Was ist Antisemitismus?

Planet Wissen 15.02.2022 02:15 Min. UT Verfügbar bis 09.06.2025 ARD-alpha

Geschichte des jüdischen Volkes

Judenhass – Antisemitismus und Antijudaismus

Die Geschichte des Judenhasses ist mehr als 2000 Jahre alt. Bereits die Griechen, Perser und Römer unternahmen Versuche, die jüdische Religion zu vernichten und deren Gläubige zu bekehren oder zu töten.

Von Allon Sander

Die christliche Hysterie braucht Sündenböcke

Die Muslime brachten den Juden, wie auch den Christen und anderen "Schriftvölkern", meist lediglich Verachtung entgegen. Spezielle Formen der Demütigung von Juden sind kaum bekannt. Anders sah die Lage in den christlichen Reichen aus: Die Feindschaft der Christen gegenüber den Juden und ihrer Religion nährte sich aus Furcht, Unwissen und falschen Verdächtigungen.

Im Byzantinischen Reich galten Juden als Feinde der Religion und wurden verfolgt, vertrieben und ermordet. Im Römischen Reich war die Situation komplizierter. Die Päpste aus Rom wollten die Juden schützen – nach der Lehre vom heiligen Augustinus. Dieser hatte die Juden als Beleg dafür betrachtet, dass die Lehre der Kirche richtig sei. Daher müssten sie bewahrt werden, wenn auch im Zustand der Demütigung.

Während des Mittelalters verschärfte sich der Ton. Mönche und Wanderprediger hetzten offen gegen Juden, die Bevölkerung ließ sich manipulieren. Die Vorwürfe und Verdächtigungen den Juden gegenüber dienten sowohl der Stärkung der eigenen Religion als auch dafür, Schuldige für scheinbar Unerklärliches zu finden – wie etwa für die Pest.

Antijüdische Empfindungen wurden aber auch genutzt, um wirtschaftliche Vorteile daraus zu ziehen. Denn Juden durften ihr Einkommen oft nur mit Handel oder Geldgeschäften verdienen. Einen Juden zu ermorden, dem man Geld schuldete, brachte daher häufig auch einen Schuldenerlass mit sich.

Judenhass im Mittelalter

Planet Wissen 15.02.2022 01:19 Min. UT Verfügbar bis 09.06.2025 ARD-alpha

Die "Reinheit des Blutes": Judenverfolgung wird Christenpflicht

Einen dramatischen Wendepunkt in der Geschichte des Antijudaismus markierte das Gesetz der "Reinheit des Blutes" 1449 im spanischen Toledo. Das Gesetz entstand aus der Furcht heraus, die erfolgreichen, zum Christentum konvertierten Juden seien andersartig von Geburt an, also "im Blut".

Die Schmähschriften des Reformators Martin Luther um 1540, in denen er die Juden als Volk der Lügner bezeichnete und "folgerichtig" deren Ausrottung forderte, hatten enormen Einfluss auf den späteren Antisemitismus. "Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist's um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück (...) sind."

Darüber hinaus vertrat Luther die Auffassung, Juden seien ihrem Wesen nach Parasiten und Verschwörer. Er forderte, ihre Synagogen, Schulen, Häuser, Besitz und Schriften zu zerstören und fügte hinzu, "wenn ich könnte würde ich sie (...) in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren". Noch ein paar Jahre zuvor hatte er moniert, die Juden würden "unchristlich" behandelt.

Porträt von Martin Luther

Ein echter Judenhasser: Martin Luther

Die "Wissenschaft" des Antisemitismus

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Antisemitismus "wissenschaftlich belegt". Erfinder des Begriffs "Antisemitismus" war Friedrich Wilhelm Adolph Marr in seiner 1879 veröffentlichten Schrift "Der Weg zum Siege des Germanenthums über das Judenthum".

Im Geist dieser Zeit der wissenschaftlichen Aufbrüche fanden auch Pseudowissenschaften ihren Weg in die öffentliche Diskussion. Auch der Antisemitismus machte sich das zunutze: Er erweckte den Anschein einer wissenschaftlichen Fundierung, mit der der Antisemit den Juden als Feind der Gesellschaft darstellen konnte.

Die Ideologie spielt keine Rolle: Jude bleibt Jude

Für den kommunistischen Antisemiten ist der Jude Kapitalist, für den Liberalen ein Kommunist. Für den antisemitischen Traditionalisten sind alle Juden gefährliche Elemente. Für den Anhänger der Rassentheorie sind die Juden schlicht minderwertig. Nicht nur das, sie versuchen die "höheren Rassen" zu "unterwandern".

Für den Antisemiten gibt es keine andere Möglichkeit zur "Heilung" außer der Entfernung der jüdischen Elemente aus der Gesellschaft. Den tragischen Höhepunkt der antisemitischen Hysterie in Europa markierte die Zeit des Nationalsozialismus mit dem Holocaust.

Bis heute halten sich hartnäckig antisemitische Verschwörungstheorien, wonach die Juden angeblich böse, skrupellos und herrschaftssüchtig seien. Über das Internet und die Sozialen Medien verbreiten sich absurde und paradoxe Vorwürfe auf dubiosen Seiten.

So wird den Juden vorgeworfen, verkleidet als Deutsche das Land seit Jahrzehnten zu führen (darunter auch als Adolf Hitler); oder die Juden seien eine außerirdische Echsenart, die eine menschliche Form annehmen kann und die Welt beherrscht.

Jugendlicher Ghettobewohner im Warschauer Ghetto bietet Armbinden mit dem Davidstern zum Verkauf an, 1940

Im Holocaust wurden sechs Millionen Juden getötet

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 04.06.2020)

Quelle: WDR

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