Ordensgründer Ignatius von Loyola
Planet Wissen. 25.07.2023. 02:46 Min.. UT. Verfügbar bis 28.09.2026. SWR.
Ordensleute
Die Jesuiten
Verehrt und bewundert, verachtet und gefürchtet: Den Orden der Jesuiten umgibt seit jeher eine ganz besondere Faszination. Der spanische Adlige Íñigo López de Loyola gründete 1540 den mächtigen Männerbund "Societas Jesu" – die "Gesellschaft Jesu".
Von Horst Basting
Die Gründung des Ordens
Ignatius von Loyola und sechs Gefährten legen 1534 in einer kleinen Kapelle auf dem Pariser Montmartre ein Gelübde ab: Sie verpflichten sich zu einem Leben nach dem Vorbild von Jesus Christus, in Armut und Keuschheit. Damit ist das Fundament für einen neuen Mönchsorden gelegt. Die Mitglieder der neuen Gemeinschaft geben sich den Namen "Societas Jesu" ("Gesellschaft Jesu"), abgekürzt SJ.
Ignatius und seine Gefährten wollen Missionsarbeit im Heiligen Land leisten, doch durch den Türkenkrieg ist die Route ins Heilige Land unterbrochen. Daraufhin entscheiden sie sich, direkt nach Rom zu gehen, um sich ganz in den Dienst des Papstes zu stellen. Sie geloben ihm in einem vierten Gelübde absoluten Gehorsam. 1540 erkennt Papst Paul III. den Orden an.
Der Orden der Jesuiten
Der etwas andere Orden
Der neu gegründete Orden der Jesuiten will kein zurückgezogenes Leben hinter Klostermauern führen, sondern mitten unter den Menschen leben. Ignatius nennt sich in seiner Autobiografie selbst "Der Pilger". Das Unterwegssein, Lernen und Wachsen ist Leitgedanke des neuen Ordens.
Die Societas Jesu verzichtet auf ein Ordensgewand und das gemeinsame Chorgebet. Sie streben keine Ämter an, wollen ungebunden, mobil sein. Ignatius und seine Gefährten sehen ihre wichtigste Aufgabe im Dienst am Nächsten und in der direkten Verkündigung der Botschaft Jesu.
An der Spitze des Ordens steht der Generalobere. Disziplin, Strenge und Gehorsam zeichnen den Orden aus – vor allem unbedingter Gehorsam gegenüber der Zielsetzung des Ordens unter dem Motto: "Alles zur größeren Ehre Gottes". Der Orden wächst schnell und findet immer mehr Anhänger.
Die Jesuiten und die Bildung
Die Gesellschaft Jesu packt ein großes Problem ihrer Zeit an: die Bildung. Auch der Klerus ist schlecht ausgebildet. Die Bildungsarbeit wird ein Schwerpunkt der Jesuiten. Überall, wo der Orden sich niederlässt, entstehen jetzt Schulen, Kollegien und Universitäten, an denen Jesuitenlehrer kostenlos unterrichten.
Die Bildungseinrichtungen dienen den Jesuiten als Basis für ihre Seelsorge- und Erziehungstätigkeit – kommende Generationen sollen tief verwurzelt im katholischen Glauben heranwachsen.
Finanziert werden die Bildungseinrichtungen von den Fürsten und Städten. Die Jesuiten unterrichten aber nicht nur die Kinder von Adligen, sondern es werden begabte Kinder aller Schichten von den Priestern an die Schulen empfohlen.
Jesuitenkolleg und -kloster in Koblenz, 1769
Der Orden geht auch in der Wissensvermittlung neue Wege. Die jesuitische Erziehung zielt auf ganzheitliche Bildung ab. Alte Sprachen und die Inhalte der "Sieben freien Künste" des Mittelalters (Rhetorik, Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Musik, Geometrie, Astronomie) gehören zu den Unterrichtsfächern. Später kommen Physik, Medizin und Rechtswissenschaft dazu.
Die "Gesellschaft Jesu" verbindet nicht nur religiöse Erziehung mit humanistischer Bildung, sie setzt auch auf moderne Pädagogik. So spielt das Jesuitentheater eine große Rolle in ihren Ausbildungsstätten. Im Theaterspiel sehen sie einen Weg, die Menschen in religiösen und moralischen Themen, anschaulich und unterhaltsam weiterzubilden.
Ihr guter Ruf als Lehrer und Erzieher öffnet den Jesuiten die Pforten zu den katholischen Fürstenhäusern Europas. Aber auch als Beichtväter und Berater der Monarchen sind sie hochgeschätzt. Aus dieser Position heraus sind sie nicht nur im Zentrum der Macht, sie haben auch Einfluss auf die Mächtigen.
Der Orden wächst
Planet Wissen. 25.07.2023. 02:12 Min.. UT. Verfügbar bis 28.09.2026. SWR.
Die Jesuiten und die Naturwissenschaften
"Gott in allen Dingen suchen und finden" ist der spirituelle Auftrag des Ordensgründer Ignatius von Loyola an seine Brüder – das schließt auch die Naturwissenschaften ein. Mit viel Erfolg forschen Jesuiten beispielweise in der Astronomie.
Der Jesuitenpater Christoph Schreiner entdeckt zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Sonnenflecken und berechnet die Umdrehungszeit der Sonne und ihre Achsenneigung. Viele Mondkrater und Mondgebirge tragen Namen von Jesuiten. Aber auch in anderen Bereichen der Wissenschaft können Jesuiten Erfolge vorweisen, darunter Mathematik, Geographie, Kartographie und Sprachwissenschaften.
Der Jesuit und Astronom Adam Schall
Die Missionsarbeit in Südamerika
Im Zeitalter der Eroberungen zieht es auch die Jesuiten auf bisher unbekannte Kontinente. In Südamerika sind sie nicht die ersten Missionare – die Franziskaner, Benediktiner und Dominikaner sind dort schon tätig.
Aber die Jesuiten bringen einen ganz neuen Ansatz für ihre Missionsarbeit mit: Sie gehen nach dem Prinzip der Inkulturation vor. Dazu gehört, dass die Jesuiten bei der Vermittlung der christlichen Botschaft auf die Eigenart der vorgefundenen Kultur eingehen, ihre Sitten, Sprachen und Denkweisen respektieren.
In Südamerika gründet der Orden sogenannte Reduktionen: Siedlungen, in denen nomadisierende Indigene sesshaft gemacht werden und neben der Glaubensverkündigung lernen, Landwirtschaft zu betreiben und in einer sozialen Gemeinschaft zu leben.
In den Reduktionen finden die Ureinwohner auch Schutz vor Sklavenjägern und der Ausbeutung durch spanische Eroberer. In kürzester Zeit sind die Reduktionen wirtschaftlich erfolgreich. Zeitweise leben um die 100.000 Einwohner in 30 Reduktionen.
Jesuiten-Reduktion bei den Tapuyo-Indianern in Brasilien
Die schwierige Mission in China
Der Jesuitenpater Matteo Ricci, Astronom und Mathematiker, bereitet sich drei Jahre auf seine Mission in China vor. Er lernt die chinesische Sprache und befasst sich mit Kunst und Philosophie der Chinesen.
Durch seine Fähigkeiten als Mathematiker, Kartograph und Astronom findet Ricci Anerkennung unter den chinesischen Gelehrten und auch beim chinesischen Kaiser. Ricci ist der erste Europäer, der 1601 auf Einladung des Kaisers die Verbotene Stadt in Peking betreten darf. Er wird als Hofastronom angestellt und mit der Reform des chinesischen Kalenders betraut.
Über Riccis Zugang in die chinesische Führungsschicht verfolgen die Jesuiten ihr eigentliches Ziel: den Kaiser und mit ihm ganz China zum Christentum zu bekehren. Auch hier basiert die Missionsarbeit der Jesuiten auf dem Prinzip der Inkulturation.
Die Jesuitenmissionare respektieren die chinesische Kultur – ihre Sitten, Gebräuche und Zeremonien, unter anderem bei der Ahnenverehrung. Dazu gehört auch, die Ideen des vorherrschenden Konfuzianismus mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen. Ricci und seine Ordensbrüder haben mit ihrer Missionsmethodik – der "Akkommodation" – Erfolg und bekommen die Erlaubnis, eine Kirche einzurichten und zu missionieren.
Das Ende der Mission in China
In den Augen anderer missionierender Orden in China – wie Dominikaner und Franziskaner – lassen sich die Jesuiten aber in ihrer Missionsarbeit zu sehr auf die fremde Kultur ein. Streitpunkt ist vor allem eine bestimmte Form der Ahnenverehrung. Nach ihrer Auslegung sind die Riten der chinesischen Ahnenverehrung Aberglaube und nicht mit der Lehre der römisch-katholischen Kirche vereinbar.
Nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit den Jesuiten im sogenannten "Ritenstreit" verbietet Papst Clemens XI. 1704 die Tolerierung des Ahnenkults in China. Der chinesische Kaiser versteht dieses Verbot als unzulässige Einmischung des Westens in die inneren Angelegenheiten Chinas. Die christliche Mission in China ist damit gescheitert und die Missionare müssen das Land verlassen.
Die Auflösung des Ordens
Nach dem rasanten Aufstieg des Jesuitenordens setzt Mitte des 18. Jahrhunderts – rund 200 Jahre nach seiner Gründung durch Ignatius von Loyola – der Niedergang der Societas Jesu ein. Gerade der Erfolg der Gesellschaft Jesu und ihr Einfluss auf die Mächtigen befördert Misstrauen unter den anderen Orden innerhalb der Kirchengemeinschaft.
Auch die politischen Verhältnisse in Europa verändern sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Der Absolutismus als neue Herrschaftsform findet viele Anhänger unter den Fürstenhäusern. Als alleiniger Inhaber der Herrschaftsgewalt steht der Monarch jetzt über dem Gesetz und legitimiert seinen Herrschaftsanspruch mit dem göttlichen Willen. Von seinen Untertanen verlangt der Monarch ungeteilte Loyalität.
Doch die Jesuiten sind durch das Gehorsamsgelübde allein dem Papst zur Loyalität verpflichtet. Für die absolutistischen Herrscher werden die Jesuiten damit zu Gegnern der Reformbewegung.
Vor allem Portugals Außenminister Sebastiao Jose de Carvalho e Mello, der Portugal im Sinne des Absolutismus reformieren will, sind die Jesuiten und ihre Missionsarbeit in Südamerika ein Dorn im Auge. Er will die erfolgreichen jesuitischen Reduktionen in Brasilien auflösen. Der Widerstand der indigenen Bevölkerung gegen dieses Vorhaben wird von den Portugiesen blutig niedergeschlagen.
Als 1755 die Hauptstadt Lissabon von einem schweren Erdbeben fast völlig zerstört wird, erklärt der Jesuit Malagrida dies mit der Strafe Gottes für das Massaker an den Indigenen, aber auch als Strafe für die absolutistischen Reformbestrebungen des Portugiesen, die in den Augen der Jesuiten auch gegen die Kirche gerichtet sind. Dieser Auftritt bleibt nicht ohne Folgen.
Sebastiao Jose de Carvalho e Mello gelingt es, die Jesuiten in Portugal in Misskredit zu bringen. 1759 wird der Orden der Jesuiten verboten, seine Mitglieder werden aus Portugal vertrieben, und ihre Reduktionen in Brasilien aufgelöst.
1764 müssen die Jesuiten auch Frankreich verlassen und 1767 werden die Jesuiten in Spanien und in den spanischen Kolonien verhaftet und deportiert, ihre Reduktionen in Südamerika aufgelöst.
Als Frankreich, Spanien und Portugal drohen, sich von Rom loszusagen, wenn Papst Clemens XIV. den Jesuitenorden nicht auflöst, gibt er dem Druck nach. 1773 unterzeichnet er das Breve "Dominus ac redemptor noster", und verordnet damit die Aufhebung des Jesuitenordens. Doch die vollständige Vernichtung der Societas Jesu misslingt.
Teile des Ordens finden Zuflucht und Schutz in Russland unter Katharina II. und in Preußen unter Friedrich II. Beide sind zwar keine Katholiken, wollen aber nicht auf die angesehenen Jesuitenlehrer verzichten.
Wiederherstellung und Neubeginn
Nach der Niederlage Napoleons in Waterloo 1815 kommen restaurative Kräfte in Europa zum Wirken, was den wenigen Jesuiten, die es noch gibt, zugute kommt. Die offizielle Wiederherstellung des Ordens durch Papst Pius VII. erfolgt am 7. August 1814 in der Kirche Il Gesù in Rom.
Die Jesuiten engagieren sich wieder in den Bereichen Bildung, Mission und Wissenschaft. Obwohl die Societas Jesu im 19. Jahrhundert immer wieder verfolgt und vereinzelt verboten wird, erholt sich der Orden langsam. Neue Bildungseinrichtungen entstehen, die Zahl der Ordensmitglieder verdoppelt sich, und immer mehr Jesuiten arbeiten wieder weltweit als Missionare.
Aber der Orden kommt nicht zur Ruhe. 1872 erlässt Reichskanzler Otto von Bismarck das Jesuitengesetz in Deutschland, in dem den Jesuiten unter anderem verboten wird, sich im Reich niederzulassen. Erst 1917 wird das Gesetz wieder aufgehoben.
Otto von Bismarck lässt die Gesellschaft Jesu verbieten
Im Nationalsozialismus wird der Orden zunächst kritisch beobachtet, später werden die Jesuiten zu "Volksschädlingen" erklärt. Mehrere Ordensmitglieder werden verfolgt und in Konzentrationslagern interniert, manche hingerichtet. Darunter Pater Alfred Delp, der wegen Hoch- und Landesverrats zum Tod durch den Strang verurteilt wird.
Quelle: SWR | Stand: 22.09.2021, 16:00 Uhr