Barockmusik
Georg Friedrich Händel
Seine Musik eroberte die Welt im Sturm. Der Barock-Komponist Georg Friedrich Händel war schon zu Lebzeiten legendär. In London wurde der Deutsche gefeiert: erst mit italienischen Opern, dann mit Oratorien. Besonders beliebt ist bis heute sein "Halleluja" aus dem "Messias".
Von Matthias Corvin
Ein Deutscher zieht nach Italien
Georg Friedrich Händel wird am 23. Februar 1685 in Halle an der Saale geboren. Sein Vater ist Wundarzt im Dienst der Herzöge von Sachsen-Weißenfels, seine Mutter protestantische Pfarrerstochter. Er wächst mit zwei jüngeren Schwestern auf.
Die Eltern legen viel Wert auf gute Bildung. Nach dem frühen Tod des Vaters fördert die Mutter alleine das musikalische Talent ihres Sohnes. Händels erster und einziger Lehrer wird der angesehene Organist Friedrich Wilhelm Zachow.
Nach seiner Schulzeit schreibt sich Händel an der Universität Halle ein, vermutlich für das Fach Jura. Seine Liebe gehört aber längst der Musik, so wird er mit gerade 17 Jahren Organist am Dom in Halle.
Lange bleibt er dort nicht. Bald zieht er nach Hamburg. Da steht das erste von Bürgern finanzierte Opernhaus Deutschlands, die "Oper am Gänsemarkt". Händel arbeitet dort als Geiger und Cembalist und schreibt für diese Bühne seine erste Oper "Almira".
Doch der junge Komponist sehnt sich nach Italien, dem Land, in dem die Gesangskunst und insbesondere auch die Oper besonders gefördert und gepflegt werden. Händel will sich direkt vor Ort inspirieren lassen. 1706 macht er sich auf den Weg, der ihn nach Rom, Florenz, Neapel und Venedig führt. Dort trifft er Musiker wie Arcangelo Corelli.
Für die gehobene Gesellschaft komponiert er zahlreiche Vokal- und Instrumentalwerke sowie zwei Opern. Seine Musik kommt beim Publikum gut an, daher erhält er den Spitznamen "Il caro Sassone" – der geliebte Sachse.
In Italien knüpft er Kontakt zum Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover, der ihn 1710 als Kapellmeister an seinen Hof holt.
Piazza della Signoria in Florenz zu Händels Lebzeiten
Komponist der britischen Krone
Hannover bleibt jedoch nur eine Zwischenstation. Der Kurfürst von Hannover ist mit dem englischen Königshaus verwandt und soll als Georg I. Nachfolger von Königin Anne in London werden und den Thron dort besteigen.
Er schickt daher mehrere Freunde ins Land voraus, darunter seinen Hofmusiker Händel, der das englische Publikum 1711 mit seiner italienischen Oper "Rinaldo" begeistert. Ein Jahr später zieht Händel dann endgültig nach London. Als der Kurfürst von Hannover 1714 britischer König wird, steigt Händel zum Staatskomponisten auf.
Bei einem sommerlichen Schiffsausflug des Königshofs auf der Themse erklingt 1717 Händels weltberühmte "Wassermusik". Der König, der Adel und die spielenden Musiker fahren auf zahlreichen Booten den Fluss entlang. Das Publikum verfolgt das Ereignis vom Ufer aus und redet danach noch lange über diese außergewöhnliche Darbietung.
Händel und König Georg I. auf der Themse während einer Aufführung der "Wassermusik".
Ganz London liebt Händels Opern
Die Opern-Produktionen jener Zeit verschlingen viel Geld, doch Händel findet immer neue Sponsoren. Ab 1719 finanziert die von König Georg I. ins Leben gerufene "Royal Academy of Music" seine Opern-Aufführungen.
Auf Reisen sucht Händel nach geeigneten Sängerinnen und Sängern. Aus Dresden holt er den dort am Hof engagierten berühmten italienischen Sänger Francesco Bernardi – Künstlername Senesino. Dieser beeindruckt mit seiner "durchdringenden, hellen“ Stimme und singt "mit vielem Feuer", erklärt der Komponist und Zeitgenosse Johann Joachim Quantz. So ist Bernardini der ideale Interpret für Händels Musik.
Das Londoner Publikum liebt Händels Opern, die er am "King's Theatre" aufführt. Seine Erfolge heißen "Radamisto", "Giulio Cesare in Egitto" oder "Tamerlano".
Das "King's Theatre" am Haymarket in London
Händels Bühnenwerke handeln von Figuren aus der Geschichte und der antiken Mythologie. Er schildert ihr aufregendes Leben zwischen Liebe, Macht, Verrat und Tod. Das Hin und Her ihrer Gefühle verwandelt er in stürmische oder traurige Arien, die ins Ohr gehen.
Zwischen Erfolgen und Rückschlägen
Schließlich wird Händel sogar englischer Staatsbürger, kurz vor dem Tod des Königs Georg I. im Jahr 1727. Seine Stellung am Hof bleibt auch unter dem Nachfolger Georg II. gefestigt. Zu dessen Krönung komponiert Händel die weltbekannte Hymne "Zadok the Priest".
Auf dem Gebiet der Oper treten für Händel jedoch schwere Zeiten ein, denn die mit der "Royal Academy" konkurrierende "Opera of the Nobility" erschwert sein Geschäft. Dort singt der berühmte italienische Publikumsmagnet Carlo Broschi – genannt Farinelli. Da beide Londoner Opernunternehmen italienisch gesungene Opern anbieten, entbrennt zwischen ihnen ein Kampf um jede Eintrittskarte.
Zusätzlich nimmt die Begeisterung des Publikums für Opern auf Italienisch deutlich ab. Ein Grund hierfür sind englischsprachige Bühnenwerke wie die "Beggar’s Opera", die immer beliebter werden. Damit siegt der bürgerliche Geschmack über die vom Adel bevorzugte italienische Oper.
Als sich die "Royal Academy" 1733 schließlich auflöst, verliert Händel seinen Geldgeber. Doch er macht weiter, sammelt Gelder, engagiert Musikerinnen und Musiker und mietet eine Bühne.
Noch einmal erobert er das Publikum mit seiner Zauberoper "Alcina" samt einem neuartigen Ballett am gerade erbauten Theater in Covent Garden. Das künstlerische Auf und Ab der letzten Jahre hinterlässt allerdings seine Spuren: Im April 1737 bricht Händel zusammen und muss sich auf einer Kur in Aachen erholen.
"Covent Garden Theatre" um 1808
Mit Oratorien zum Triumph
Doch Händel kommt zurück und setzt auf eine neue Karte: das englischsprachige Oratorium mit biblischem Inhalt. Darin nehmen Chöre eine viel größere Rolle ein als in der Oper.
Ergreifende Arien gibt es aber hier wie dort. Am 13. April 1742 präsentiert Händel auf Einladung des irischen Vizekönigs William Cavendish in Dublin den "Messias". Es wird sein beliebtestes, da meistgespieltes Werk. Bei regelmäßigen Aufführungen ab 1750 im Londoner Waisenhaus "Founding Hospital" erklingt die Musik stets als Wohltätigkeitskonzert für die Einrichtung.
Viele weitere Oratorien entstehen, wie "Samson", "Judas Maccabaeus" oder "Jephta". In den Pausen der Aufführungen setzt sich der Komponist an die Orgel und spielt mit seinem Orchester virtuose Orgelkonzerte. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind erneut bezaubert.
Händels Charakter bleibt geheimnisvoll, da er über sein Privatleben kaum etwas preisgibt. Der englische Musikhistoriker und Zeitzeuge Charles Burney beschreibt ihn als ebenso aufbrausenden wie humorvollen Künstler voller "Geistesgröße und Genie". Er berichtet aber auch von cholerischen Wutanfällen.
Der im Alter fast erblindete und nie verheiratete Komponist stirbt am 14. April 1759 in London. Sein prachtvolles Grabmal befindet sich in der Westminster Abbey.
Händel hinterlässt eine Musik von europäischem Format. In ihr vereint er melodieseligen italienischen, tänzerischen französischen, strengen deutschen und hymnischen englischen Barockstil.
Sein Schaffen umfasst gut 600 Werke, darunter mehr als 40 Opern, mehr als 30 Oratorien und rund 100 Kantaten. Hinzu kommen Arien, Duette und Lieder, Orchesterwerke, Kammer- und Klaviermusik.
Notenhandschrift von Händel aus seinem Werk "Messias"
Händel – und kein Ende
Nach seinem Tod gilt Händel in England als ein Nationalheld. Bereits 1760 erscheint dort eine Biografie über ihn – die erste Komponisten-Biografie überhaupt. Noch im Jahr 1859 besuchen über 80.000 Menschen das viertägige "The Great Handel Festival" im Londoner Crystal Palace.
Im deutschen Sprachraum bleibt Händel ebenfalls lebendig. Ludwig van Beethoven nennt ihn "den größten Komponisten, der je gelebt hat". Wolfgang Amadeus Mozart und Felix Mendelssohn Bartholdy bearbeiten seine Oratorien.
Der Marktplatz in Halle mit dem Denkmal für Georg Friedrich Händel
Die Wiederbelebung von Händels Opern erfolgt in Deutschland erst in den 1920er-Jahren durch Festspiele in Göttingen und Halle, später auch in Karlsruhe. Seit den 1980er-Jahren erleben seine Werke eine weltweite Renaissance. Und dass Händels Musik nach wie vor begeistert, zeugt doch von der Zeitlosigkeit seiner Kunst.
UNSERE QUELLEN
- Händel, der Europäer: Führer durch die Ausstellung im Händel-Haus, Halle 2009
- Michael Heinemann: Georg Friedrich Händel. Verlag Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004
- Melanie Unseld (Hrsg.): Reclams Komponistenlexikon. Verlag Reclam, Stuttgart 2009
- Ingeborg Allihn: Barockmusikführer, Instrumentalmusik 1550-1770. Verlag Metzler/Bärenreiter, Stuttgart, Weimar, Kassel 2001
- Silke Leopold und Ullrich Scheideler: Oratorienführer. Verlag Metzler/Bärenreiter, Stuttgart, Weimar, Kassel 2000
(Erstveröffentlichung 2021. Letzte Aktualisierung 12.05.2021)
Quelle: WDR