Skulpturengruppe am Denkmal des Warschauer Aufstandes

Polen

Der Warschauer Aufstand 1944

Tausende Polen wehrten sich im Sommer 1944 gegen die deutschen Soldaten, die ihr Land im Zweiten Weltkrieg besetzt hatten. Die Deutschen antworteten mit brutaler Härte: Sie ermordeten fast 200.000 Menschen und verwüsteten die Stadt.

Von Katrin Lankers

Der Warschauer Aufstand ist für die Polen bis heute Mythos und Trauma zugleich. Es war die größte bewaffnete Erhebung gegen die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs – und einer der blutigsten Kämpfe, den die Polen je geschlagen haben.

Gleichzeitig war es eine der größten Niederlagen: 63 Tage lang setzten sich die Aufständischen gegen die deutschen Truppen zur Wehr. Die traurige Bilanz: 180.000 tote Zivilisten, 15.000 tote polnische Soldaten und eine ganze Stadt in Trümmern.

Durch den deutschen Überfall wird die polnische Armee im September 1939 zerschlagen. Gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt (deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt) wird das Land zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Zigtausend polnischen Soldaten und Offizieren sowie einer großen Zahl von Politikern gelingt die Flucht aus der besetzten Heimat nach Frankreich. Dort bildet sich eine Exilregierung, die nach der Niederlage Frankreichs nach London flüchtet.

Schwarz-weiß-Bild: Der deutsche Reichsminister des Auswärtigen Joachim von Ribbentrop unterzeichnet den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt.

Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts

In Polen formiert sich derweil der Widerstand. Ein Untergrundstaat entsteht, der ein geheimes Presse- und Sozialfürsorgewesen ebenso wie illegale Hochschulen organisiert. Ende 1943, Anfang 1944 gelingt es der Exilregierung, die verschiedenen bewaffneten Widerstandsverbände zu einer Gruppe zusammenzuschließen: der Heimatarmee "Armia Krajowa", kurz AK.

Gedanken an einen Aufstand treiben die militärische Führung der AK schon länger um. Im Juli 1944 scheint der Zeitpunkt dafür endlich gekommen. Die Alliierten sind in der Normandie gelandet. Im Führerhauptquartier verüben Widerständler einen Anschlag auf Adolf Hitler. Wehrmachtssoldaten fliehen durch Warschaus Straßen vor der nahenden Roten Armee. Die Heimatarmee bereitet sich auf einen Angriff vor.

Als die sowjetischen Truppen kurz vor der Stadt stehen, ist es so weit. Der Oberbefehlshaber der AK, General Tadeusz Bor-Komorowski, legt die "Stunde W" (Wyzwolenie bedeutet Befreiung) für den 1. August 1944, 17 Uhr fest.

20.000 Kämpfer der Heimatarmee erheben sich gegen die deutschen Besatzer. Sie sind schlecht bewaffnet und kämpfen gegen eine Überzahl gut ausgebildeter Soldaten mit modernem Kriegsgerät. Trotzdem gelingt es der AK, die Hälfte der Stadt westlich der Weichsel zu befreien.

Ein Kämpfer der polnischen Heimatarmee während der Straßenkämpfe in Warschau 1944

Ein Kämpfer der polnischen Heimatarmee während der Straßenkämpfe 1944

Als die Meldungen vom Aufstand das Führerhauptquartier erreichen, befiehlt Heinrich Himmler: Alle Polen in Warschau, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, sind zu erschießen. "Warschau ist dem Erdboden gleichzumachen, um Europa zu zeigen, was es bedeutet, einen Aufstand gegen die Deutschen zu unternehmen."

Und die Truppen folgen seinem Befehl. In den folgenden Wochen werden mehrere Zehntausend Zivilisten getötet, Häuserblocks gesprengt, ohne sie zu evakuieren, Menschen als lebende Schutzschilde missbraucht.

Die Rote Armee greift nicht ein, obwohl sie es könnte. Ein Sieg der nationalpolitischen AK, so vermutet man, lag nicht in Stalins Interesse, sondern hätte vielmehr seine Pläne gestört, nach dem Sieg über die Deutschen eine kommunistische Regierung in Polen zu errichten.

Nach herben Verlusten und Niederlagen tauchen die Aufständischen im September in die Kanalisation ab. Aus dem schwer zugänglichen Röhrensystem führen sie ihren Kampf weiter. In dunklen Gängen, die nur zwischen 70 Zentimeter und zwei Meter hoch sind, verschieben sie ihre Männer und versorgen ihre Verwundeten.

Die Deutschen fluten die Kanalisation, schütten giftige Chemikalien in die Öffnungen und werfen Granaten hinein. Am 2. Oktober kapituliert die Heimatarmee.

Fast 200.000 Opfer auf polnischer Seite gibt es zu diesem Zeitpunkt bereits. Etwa 18.000 polnische Soldaten schicken die Deutschen in Gefangenschaft, rund 300.000 Warschauer werden vertrieben oder in Konzentrationslager abtransportiert. Zuletzt vollenden die Deutschen die Zerstörung der Stadt. Fast 90 Prozent der Gebäude liegen in Trümmern, als die Rote Armee im Januar 1945 in Warschau eintrifft.

Ein Denkmal zeigt ein Kind in Uniform. Es hat einen Helm auf und ein Gewehr in den Händen.

Denkmal für die Kinder, die beim Aufstand gekämpft haben

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 31.07.2024)

Quelle: WDR

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