems.
Untergang des Ancien Régime: der Sturm auf die Bastille
Glanz neben Gloria: Pariser Großprojekte
Der französische Feldherr Napoleon wollte Paris in die schönste Metropole der Welt verwandeln. Für seine Pläne ließ er unter anderem das Panthéon vollenden und den symbolträchtigen, monumentalen Arc de Triomphe erbauen. Napoleon, der sich am 2. Dezember 1804 in Notre-Dame selbst zum Kaiser der Franzosen krönte, liebte die Macht, Pracht und die große Inszenierung.
Der Präfekt Baron Georges-Eugène Haussmann eiferte ihm nach: Er veränderte Mitte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild von Paris radikal. 20.000 Häuser und ganze Viertel mussten seinen protzigen Boulevards weichen. Unter Haussmann entstanden aber auch neue Wasserleitungen und ein dringend notwendiges Kanalisationssystem.
Ein Jahrhundert später strebten die Herrscher im Elysée-Palast immer noch nach Glanz und Gloria. Der einstige Präsident François Mitterrand soll einmal gesagt haben: "Man kann keine große Politik ohne große Architektur machen."
Mitterrand verewigte sich mit dem Bau der Bastille-Oper für die 200-Jahr-Feier der Französischen Revolution 1989, mit dem Bau der gewaltigen Glaspyramide im Louvre, der gigantischen Grande Arche im modernen Büroviertel La Défense sowie der Nationalbibliothek, deren vier gläserne Türme an aufgeschlagene Bücher erinnern sollen. Seine Projekte brachten dem ehemaligen Präsidenten den ehrenvollen wie bissigen Beinamen "Dieu" ("Gott") ein.
Prestige-Objekt: die Nationalbibliothek
Mitterrand übertraf damit seine Amtsvorgänger um Längen: Charles de Gaulle hatte seinerzeit die ersten modernen und monströsen Hochhäuser errichten lassen, Georges Pompidous Name steht für den auf seine Initiative entworfenen Kunst- und Kulturpalast, das Centre Pompidou. Und Giscard d'Estaing ließ den stillgelegten Bahnhof am Seine-Ufer zum Musée d'Orsay umbauen.
Sie alle setzten für die Nachwelt ein Zeichen. Das unbestrittene Wahrzeichen von Paris aber bleibt der Eiffelturm. Einst als "teuflische Konstruktion" beschimpft, wurde er zum 100-jährigen Jubiläum der Revolution und zur Weltausstellung 1889 fertiggestellt.
Museen und Metro, Cafés und Kino: Pariser Vielfalt
Paris, das ist immer auch ein Lebensgefühl. Dazu gehört beispielsweise die Café-Kultur. An fast allen Straßenecken kann man sich zu einem Café au lait und einem Croissant niederlassen. Einige Cafés haben sogar legendären Ruf erlangt.
Ernest Hemingway schrieb in der "Closerie des Lilas" seine Kurzgeschichten. Jean-Paul Sartre debattierte im "Café de Flore". Oscar Wilde frühstückte im "Deux Magots". Und das Café "Deux Moulins" auf Montmartre ist durch das Filmmärchen "Die fabelhafte Welt der Amélie" berühmt geworden.
Café-Kultur: "Les Deux Magots"
Bewegen sollte man sich in Paris auf gar keinen Fall mit dem Auto, die Stadt erstickt am Verkehr. Dafür gibt es die Métro. Angeblich hat Paris das dichteste U-Bahn-Netz der Welt. Kein Haus ist weiter als 500 Meter von einer Haltestelle entfernt.
Doch die Métro ist mehr als ein Fortbewegungsmittel. Sie ist zugleich auch eine Art kulturelles Zentrum. In den Gängen laden Statuen zum Museumsbesuch, Künstler zeigen kleine Darbietungen, Musiker spielen Flöte oder Saxophon.
Des Weiteren prägen die typischen Buchhändlerstände (Bouquinistes) mit ihren gebrauchten und antiquarischen Büchern das Stadtbild, auf dem Place du Tertre auf Montmartre residieren die Maler. Auch wenn Kritiker sagen, dass die Champs-Elysées immer mehr an Flair verlieren, so bleibt es ein Erlebnis, das zu jedem Paris-Besuch gehört: vom Place de la Concorde zum Arc de Triomphe zu flanieren.
Paris, das ist Vielfalt: Es gibt mehr als 100 Museen, zahlreiche Kinos, Tradition neben Moderne. Der Schriftsteller Julien Green sagte einmal: "Als ich ein Kind war, fragte ich mich oft, wie es möglich ist, dass der einfache Name Paris so viele verschiedene Dinge bezeichnet."
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 08.09.2023)
Quelle: WDR