Einzigartig in Europa
Die rund 30 Tempelanlagen auf Malta entstanden im Zeitraum zwischen 3800 bis 2500 vor Christus und sind in ihrer Dichte, Größe und Architektur einzigartig in ganz Europa. Um 2500 vor Christus verschwand diese Kultur schlagartig von der Insel. Die Gründe hierfür liegen bis heute im Unklaren.
Die Baumeister der Anlagen vollbrachten unglaubliche Leistungen. Mit Werkzeugen aus Obsidian (ein sehr hartes, vulkanisches Gestein) lösten sie die Blöcke aus den Felsen und bearbeiteten sie. Für den Transport der Blöcke verwendeten sie unter anderem Steinkugeln, die heute noch bei den Tempeln zu sehen sind.
Die Tempel auf Malta unterscheiden sich in ihrer Größe, die Altarräume haben jedoch die alle gleiche ovale Form. Wissenschaftler vermuten, dass diese Form – wie in anderen Kulturen – den Zyklus des Lebens repräsentieren könnte.
Unstrittig ist, dass die Oval-Form eine besondere Bedeutung hatte, denn die Tempelanlagen bestehen immer aus mehreren ovalförmigen Räumen, die miteinander verbunden sind. Von oben betrachtet erinnern sie an ein Kleeblatt. Archäologen sprechen deshalb auch von der Kleeblatt-Tempelkultur.
Knochenfunde von Tieren dienen als Beleg für Tieropfer in den Tempeln. Außerdem hat man große Gefäße gefunden, in denen das Blut der Opfertiere aufgefangen worden sein könnte. Wem die Menschen ihre Tieropfer darbrachten, ist ungeklärt.
In mehreren Tempeln wurden jedoch Skulpturen von Frauenkörpern gefunden, die dicke Bäuche und gewaltige Brüste hatten. Einige Wissenschaftler schließen daraus, dass die Menschen einer Fruchtbarkeitsgöttin huldigten. Sie hatte die Gestalt einer Leben schenkenden, übernatürlichen Urmutter (Magna Mater).
In fast allen Tempeln wurden Löcher in den Wänden gefunden, die für Orakellöcher gehalten werden. Demzufolge scheinen Wahrsagungen eine große Rolle im Leben der Inselbewohner gespielt zu haben. Die Anlagen von Hagar Qim waren schon im 19. Jahrhundert bekannt. Alle anderen wurden erst später durch Zufälle entdeckt und ausgegraben.
Die Tempel von Tarxien
Die gewaltigsten Anlagen der Inseln sind die Tempel von Tarxien, die vorbildlich rekonstruiert sind. In unterschiedlichen Epochen wurden hier Tempel errichtet. Um 4000 vor Christus sollen die kleineren Tempel entstanden sein, von denen nur noch Fragmente vorhanden sind. Zwischen 3000 und 2500 vor Christus sind die drei am besten erhaltenen Tempel errichtet worden.
Weil die gesamte Anlage mit Erdreich bedeckt und so das Innere vor Witterungseinflüssen geschützt war, wurden hier zahlreiche Funde gemacht. Mehrere Mater Magna-Figuren – unter anderen eine ursprünglich rund zwei Meter große – waren darunter. Außerdem entdeckten die Archäologen zahlreiche verzierte Steine. Als Ornamente wurden besonders Spiral- und Tiersymbole verwendet.
Die Anlagen von Tarxien sind vorbildlich rekonstruiert
Die Tempelanlagen von Hagar Qim
Die Anlage von Hagar Qim hat nicht die ansonsten typische Kleeblattform. Hier gehen sechs ovale Räume von einem Hauptraum ab. Dies ist jedoch nicht die einzige Besonderheit der zwischen 3600 und 2500 vor Christus entstandenen Anlage. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Anlage ein frühzeitliches Observatorium war. Die Anordnung einzelner Steine und Altarräume werden von ihnen als Beleg dafür angeführt.
Der Haupteingang beispielsweise weist genau in die Richtung, in der zur sommerlichen Mondwende der Vollmond aufgeht. Der Eingang auf der Rückseite ist dementsprechend auf die winterliche Wende des Monduntergangs ausgerichtet.
Einen weiteren Beleg für die These eines Observatoriums sehen die Archäologen in einem hoch aufragenden Stein in der Südmauer. Ihn halten sie für einen Signalstein. Sein Schatten soll an bestimmten Tagen wie der Sommer- und Wintersonnenwende auf exakt festgelegte Stellen im Inneren der Anlage gefallen sein.
Der größte bei den Tempelbauten verwendete Stein steht innerhalb dieser Anlage. Mit seinen 6,40 Metern Länge und drei Metern Breite hat er ein Gewicht von etwa 57 Tonnen.
Mnajdra und Hypogäum
Etwa 500 Meter westlich von Hagar Qim liegen rund 84 Meter über dem Meer nebeneinander die drei Tempel von Mnajdra. Der Tempel im Westen soll um 3700 vor Christus errichtet worden sein. Die beiden anderen sind später entstanden. Auch beim Bau dieser Anlage haben vermutlich astronomische Gesichtspunkte die Hauptrolle gespielt.
Maltesische Archäologen sind der Meinung, Mnajdra hatte ähnlich wie Stonehenge in England und die Menhire (einzeln oder in Gruppen aufgestellte Steine) in der Bretagne eine Art Kalenderfunktion.
Der Eingang des Westtempels soll so angelegt worden sein, dass zu verschiedenen Daten jeweils unterschiedliche Altäre vom Sonnenlicht bestrahlt wurden. Stimmt dies, dann muss die Geschichte der Megalithkultur vielleicht umgeschrieben werden. Denn dann hätten die Erbauer auf Malta schon mehrere hundert Jahre vor denen in Frankreich und England astronomische Kenntnisse besessen.
Eingang des Tempels von Mnajdra
Ob das weltberühmte Hypogäum (unterirdischer vorchristlicher Tempel) von Sal Saflieni der Megalithkultur zuzurechnen ist, bleibt umstritten. Es handelt sich um einen unterirdischen Sakralbau, der bis zu zehn Meter tief in den Kalkstein gehauen wurde.
Diese Kultstätte wurde im Jahr 1902 zufällig bei Bauarbeiten entdeckt. Sie erstreckt über 500 Quadratmetern auf mehreren Etagen und besteht aus einem Labyrinth von Gängen, Nischen und Opferkammern. Mehr als 7000 meist weibliche Skelette wurden hier gefunden. Welchen Zweck die Anlage erfüllte, kann bis heute nicht genau geklärt werden.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 03.04.2019)
Quelle: WDR